Antifaschismus im sächsisch-böhmischen Grenzgebiet: Die Geschichte der Roten Bergsteiger

(Christopher Forst)

Der AK Osteuropa beschäftigt sich nicht nur mit dem was „klassischerweise“ von vielen als Osteuropa gesehen wird: Unser letztes Treffen führte uns nach Dresden und ins Elbsandsteingebirge. Im Vordergrund stand die Geschichte des deutsch-tschechisch-polnischen Dreiländerecks. Keine leichte, aber eine sehr spannende Kost.

Einen prominenten Platz nahm im Rahmen unseres Seminars eine Wanderung „auf den Spuren der Roten Bergsteiger“ durch das Elbsandsteingebirge ein. Im Anschluss an den äußerst interessanten und wärmstens weiterzuempfehlenden Ausflug würden wir deshalb gerne das Thema Rote Bergsteiger auch auf unserem Blog nicht unerwähnt lassen.

Foto: Galyna Spodarets
Foto: Galyna Spodarets

Der Begriff Rote Bergsteiger klingt zunächst einmal martialisch und auch ein wenig gegensätzlich. Rot klingt nach Blut, nach Kampf, nach Widerstand, nach Antifaschismus. Bergsteigen gilt mitunter als bieder, man stellt sich unter Bergsteigern Naturfreunde vor: Freundliche, ruhige Zeitgenossen. Überraschenderweise bestätigen sich beide Vorurteile gleichermaßen, wenn man in die Geschichte der Roten Bergsteiger im Elbsandsteingebirge eintaucht. Aber beginnen wir bei der Frage, um wen es sich dabei überhaupt gehandelt hat.

Heute ist der Landkreis Sächsische Schweiz vor allem für die hier extrem starke NPD sowie jüngst für die Beteiligung seiner Bürger an der Pegida-Bewegung deutschlandweit bekannt. Ein Blick in die Geschichte zeigt, warum diese Entwicklung besonders betrüblich ist.

Deutschland unter Hitler. Schmilka, das letzte Dorf vor der tschechischen Grenze, stellt eine unüberwindbare Hürde dar. Schmilka, das ist ein fast schon verwunschen wirkender Ort, in den man auch heute noch vom (so genannten) Bahnhof aus mit einer Fähre, Baujahr 1927, übersetzen muss. Es gibt eine Mühle und einige ansehnliche kleine Häuser. Zeitzeugen gibt es hier heute kaum noch, und doch hilft eine Wanderung durch das Elbsandsteingebirge zu verstehen, was während der Nazidiktatur in dieser Gegend passiert ist.

Die Vereinigte Kletterabteilung (VKA) oder auch „Naturfreunde Opposition“, heute besser bekannt als Rote Bergsteiger, wurde bereits im Jahre 1930 gegründet, Vorläufer gab es sogar schon zu früheren Zeitpunkten. Den Mitgliedern der Vereinigung waren sowohl der sportliche Gedanke und ihre Naturverbundenheit als auch der politische Widerstand wichtig. Viele von ihnen waren politisch in linken Parteien aktiv, etwa in der KPD. Gleichzeitig handelte es sich um begeisterte Sportler und Naturfreunde, die ihrer großen Leidenschaft nachgehen wollten, dem Bergsteigen.

Foto: Michael Meißner
Foto: Michael Meißner

Als die Nazis die Macht ergriffen hatten, sollte sich das Bergsteigen als eine sehr nützliche Fähigkeit für den Widerstand gegen Hitler erweisen. Die Roten Bergsteiger wurden zu Grenzgängern im sächsisch-böhmischen Grenzgebiet. Für Sie war Schmilka nicht das Ende des Weges. Ihre Organisation war zwischenzeitlich verboten worden, doch in Absprache mit den Parteien, denen Sie nahe standen (u.a. KPD, SPD, SAP), waren die Bergsteiger bereit dazu, sich aktiv antifaschistisch zu engagieren. Sie vermochten es, über die steilen Hänge des Elbsandsteingebirges zu klettern und so politische Pamphlete, Waren und Menschen illegal über die Grenze zu bringen. In der „Höhle am Satanskopf“ wurde zudem eine verbotene Zeitung gedruckt, was zu DDR-Zeiten mit einem Denkmal geehrt wurde. In der DDR gab es auch eine viel beachtete Fernsehserie, die sich mit den Roten Bergsteigern und ihrem Schicksal auseinandersetzte. Dass die Tätigkeit nicht ungefährlich war erklärt sich im Übrigen von selbst – viele Bergsteiger wurden in Konzentrationslagern umgebracht. Widerstand war unter Hitler nicht geduldet.

De facto war wohl nur ein kleiner Teil der Bergsteiger in der Sächsischen Schweiz in den 30er-Jahren antifaschistisch engagiert. Dennoch sollten wir diese mutigen Widerstandskämpfer nicht vergessen. Unsere Wanderung durch das Elbsandsteingebirge, vorbei an steilen Abhängen und alten Grenzsteinen, hat uns deutlich gemacht, wie hoch das Risiko war, das die Bergsteiger auf sich nahmen. Mitunter kam es zu Schüssen an der Grenze, in jedem Falle aber brachte die Tätigkeit als Grenzgänger große Opfer mit sich. Manch einer musste tagelang in den Wäldern der Sächsischen Schweiz ausharren und war nah am Hungertod.

Für uns als ungeübte Wanderer war der Weg von Schmilka durch das Elbsandsteingebirge bereits ohne lauernde Gefahren auf beiden Seiten der Grenze eine Herausforderung. Heute bietet diese Gegend aber auch ein wundervolles Panorama. Einige Eindrücke unseres Ausflugs haben wir fotografisch festgehalten. Die bewegende Führung „auf den Spuren der Roten Bergsteiger“ werden wir ebenso wenig vergessen, wie die eindrucksvolle Natur des Elbsandsteingebirges.

Foto: Michael Meißner
Foto: Michael Meißner

Die Geschichte der mutigen sächsischen und böhmischen Widerstandskämpfer ist auch eine Geschichte der Völkerverständigung und der Solidarität. Als AK Osteuropa der Friedrich-Ebert-Stiftung fühlen wir uns der Völkerverständigung, der Solidarität und dem Antifaschismus in besonderem Maße verpflichtet. Auf den zweiten Blick wundert es deshalb wenig, dass sich der AK Osteuropa diesmal nicht mit Russland, der Ukraine oder dem Balkan, sondern mit der deutsch-tschechisch-polnischen Grenzregion auseinandergesetzt hat. In dieser Region wurde genauso wie andernorts die Geschichte nachhaltig geprägt, nicht zuletzt auch dank der mutigen Bergsteiger, auf deren Spuren wir wandern dürften.

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