Georgien – Eine Vorbereitung – Eine Reise – eine Tortur?

(Henrik Buschmann)

Fünf Wochen vor dem Start der Reise nach Georgien habe ich die Zusage als Nachrücker bekommen. Ich saß gerade mit Freunden in einer Göttinger Kneipe. Als ich die Zusage las, überwältigte mich das Glücksgefühl – Georgien! Wie geil ist das denn?! Wahrscheinlich haben die Umgebung und die Umstände auch etwas dazu beigetragenber meine Freunde verstanden nicht, warum ich kurzzeitig freudig gestikulierend auf meinem Platz saß und jegliche Aufmerksamkeit auf mich lenkte. Bis sie auch die E-Mail lasen.

Georgien also.

Nach den großen Glücksmomenten Stand ich am nächsten Morgen auf und musste diese ganze Reise planen. Ich war noch nie so schnell wieder auf dem Boden der Realität angekommen.
Du hast keinen Reisepass, die weiteste Entfernungen von zu Hause, waren Brüssel und Salzburg. Du hast keinen Reise-Rucksack, alle Behördengänge müssten eigentlich gestern erledigt worden sein und du bist noch nie geflogen. Grundbedingungen für Stress sind vorhanden.
Sei es drum. Ich rief Punkt 8 Uhr also das Standesamt an, um mir meine Geburtsurkunde zu organisieren und das Einwohnermeldeamt wegen der Beantrag meines Reisepasses. Dazu kam noch ein Termin beim Fotografen meines Vertrauens. Folgend habe ich dann all meine Freunde und Familie darüber aufgeklärt, dass ich nach Georgien fliegen werde und dass ich noch einiges zu tun habe.

Georgien also. So lautet der Grundtenor bei den meisten.

Ja, Georgien. Was weiß ich eigentlich über Georgien? Es ist eine ehemalige Sowjet-Republik; es sollen dort alle sehr nett sein und eine gewisse Trinkfestigkeit wäre wohl von Vorteil.

Vorsichtig formuliert: Mein Wissen ist begrenzt und nur leicht mit Klischees behaftet.

Let’s take a closer look at Georgia:

Betrachten wir Georgien mal aus einer anderen Sicht: Der ökonomischen. Mit dieser Sichtweise sollte ich mich studienbedingt zumindest ein wenig auskennen.
In Georgien sind der Tourismus und Landwirtschaft ein sehr großer wirtschaftlicher Faktor. Gerade Regionen, die am Schwarze Meer gelegen sind, sind wirtschaftlich gebunden an Tourismus
Durch die große klimatische Vielfalt besteht auch Vielfach die Möglichkeit, eine breitgefächerte Landwirtschaft zu betreiben. So wird das Land auf verschiedenste Möglichkeiten genutzt. Vom Eukalyptus, über Obstplantage mit Äpfeln, Pfirsiche, Aprikosen sowie Zitrusfrüchten bis hin zur in den Bergregionen gelegenen Tierzucht ist in diesem Land alles zu finden.

Sommeruni im Herzen Zentralasiens

(Ruben Werchan)

Bericht über den Besuch der Sommeruni zum Thema „Ressourceneffizienz in Zentralasien“ in Almaty, Kasachstan

Die orthodoxe Zenkov Kathedrale im Panfilov Park in Almaty

Ausgestattet mit einem Stipendium des DAADs nahm ich vom 12. bis 24. August 2013 an der XII. Internationalen Sommeruniversität an der Deutsch-Kasachischen Universität (DKU) in Almaty (Kasachstan) teil. Thema der Sommeruni war „Nachhaltige Entwicklung und effektive Ressourcenpolitik“. Diesem Oberthema näherten wir uns in drei Gruppen. Eine Gruppe beschäftige sich mit den ökonomischen Aspekten der Thematik, eine weitere Gruppe mit den ökologischen Aspekten und die dritte Gruppe explizit mit der effektiven Verwaltung der Wasserressourcen in Zentralasien. Während die Unterrichtssprache in den ersten beiden Gruppen Deutsch war, wurde das dritte Thema auf Russisch unterrichtet. Die Entscheidung ein russischsprachiges Modul anzubieten, war getroffen worden, da es nicht genug Anmeldungen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Zentralasien gegeben hatte. Dies war darauf zurückgeführt worden, dass Deutschkenntnisse Voraussetzung für die Bewerbung waren und es offensichtlich nicht ausreichend interessierte Zentralasiatinnen und Zentralasiaten mit Deutschkenntnissen gegeben hatte. Die Teilnehmenden setzten sich nämlich aus Studenten und Studentinnen aus allen zentralasiatischen Ländern (Kasachstan, Usbekistan, Kirgistan und Turkmenistan), sowie aus Deutschland zusammen.

Blick auf Almaty von Kok-Tobe, dem höchsten Berg im Stadtgebiet

Zunächst ein paar Worte zu Almaty. Almaty ist die größte Stadt Kasachstans und war bis 1997 die Hauptstadt des Landes. Sie hat ca. 1,5 Millionen Einwohner und liegt im Südosten Kasachstans nahe der Grenze zu Kirgistan. Im Norden wird die Stadt von Steppe eingeschlossen und im Süden reicht sie bis an das Gebirge heran, welches das Grenzgebiet zu Kirgistan darstellt. Aufgrund diese Lage ist die Stadt konstant von Süden nach Norden abschüssig, weswegen sämtliche Stadtpläne von Almaty mit vertauschten Himmelsrichtungen gedruckt werden. Wenn der Süden auf dem Plan oben ist, dann entspricht dies auch dem geologischen Oben und macht so eine Orientierung in der Stadt äußerst intuitiv. Ansonsten macht die Stadt einen sehr sowjetischen Eindruck, zu dem sowohl die rasterförmig verlaufenden Straßen also auch die Architektur beitragen. Dabei ist die Stadt allerdings sehr grün mit vielen Parks und Alleen, was das Lebensgefühl signifikant steigert und zumindest etwas die Abgase der im Übermaß vorhanden SUVs kompensieren kann. Letztere zeugen davon, dass das Wohlstandsniveau in Almaty im Vergleich zum Großteil des Landes sehr hoch ist.

Leider wurden derartige offensichtliche Beispiele für den eher verschwenderischen Umgang mit Ressourcen, in diesem Fall Benzin, in der Sommeruni nur in Ausnahmefällen behandelt. Vermutlich um dem unterschiedlichen Wissenstand der Teilnehmer und Teilnehmerinnen gerecht zu werden, war der Inhalt der Lehrveranstaltungen sehr grundlegend und allgemein gehalten, was zumindest auf Seite der deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Laufe der zwei Wochen mit zunehmender Enttäuschung aufgenommen wurde. Ein weiterer Stein des Anstoßes war die starke Fokussierung der Lehrveranstaltungen auf Deutschland. In einem Land, welches viele Beispiele für die Problematik von Ressourcennutzung bietet, wie das Austrocknen des Aralsees (Ressource Wasser), den sowjetischen Atomtests (Ressource Land), dem Umgang mit Bodenschätzen und vielen mehr, war es wenig nachvollziehbar, dass diese Problematiken meist nur am Rand geschnitten wurden und deutschlandspezifischen Beispielen sehr viel Raum eingeräumt wurde. Bleibt zu hoffen, dass zumindest die Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus Zentralasien von diesen Beispielen profitiert haben.

Picknick in den Bergen

Aber die Universität beschränkte sich nicht auf klassische Lehrveranstaltungen, sondern überzeugte mit einem weitaus umfangreicheren Programm. Fachvorträge von Vertretern aus der Praxis (von der Arbeit im Nichtregierungssektor über Landwirtschaft bis zum Ökotourismus) halfen den thematischen Wissensgewinn der Universität zu steigern. Und vielleicht ist es auch ein offenes Geheimnis, dass nicht der Wissensgewinn im klassischen Sinne bei einer solchen Sommeruniversität im Vordergrund steht, sondern das Kennenlernen einer anderen Kultur. Auch hierbei wurden wir von den Organisatoren und Organisatorinnen der Sommeruni kräftig unterstützt. Oft gab es am Nachmittag ein fakultatives Kulturprogramm, bei dem wir Museen, Konzerte und Sehenswürdigkeiten besichtigen konnten. Für viele ein Höhepunkt waren ohne Frage die Exkursionen in die Natur um Almaty. Bei zwei Wanderungen ins Gebirge, wobei bei der ambitionierteren der beiden 2.000 Höhenmeter überwunden wurden, und einer Fahrt zum Fluss Ili in die Steppe nördlich der Stadt, bekamen wir einen wunderbaren Eindruck von der Vielseitigkeit der kasachischen Landschaft.

Der Fluss Ili und die kasachische Steppe

Von den dabei gewonnenen Eindrücken begeistert, versuchten sich einige von uns an einer Radtour, was sich allerdings angesichts von konstanten 12% Steigung als wenig empfehlenswert herausstellte, auch wenn wir am Ende mit dem Anblick des Großen Almatysees und einem sehr unterhaltsamen Gespräch mit vier Grenzsoldaten belohnt wurden. Diese erzählten uns, dass angeblich islamistische Terroristen vor einem Jahr mehrere Grenzsoldaten umgebracht hätten, beim Versuch den Damm des Sees zu sprengen und somit die Trinkwasserversorgung Almatys zu boykottieren. Derartige Berichte bekommt man mit Sicherheit nur zu hören, wenn man die Möglichkeit hat, sich in einem Land aufzuhalten und es selbstständig zu erkunden.

Internationale Teilnehmerinnen und Teilnehmer

Selbstverständlich kam auch der sozialkommunikative Aspekt der Sommeruniversität nicht zu kurz. Wir tauschten uns über die unterschiedlichen Lebensrealitäten aus, die vor allem bei den usbekischen Teilnehmern und Teilnehmerinnen teilweise sehr krass waren, da diese in einer Zeit permanenter Unruhen und gewaltsamer Auseinandersetzungen aufgewachsen waren. Gerade in Hinblick auf das Knüpfen von Kontakten stellte die Sommeruni eine perfekte Plattform dar. Am Ende der zwei Wochen waren neue Freundschaften entstanden und wir verließen uns unter der Beteuerung gegenseitigen Einladungen und dem Versprechen, diese auch anzunehmen. Wobei natürlich zu befürchten steht, dass dies aufgrund der großen geographischen Entfernungen teilweise ein frommer Wunsch bleiben wird, aber angeblich sieht man sich ja immer mindestens zweimal im Leben.

Der Hochgeschwindigkeitszug "Zhetysu"

Nach Ende der Sommerschule nutzte ich die Verbleibende Zeit, um mir auch die neue Hauptstadt Astana anzuschauen. Schon die Hinfahrt mit dem neuen Hochgeschwindigkeitszug der Kasachischen Eisenbahn war ein Erlebnis. Erstmals konnte ich bewundern, wie es ist, die Vorteile des Bahnreisens in der ehemaligen Sowjetunion (mindestens eine Nacht fahren und unterwegs ein halbwegs bequemes Bett und kochendes Wasser zu haben) mit modernen Wagons zu kombinieren. Ein Konzept, das mich durchaus überzeugen konnte und auch für den innerwesteuropäischen Bahnverkehr ein Ansatz sein kann, der in der Lage wäre eine komfortable und klimaverträgliche Alternative zum Flugzeug darzustellen. Nach erholsamen zwölf Stunden Zugfahrt kam ich erholt morgens in Astana an.

Die Prunkmeile von Astana

Astana selbst ist zweigeteilt, wobei die beiden Teile von den Einheimischen immer mit rechts und links des Flusses bezeichnet werden. Rechts des Flusses Ischim ist die alte Stadt, das ehemalige Aqmola (Astana heißt auf Deutsch Hauptstadt und ist erst seit 1997 der Name der Stadt) und links des Flusses ist all das, was seit dem Umzug der Hauptstadt entstanden ist. Die rechte Seite sieht größtenteils aus wie die meisten postsowjetischen Städte mit Plattenbauten, Supermärkten und scheinbar unnötig breiten Straßen und einer betriebsamen Lebhaftigkeit. Die linke Seite dagegen hat alles, was eine Retortenstadt mit Leib und Seele benötigt. Eine Ballung monumentaler zeitgenössischer Architektur, wie man sie sonst nur aus dem Legoland kennt, großzügig angelegte Parkanlagen und Fußgängerzonen, Einkaufszentren, die sich in keiner US-amerikanischen Großstadt verstecken müssten und eine erdrückend auffällige Abwesenheit von Menschen. Tatsächlich scheint sich das gesamte Leben auf der rechten (in Fließrichtung) Seite des Flusses abzuspielen, während sich auf der linken Seite erhabene Architektur und erhabene Leere gegenseitig verstärken. Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Zweiteilung der Stadt mit dem kontinuierlichen Zuzug neuer Bürger und Bürgerinnen und dem Fortsetzen der Bauaktivitäten (erst 30% der geplanten Bebauung sind fertiggestellt) in Zukunft auflösen wird.

Das Unterhaltungs-Center "Khan Shatyr". Entworfen von Norman Foster.

Abgesehen von der Frage der Sinnhaftigkeit eine Großstadt in ein Steppengebiet mit wenig Wasser und einem eher schwierigen Klima (kontinentales Klima in Perfektion: sehr heiße trockene Sommer und sehr kalte windige Winter) zu setzten, ist es beeindruckend, was den Planern und Erbauern der Stadt gelungen ist. Die Knappheit des Wassers ist nur zu erahnen, denn der Fluss und die üppig angelegten (und bewässerten) Grünflächen suggerieren etwas anderes. Die Möglichkeit uneingeschränkten Bauens hat namhafte Architekten angezogen, so plant Sir Norman Foster bereits sein drittes Bauwerk in Astana. Das Ergebnis ist ein Stadtbild, welches aus einer Ansammlung an Gebäuden besteht, die jedes für sich genommen den meisten anderen Städten weltweit als Wahrzeichen gereicht hätten. Damit ist Astana zu einem Symbol dafür geworden, wie rohstofffinanzierter Aufschwung in der Postsowjetunion aussehen kann. Allerdings wäre es meiner Meinung nach wünschenswert, wenn sich dieser Aufschwung weniger in Form prestigeträchtiger Baudenkmäler materialisieren würde, sondern in Projekten, die dezentral angesiedelt wären und eine nachhaltige Wohlstandssteigerung der gesamten Bevölkerung zur Folge hätten. Ob und inwiefern ganz Kasachstan und eventuell sogar die gesamte Region Zentralasien vom Rohstoffreichtum profitieren kann und wie ein wirtschaftlicher Aufschwung in der Region nachhaltig gestaltet werden kann, wird ein Schwerpunktthema der Expo 2017 in Astana sein. Spätestens dann lohnt sich eine Reise nach Kasachstan auf jeden Fall und wir dürfen mit Spannung auf die dort vorgestellten Lösungsansätze warten.