Sommeruni im Herzen Zentralasiens

(Ruben Werchan)

Bericht über den Besuch der Sommeruni zum Thema „Ressourceneffizienz in Zentralasien“ in Almaty, Kasachstan

Die orthodoxe Zenkov Kathedrale im Panfilov Park in Almaty

Ausgestattet mit einem Stipendium des DAADs nahm ich vom 12. bis 24. August 2013 an der XII. Internationalen Sommeruniversität an der Deutsch-Kasachischen Universität (DKU) in Almaty (Kasachstan) teil. Thema der Sommeruni war „Nachhaltige Entwicklung und effektive Ressourcenpolitik“. Diesem Oberthema näherten wir uns in drei Gruppen. Eine Gruppe beschäftige sich mit den ökonomischen Aspekten der Thematik, eine weitere Gruppe mit den ökologischen Aspekten und die dritte Gruppe explizit mit der effektiven Verwaltung der Wasserressourcen in Zentralasien. Während die Unterrichtssprache in den ersten beiden Gruppen Deutsch war, wurde das dritte Thema auf Russisch unterrichtet. Die Entscheidung ein russischsprachiges Modul anzubieten, war getroffen worden, da es nicht genug Anmeldungen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Zentralasien gegeben hatte. Dies war darauf zurückgeführt worden, dass Deutschkenntnisse Voraussetzung für die Bewerbung waren und es offensichtlich nicht ausreichend interessierte Zentralasiatinnen und Zentralasiaten mit Deutschkenntnissen gegeben hatte. Die Teilnehmenden setzten sich nämlich aus Studenten und Studentinnen aus allen zentralasiatischen Ländern (Kasachstan, Usbekistan, Kirgistan und Turkmenistan), sowie aus Deutschland zusammen.

Blick auf Almaty von Kok-Tobe, dem höchsten Berg im Stadtgebiet

Zunächst ein paar Worte zu Almaty. Almaty ist die größte Stadt Kasachstans und war bis 1997 die Hauptstadt des Landes. Sie hat ca. 1,5 Millionen Einwohner und liegt im Südosten Kasachstans nahe der Grenze zu Kirgistan. Im Norden wird die Stadt von Steppe eingeschlossen und im Süden reicht sie bis an das Gebirge heran, welches das Grenzgebiet zu Kirgistan darstellt. Aufgrund diese Lage ist die Stadt konstant von Süden nach Norden abschüssig, weswegen sämtliche Stadtpläne von Almaty mit vertauschten Himmelsrichtungen gedruckt werden. Wenn der Süden auf dem Plan oben ist, dann entspricht dies auch dem geologischen Oben und macht so eine Orientierung in der Stadt äußerst intuitiv. Ansonsten macht die Stadt einen sehr sowjetischen Eindruck, zu dem sowohl die rasterförmig verlaufenden Straßen also auch die Architektur beitragen. Dabei ist die Stadt allerdings sehr grün mit vielen Parks und Alleen, was das Lebensgefühl signifikant steigert und zumindest etwas die Abgase der im Übermaß vorhanden SUVs kompensieren kann. Letztere zeugen davon, dass das Wohlstandsniveau in Almaty im Vergleich zum Großteil des Landes sehr hoch ist.

Leider wurden derartige offensichtliche Beispiele für den eher verschwenderischen Umgang mit Ressourcen, in diesem Fall Benzin, in der Sommeruni nur in Ausnahmefällen behandelt. Vermutlich um dem unterschiedlichen Wissenstand der Teilnehmer und Teilnehmerinnen gerecht zu werden, war der Inhalt der Lehrveranstaltungen sehr grundlegend und allgemein gehalten, was zumindest auf Seite der deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Laufe der zwei Wochen mit zunehmender Enttäuschung aufgenommen wurde. Ein weiterer Stein des Anstoßes war die starke Fokussierung der Lehrveranstaltungen auf Deutschland. In einem Land, welches viele Beispiele für die Problematik von Ressourcennutzung bietet, wie das Austrocknen des Aralsees (Ressource Wasser), den sowjetischen Atomtests (Ressource Land), dem Umgang mit Bodenschätzen und vielen mehr, war es wenig nachvollziehbar, dass diese Problematiken meist nur am Rand geschnitten wurden und deutschlandspezifischen Beispielen sehr viel Raum eingeräumt wurde. Bleibt zu hoffen, dass zumindest die Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus Zentralasien von diesen Beispielen profitiert haben.

Picknick in den Bergen

Aber die Universität beschränkte sich nicht auf klassische Lehrveranstaltungen, sondern überzeugte mit einem weitaus umfangreicheren Programm. Fachvorträge von Vertretern aus der Praxis (von der Arbeit im Nichtregierungssektor über Landwirtschaft bis zum Ökotourismus) halfen den thematischen Wissensgewinn der Universität zu steigern. Und vielleicht ist es auch ein offenes Geheimnis, dass nicht der Wissensgewinn im klassischen Sinne bei einer solchen Sommeruniversität im Vordergrund steht, sondern das Kennenlernen einer anderen Kultur. Auch hierbei wurden wir von den Organisatoren und Organisatorinnen der Sommeruni kräftig unterstützt. Oft gab es am Nachmittag ein fakultatives Kulturprogramm, bei dem wir Museen, Konzerte und Sehenswürdigkeiten besichtigen konnten. Für viele ein Höhepunkt waren ohne Frage die Exkursionen in die Natur um Almaty. Bei zwei Wanderungen ins Gebirge, wobei bei der ambitionierteren der beiden 2.000 Höhenmeter überwunden wurden, und einer Fahrt zum Fluss Ili in die Steppe nördlich der Stadt, bekamen wir einen wunderbaren Eindruck von der Vielseitigkeit der kasachischen Landschaft.

Der Fluss Ili und die kasachische Steppe

Von den dabei gewonnenen Eindrücken begeistert, versuchten sich einige von uns an einer Radtour, was sich allerdings angesichts von konstanten 12% Steigung als wenig empfehlenswert herausstellte, auch wenn wir am Ende mit dem Anblick des Großen Almatysees und einem sehr unterhaltsamen Gespräch mit vier Grenzsoldaten belohnt wurden. Diese erzählten uns, dass angeblich islamistische Terroristen vor einem Jahr mehrere Grenzsoldaten umgebracht hätten, beim Versuch den Damm des Sees zu sprengen und somit die Trinkwasserversorgung Almatys zu boykottieren. Derartige Berichte bekommt man mit Sicherheit nur zu hören, wenn man die Möglichkeit hat, sich in einem Land aufzuhalten und es selbstständig zu erkunden.

Internationale Teilnehmerinnen und Teilnehmer

Selbstverständlich kam auch der sozialkommunikative Aspekt der Sommeruniversität nicht zu kurz. Wir tauschten uns über die unterschiedlichen Lebensrealitäten aus, die vor allem bei den usbekischen Teilnehmern und Teilnehmerinnen teilweise sehr krass waren, da diese in einer Zeit permanenter Unruhen und gewaltsamer Auseinandersetzungen aufgewachsen waren. Gerade in Hinblick auf das Knüpfen von Kontakten stellte die Sommeruni eine perfekte Plattform dar. Am Ende der zwei Wochen waren neue Freundschaften entstanden und wir verließen uns unter der Beteuerung gegenseitigen Einladungen und dem Versprechen, diese auch anzunehmen. Wobei natürlich zu befürchten steht, dass dies aufgrund der großen geographischen Entfernungen teilweise ein frommer Wunsch bleiben wird, aber angeblich sieht man sich ja immer mindestens zweimal im Leben.

Der Hochgeschwindigkeitszug "Zhetysu"

Nach Ende der Sommerschule nutzte ich die Verbleibende Zeit, um mir auch die neue Hauptstadt Astana anzuschauen. Schon die Hinfahrt mit dem neuen Hochgeschwindigkeitszug der Kasachischen Eisenbahn war ein Erlebnis. Erstmals konnte ich bewundern, wie es ist, die Vorteile des Bahnreisens in der ehemaligen Sowjetunion (mindestens eine Nacht fahren und unterwegs ein halbwegs bequemes Bett und kochendes Wasser zu haben) mit modernen Wagons zu kombinieren. Ein Konzept, das mich durchaus überzeugen konnte und auch für den innerwesteuropäischen Bahnverkehr ein Ansatz sein kann, der in der Lage wäre eine komfortable und klimaverträgliche Alternative zum Flugzeug darzustellen. Nach erholsamen zwölf Stunden Zugfahrt kam ich erholt morgens in Astana an.

Die Prunkmeile von Astana

Astana selbst ist zweigeteilt, wobei die beiden Teile von den Einheimischen immer mit rechts und links des Flusses bezeichnet werden. Rechts des Flusses Ischim ist die alte Stadt, das ehemalige Aqmola (Astana heißt auf Deutsch Hauptstadt und ist erst seit 1997 der Name der Stadt) und links des Flusses ist all das, was seit dem Umzug der Hauptstadt entstanden ist. Die rechte Seite sieht größtenteils aus wie die meisten postsowjetischen Städte mit Plattenbauten, Supermärkten und scheinbar unnötig breiten Straßen und einer betriebsamen Lebhaftigkeit. Die linke Seite dagegen hat alles, was eine Retortenstadt mit Leib und Seele benötigt. Eine Ballung monumentaler zeitgenössischer Architektur, wie man sie sonst nur aus dem Legoland kennt, großzügig angelegte Parkanlagen und Fußgängerzonen, Einkaufszentren, die sich in keiner US-amerikanischen Großstadt verstecken müssten und eine erdrückend auffällige Abwesenheit von Menschen. Tatsächlich scheint sich das gesamte Leben auf der rechten (in Fließrichtung) Seite des Flusses abzuspielen, während sich auf der linken Seite erhabene Architektur und erhabene Leere gegenseitig verstärken. Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Zweiteilung der Stadt mit dem kontinuierlichen Zuzug neuer Bürger und Bürgerinnen und dem Fortsetzen der Bauaktivitäten (erst 30% der geplanten Bebauung sind fertiggestellt) in Zukunft auflösen wird.

Das Unterhaltungs-Center "Khan Shatyr". Entworfen von Norman Foster.

Abgesehen von der Frage der Sinnhaftigkeit eine Großstadt in ein Steppengebiet mit wenig Wasser und einem eher schwierigen Klima (kontinentales Klima in Perfektion: sehr heiße trockene Sommer und sehr kalte windige Winter) zu setzten, ist es beeindruckend, was den Planern und Erbauern der Stadt gelungen ist. Die Knappheit des Wassers ist nur zu erahnen, denn der Fluss und die üppig angelegten (und bewässerten) Grünflächen suggerieren etwas anderes. Die Möglichkeit uneingeschränkten Bauens hat namhafte Architekten angezogen, so plant Sir Norman Foster bereits sein drittes Bauwerk in Astana. Das Ergebnis ist ein Stadtbild, welches aus einer Ansammlung an Gebäuden besteht, die jedes für sich genommen den meisten anderen Städten weltweit als Wahrzeichen gereicht hätten. Damit ist Astana zu einem Symbol dafür geworden, wie rohstofffinanzierter Aufschwung in der Postsowjetunion aussehen kann. Allerdings wäre es meiner Meinung nach wünschenswert, wenn sich dieser Aufschwung weniger in Form prestigeträchtiger Baudenkmäler materialisieren würde, sondern in Projekten, die dezentral angesiedelt wären und eine nachhaltige Wohlstandssteigerung der gesamten Bevölkerung zur Folge hätten. Ob und inwiefern ganz Kasachstan und eventuell sogar die gesamte Region Zentralasien vom Rohstoffreichtum profitieren kann und wie ein wirtschaftlicher Aufschwung in der Region nachhaltig gestaltet werden kann, wird ein Schwerpunktthema der Expo 2017 in Astana sein. Spätestens dann lohnt sich eine Reise nach Kasachstan auf jeden Fall und wir dürfen mit Spannung auf die dort vorgestellten Lösungsansätze warten.

Albanien: Eine Sommerschule im Land der Gegensätze

(Hanne Schneider)

In diesen Tagen veröffentlichte der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) die Ausschreibungen für die Sommerschulen im go east Programm 2013. Ein kleiner Rückblick auf eine Sommerschule in Vlora (Albanien) soll einigen von Euch Lust auf eine Abwechslung im Sommer machen.

Die Festung in Berat, (Bild: Hanne Schneider)

Albanien, dieses Land kennen die meisten Balkanreisenden nur als weißen Fleck auf der Landkarte, ist es doch vergleichsweise abgeschnitten von den Nachbarländern. Dies liegt unter anderem an der langen Zeit verschlossener Diktatur in der selbst die Beziehung zu Jugoslawien stark eingeschränkt war, andererseits ist Albanien geographisch durch Gebirge bis heute abgegrenzt. Aber Albanien hat sich in den letzten zwanzig Jahren rasant zu einer Demokratie entwickelt, wenngleich es mit typischen Transformationsproblemen zu kämpfen hat.

Die erste DAAD-geförderte und –organisierte Sommerschule widmete sich genau diesem Thema: „Land im Wandel – Gelebte Landeskunde in einem Transformationsland“. Das Kursprogramm war sehr abwechslungsreich und erstrecke sich von der geographischen über die politische bis hin zur literarischen Betrachtung Albaniens. Betreut und geleitet wurde unsere Sommerschule durch Jürgen Röhling (DAAD-Lektor an der Universität Tirana) sowie seine Assistentin Jonida Peeza, die mit Enthusiasmus und Motivation eine wirklich gelungene Sommerschule auf die Beine stellten. Die angekündigte Mischung von deutschen und albanischen Studierenden konnte leider nicht wie geplant stattfinden, da die Tiraner Universität ihre Prüfungen spontan verschob – auch das war allerdings „erlebte Landeskunde Es blieb eine Gruppe mit 15 motivierten deutschen Studierenden.

Der Skanderbeg-Nationalplatz in Tirana. Im Hintergrund entsteht Albaniens höchstes Gebäude. Bild: Hanne Schneider
Der Skanderbeg-Nationalplatz in Tirana. Im Hintergrund entsteht Albaniens höchstes Gebäude. Bild: Hanne Schneider

Die ersten zehn Tage verbrachten wir in Vlora, an der Südküste Albaniens. Von dort starteten einige Exkursionen in verschiedene Ort und Ausgrabungsstätten. Die letzten Tage verbrachten wir in der Hauptstadt Tirana im Landesinnern. Junge, motivierte Dozierende verpackten selbst theoretische Themen anschaulich. Schön war es, dass wir etwa mit einem Bundesrichter sprechen konnten und auch unangenehme Themen der albanischen Kultur wie etwa die Blutrache nicht ausgespart wurden. Auch ein Planspiel zum politischen System wurde erprobt.

Die Küste be Himara. Bild: Hanne Schneider

Albanien begegnete mir als ein Land voller Gegensätze: Neben vielen Großstadtphänomenen in Tirana sieht man in Busfahrten über das Land viele ärmliche Dörfer, die Strom- und Wasserversorgung funktioniert auch in den Städten oft nur stundenweise. Albanien als Agrarland schafft es noch nicht, seine Bevölkerung zu ernähren und muss Lebensmittel importieren. Der Diktator Enver Hoxha soll möglichst schnell vergessen werden, aber eine Aufarbeitung durch die gesamte Gesellschaft findet nur teilweise statt. Überall erinnern Betonbunker an die Hoxha-Zeit, in Tirana schießen daneben neue Bürokomplexe in den Himmel. Die wunderschöne, unberührte Natur weicht neuen Tourismusanlagen.Weiterhin ist die Balance zwischen Privatisierung und Erhalt staatlichen Einflusses eine Herausforderung, für welche das kleine Land noch keine Erfahrung besitzt.  Und die Korruption, ja, die ist wirklich sehr hoch; Mittel zur Bekämpfung versuchen Justiz und Politik zu finden. Statt Resignation, findet man in Albanien sehr viele EU-Befürworter, trotz Finanzkrise. Insgesamt also ein Land im Umbruch, das schnell fasziniert.

Lust auf Albanien bekommen? Der DAAD fördert auch die 2. Sommerschule in diesem Jahr, die ich jedem/r ans Herz legen kann.

Blick vom Llogara Pass (1000 m) auf die Küste (im Hintergrund kann man Korfu erkennen)