Mazedonien: Ausgang ungewiss

(Kristin Kretzschmar)

Aus Belgrad reiste ich per Bus nach Tetovo, um hier meine alte Freundin Tijana zu besuchen. Tagsüber schien die Stadt tot. Die überwiegend muslimisch – albanisch geprägte Stadt stand still . Grund dafür waren wohl die Hitze und der Ramadan.

Grüne Oase inmitten von Wohnblöcken.

Das kleine Haus der Familie sticht aus der Menge heraus. Es liegt direkt hinter der Zentrale der albanischen demokratischen Partei im Zentrum der Stadt und ist umgeben von Wohnblöcken. Tijanas Großvater kaufe das Haus von einen Türken und seitdem wohnen mehrere Generationen der Familie hier. Der Nachruf für den Großvater hängt seit zwei Jahren am Hoftor – so ist es Tredition.

Entspannt überstanden wir die Sonnenstunden auf dem Balkon. Hier wurde gegessen, die Familie trifft sich, man unterhält sich und Tijanas Mutter ließt halb scherzhaft halb ernst aus dem Kaffeesatz. Man unterhält sich auch über die aktuelle Lage. Die Zukunft scheint Ungewiss und man ist sich uneinig, ob der Frieden Bestand haben wird, oder nicht.

Kaffeesatz zur Prognose des weiteren Reiseverlaufes.

So berichtet Tijana aus ihrer Schulzeit. 2001 durften sie nicht auf die andere Seite des Flusses: Um interethnische Eskalation zu vermeiden wurde die Stadt in einen albanischen und einen mazedonischen Teil unterteilt. Da ihre Schule auf der albanischen Seite lag, war der Zugang versperrt. Unterricht fand nun nur noch provisorisch statt: verkürzte Stunden und unklarer Inhalt. Am Abend herrschte Ausgangsperre, Fernsehen gab es nur begrenzt.

Am frühen Vormittag oder am Abend bieten sich Stadtspaziergänge an: wir besichtigten das Hammam, die Pascha Mosche, eine Kirche und frühere Herrenhäuser. Des Weiteren besuchten wir die Arabati-Baba-Tekke. Dieser Rückzugsort des Derwisch Ordens hat mich besonders aufgrund der Ruhe und Gleichzeitigen Offenheit der Bewohner begeistert.

In der Pascha Moschee.

Von Tetovo aus machten wir außerdem einen Ausflug zu Wasserfällen unweit der kosovarischen Grenze in den Bergen. Dieses Ausflugsziel wird von vielen einheimischen genutzt. Der Bergfluss lädt zur Erfrischung ein und am Fuße der Wanderwege bietet eine „Picknick Küche“ alles was man braucht. Auf dem Weg dahin bietet sich auch ein Stop im Kloster Lhesok an. Das Restaurant ist im Grünen gelegen und der heimische Rakia der stolz des Wirts.

Am Abend erwacht die Stadt und das Leben findet in Kaffes und Kneipen statt. Erstaunlich hierbei ist, dass diese ethnisch getrennt sind: Es ist jedem Einheimischen klar, in welcher Straße albanische Kneipen sind und in welcher mazedonische. Vorsichtshalber meidet man die Lokale der jeweils „Anderen“. Zusätzliche Polizisten, die an zentralen Orten positioniert werden, erwecken den Eindruck, das die Situation auch jeden Moment umschlagen könnte.

Gespräch mit Vertretern der Gemeinde von Tetovo

(Marcel Röthig)

Wir trafen uns in der Gemeindeverwaltung mit Beratern des Bürgermeisters von Tetovo aus den Bereichen PR, Protokoll und Öffentlichkeitsarbeit. Die Verwaltung umfasst drei Sektoren (Kultur, Sport und Bildung; Infrastruktur sowie Steuern und Investitionen). Das Kabinett berät den Bürgermeister in ethnischen Fragen und hat eine multiethnische Zusammensetzung. Zudem gibt es einen multiethnischen Gemeinderat mit 41 Mitgliedern und einem Ausschuss für ethnische Fragen.

Der AK Osteuropa gemeinsam mit Vertretern der Gemeindeverwaltung. Bild: Tijana Angjelkovska

 

Während der Diskussion gab es Kritik am laufenden Dezentralisierungprozess, der laut den Gesprächspartnern als unvollständig und hinderlich für die Arbeit der Stadt angesehen wird. So gingen alle Steuern direkt nach Skopje und werden von dort aus umverteilt und Tetovo habe keine eigene Finanzhoheit. Zudem gäbe es keine bedarfsorientierte Verteilung derFinanzen, da alle Gemeindefinanzen gleich verteilt werden.

Weiterhin gab es Diskussionspunkte zur Integration der Roma-Minderheit, die in Tetovo 4 Prozent umfasst. Hierzu gäbe es Sensibilisierungsbemühungen an den Schulen. Besonders positiv für das multiethnische Zusammenleben wurde die Funktion des Sports gewürdigt. So gäbe es multiethnische Sportturniere und Infrastrukturprojekte zur Stärkung des Sports bewertet. Kritisiert wurde das umstrittene Projekt Skopje 2014. Hierbei wurde der Vorwurf erhoben, die Deutsche Bank würde dieses mit einem Kredit in Höhe von 800.000 Euro mitfinanzieren. Laut späterer Aussage von Botschafterin Steinacker zu diesem Punkt liegt hier ein fehlendes Verständnis der Deutschen Bank vor. Diese sei eine Geschäftsbank und keine staatliche Institution, könne also ohne politische Zustimmung jederzeit solche Kredite vergeben.

Während der Diskussion wurden zudem die Intervention der NATO und besonders die Beteiligung der Bundeswehr mit 800 Soldatinnen und Soldaten im Jahr 2001 gewürdigt und der Wunsch nach einem baldigen Beitritt Mazedoniens zu EU und NATO geäußert. Dabei wurde auch Kritik an der mazedonischen Regierung deutlich, die sich nicht ausreichend um eine euro-atlantische Integration bemühe. Zudem wurde der exklusive und nationalistische Politikstil, der die multiethnischen Spannungen gefährlich anheize, als spaltend beschrieben. Die Situation in Tetovo kann nach wie vor als kritisch betrachtet werden. Im Anschluss daran gab es auf Einladung der Gemeindeverwaltung ein Mittagessen.

 

 

 

 

 

 

 

Tetovo

(Christopher Forst)

Tetovo, Zentrum der albanischen Minderheit, gehört mit ungefähr 60000 Einwohnern zu den größten Städten des Landes. In der ca. 40 Minuten westlich von Skopje gelegenen Stadt haben die beiden albanischen Parteien DUI und DPA ihren Sitz. Auch der Bürgermeister ist wie ca. 70 % der Bevölkerung ethnischer Albaner. An der örtlichen Universität wird vor allem in albanisch gelehrt.

Innenausstattung der Moschee. Bild: Kristin Kretzschmar

Die Stadt ist muslimisch geprägt, wovon die Bunte Moschee im Zentrum der Stadt zeugt. Zu unserem Erstaunen war es uns bei unserem Besuch ohne vorherige Anmeldung kostenlos möglich, sie von innen zu besichtigen. Die prunkvolle Innenausstattung ist einen Besuch wert und Touristen sind herzlich willkommen. Die Wahrscheinlichkeit auf ehemalige Gastarbeiter in Deutschland zu treffen, scheint hier besonders hoch zu sein.

Der ehemalige Hammam, indem sich nun eine Kunstgalerie befindet, geht eine gelungene Symbiose mit der nahegelegenen Steinbrücke vor dem Panorama der stadtnahen Gebirgskette ein und bietet ein vorzügliches Fotomotiv. Zur Besichtigung der Arabati-Baba-Teke, eines berühmten Derwischklosters des Bektasi-Ordens bei Tetovo, blieb uns leider keine Zeit. Die auf einem Hügel gelegene osmanische Festung Bal Tepe kann man vom Hauptplatz der Stadt aus sehen. Der Platz selber lohnt sich allerdings allenfalls zur Einkehr in das am Platz gelegene Restaurant.

Ehemaliger Hammam mit Blick auf Gebirgskette. Bild: Kristin Kretzschmar

Mazedonier stehen Tetovo eher skeptisch gegenüber, wovon wir uns bei unseren Gesprächen in Skopje und Struga selbst überzeugen konnten. Von hier gingen die Konflikte im Jahr 2001 aus. Tetovo gilt nicht nur als Hochburg der albanischen Minderheit, sondern auch als Hochburg von Separatismusgedanken. Auch der Islam wird hier sichtbarer, als andernorts in Mazedonien. Nirgendwo sonst sahen wir so viele Kopftücher und traditionelle Gewänder. Die Offenheit mit der uns die Menschen beispielsweise in der Moschee begegneten, spricht jedoch dagegen, dass die Religion einem Miteinander der Ethnien im Weg stehen könnte. Während unserer Reise haben wir allerdings auch in vielen Gesprächen festgestellt, dass der mazedonisch-albanische Konflikt von keiner der beiden Seiten auf religiöse Unterschiede reduziert wird.

Flaggenvielfalt vor der Gemeindeverwaltung. Bild: Kristin Kretzschmar

Bemerkenswerter sind deshalb wohl die albanischen Fahnen, die an vielen Plätzen der Stadt wehen. Nach der Implementierung des Ohrid-Abkommens im Jahr 2001 ist der albanischen Minderheit das Recht zugestanden worden, diese Fahnen zu nutzen. Die Tatsache, dass hier Ethnie und Nation gleichgestellt werden, scheint in Mazedonien – und erst recht in Tetovo – Niemanden zu stören. Ein Besuch in Tetovo gehört in jedem Fall zum Pflichtprogramm, wenn man die Debatte über interethnische Probleme in Mazedonien verstehen lernen möchte.