Esma Redzepova – die Grande Dame der Roma-Musik

(Michael Meißner) Esma Redžepova zählt zu den bekanntesten Künstlern Mazedoniens, wenn nicht sogar des kompletten Balkanraums. Seit über 50 Jahren ist sie auf den Konzertbühnen der Welt unterwegs und setzt sich für die Interessen der Roma ein.

 

Esma Redzepova in Skopje 2012 (Quelle: Autor)

 

Aufgewachsen in einem Roma-Viertel in Skopje, der Hauptstadt Mazedoniens, war ihr kosmopolitisches Denken fast schon in die Wiege gelegt. Ihre Urgroßmutter väterlichseits war irakische Jüdin, ihr Urgroßvater ein katholischer Roma. Beide zogen aus Albanien über das Kosovo nach Skopje. Die Familie von Esmas Mutter war muslimisch mit türkisch-serbischen Wurzeln.

Esma hatte das Glück, das ihre Mutter die musikalischen Talente ihrer Tochter förderte und ihr Bruder sie frühzeitig bei einer Roma-Musikorganisation anmeldete. Zu diesem Zeitpunkt war Esma neun Jahre alt. 1957, im Alter von dreizehn Jahren, gewann sie einen Talentwettbewerb bei Radio Skopje. Es sollte ihr Leben nachhaltig verändern.

Bereits ein Jahr zuvor hatte sie das Lied Čaje Šukarije geschrieben, welches sich 1959 zum Hit im ehemaligen Jugoslawien entwickelte und bis zum heutigen Tage zu ihrem Stammrepertoire gehört.

 

Esma Redzepova – Caje Sukarije

 

Nur wenig später gelang ihr mit Romano Horo ein weiterer Erfolg, der zum Klassiker avancierte. Der Song stellte eine Antwort auf den damals populären Twist dar.

 

Zu diesem Zeitpunkt arbeitete sie schon als fest engagierte Sängerin des Ensembles Teodosievski. Deren Bandleader, Namensgeber und spätere Ehemann von Esma, Stevo Teodosievski, hatte sie beim Talentwettbewerb singen gehört und sich bei ihrem Vater für eine musikalische Ausbildung und Karriere des jungen Roma-Mädchens eingesetzt.

1961 trat Esma als erste weibliche Roma im jugoslawischen Fernsehen auf und durfte für eine weltweite Tournee ihr sozialistisches Heimatland verlassen – in der damaligen Zeit keine Selbstverständlichkeit. Spätestens ab diesem Zeitpunkt ging es mit ihrer Karriere steil bergauf, sowohl national als auch international.

Das von ihr 1971 beim ersten Romani Congress in London vorgetragene Lied „Djelem, Djelem“ wurde zur weltweiten Hymne der Roma deklariert. Beim Weltmusikfestival der Romani-Lieder und –musik 1976 im indischen Chandigarh, erhielt Esma den Titel Königin der Roma-Musik zugesprochen.

 

Djelem, Djelem [1]

Ich wanderte die langen Straßen entlang.
Ich traf glückliche Roma.
Ich wanderte die Straßen entlang.
Ich traf glückliche Roma.

Oh Roma, oh Jugendzeiten.
Oh Roma, oh Jugendzeiten.
Oh Roma, wo kommt ihr her

Mit euren Zelten auf glückbringenden Straßen?
Auch ich hatte eine große Familie.
Sie wurde von der Schwarzen Legion ermordet.
Kommt mit mir, Roma dieser Welt.
Ihr, die ihr die Roma Straßen erschlossen habt.
Die Zeit ist gekommen, erhebt euch Roma.
Wenn wir uns erheben, dann werden wir Erfolg haben.

Oh Roma, oh Jugendzeiten
Oh Roma, oh Jugendzeiten

 

In ihrer gesamten Karriere hat sie über 15.000 Konzerte absolviert, von denen 2.000 für humanitäre Zwecke waren. Sie blickt mittlerweile auf eine Discographie von 1.000 Songs und 586 veröffentlichten Tonträgern zurück. Esma erhielt zwei Platin-, acht Goldene und 8 Silberne Schallplatten. Ihr Album „Queen of the Gypsies“ zählt weltweit zu den Top 20 im Bereich World Music.

Zugleich scheut sie sich nicht, moderne Produktionen mit ihrem Gesang einen besonderen Stil zu verpassen. Dazu zählt die Zusammenarbeit mit dem Komponisten und Musiker, Kiril Džajkovski.

Darüber hinaus begründet sich Esmas Ruf vor allem auf ihrem humanitären Engagement. Schon 1963 nach dem verheerenden Erdbeben in Skopje, veranstaltete sie 50 Konzerte, um Geld für die Opfer zu sammeln. Sie und ihr Mann adoptierten im Laufe der Jahre 47 Roma-Kinder und ermöglichten ihnen eine Ausbildung. Sechs davon unterstützen Esma bei den Konzerten in ihrer Live-Band.

 

Esma Redzepova - OMNIA Festival, Luxemburg Juni 2012 (Quelle: Autor)

 

Zeit ihres Lebens spendete sie sehr viel Geld für humanitäre Zwecke und auch jetzt noch dient ein großer Teil ihrer Konzerterlöse der Unterstützung verschiedenster Organisationen. Esma war zudem an der Gründung der ersten multiethnischen Partei Mazedoniens, der Demokratischen Alternative, beteiligt.

Für ihr Engagement wurde sie zweimal für den Friedensnobelpreis nominiert (2002 & 2003). Sie erhielt den Mutter-Teresa-Preis 2002, wurde zur Roma-Frau des Jahrtausends gekürt und ist Ehrenpräsidentin des mazedonischen Roten Kreuzes. Die weiteren Auszeichnungen würden den Rahmen des Beitrages sprengen.

 

Der mazedonische Präsident Ivanov verleiht Esma 2010 den Orden für herausragende Leistungen

 

Esma ist weiterhin aktiv, nimmt Songs auf und reist für Konzerte um die Welt.
Lassen wir uns überraschen.

 

 

 



[1] Übersetzung nach Garth Cartwright: Balkan-Blues und Blaskapellen: Unterwegs mit Gypsy-Musikern in Serbien, Mazedonien, Rumänien und Bulgarien. Höfen 2008, S. 47.

Konfliktlinie Kapital und Arbeit: Die ukrainische Sozialdemokratie (Teil 2)

(Dmitri Stratievski, FU Berlin)

Einst zweitwichtigste Unionsrepublik der UdSSR, heute zweitgrößter Staat Europas. Doch wie bekannt ist die Ukraine? Politisch Interessierte können außer Tschernobyl, Klitschko und Schewtschenko (nicht den Nationaldichter, sondern den Fußballspieler) noch ein paar Spitzenpolitiker nennen. Kaum bekannt ist die lange sozialdemokratische Tradition des Landes, die mehr als 100 Jahre zurückreicht.

Die Perestroika in der Sowjetunion eröffnete breite Möglichkeiten für die Mehrparteiligkeit in der (immer noch) Sowjetukraine. Die ukrainische Gesellschaft übernahm fast die ganze westliche Parteipalette. Dazu gehörte auch die Sozialdemokratie. Bereits 1990 fanden Gründungsparteitage von zwei Sozialdemokratischen Parteien, OSDPU und SDPU statt, die von Anfang an in starker Konkurrenz zueinander standen. 1991 kam noch die dritte dazu – Demokratische Partei der Ukraine DPU, die sich selbst als sozialdemokratisch definierte.

Nach der Perestroika: Ost- oder Westorientierung?
Eine wichtige Rolle spielte dabei eine klassische ukrainische Konfliktlinie: Streit um Ost- oder Westorientierung des Landes. In den ersten Unabhängigkeitsjahren unterstützten unterschiedliche sozialdemokratische Parteien liberalkonservative Präsidentschaftskandidaten, wie Wjatscheslaw Tschornowil (pro-westlich) und Leonid Kutschma (pro-russisch).

Auch die führenden Personen der ersten ukrainischen sozialdemokratischen Garde riefen eigene Parteiprojekte ins Leben bzw. schlossen sich anderen nichtsozialdemokratischen Parteien an und wurden erfolgreiche Geschäftsleute. Als Beispiele sind Wasilij Onopenko, später Justizminister unter Kutschma, danach Mitglied der Timoschenko-Partei und heute Vorsitzender des Oberverwaltungsgerichtes der Ukraine, Wiktor Baloga, später enger Juschtschenko-Berater und Leiter seiner Präsidentenverwaltung, oder Petr Poroschenko, „Schokoladekönig“, Sponsor der „Orangen Revolution“, rechte Hand von Juschtschenko und danach Außenminister,  zu nennen.

Die Sozialdemokratie benutzte man in der Ukraine nicht nur als Karrieresprungbrett, sondern auch als Nische für die abgewählten Spitzenpolitiker. Leonid Krawtschuk, vormals Ideologiesekretär der sowjetukrainischen KP und Staatspräsident 1991-1994, verlor als nationalkonservativer Kandidat die Präsidentschaftswahlen 1994 und wurde nach dem Scheitern der eigenen Bürgerbewegung „Verständigung“ formelles Mitglied der Sozialdemokratischen Partei. 1996 unternahmen zwei ukrainische Geschäftsleute, Wiktor Medwedtschuk und Grigorij Surkis, den Versuch, eine einflussreiche Sozialdemokratische Partei der Ukraine (vereinigt) SDPU (o) ins Leben zu rufen.

Die Wähler haben sie aber als „Oligarchenpartei“ bezeichnet und mit den schlechten Wahlergebnissen abgestraft: 1998: 4,01 Prozent der Wählerstimmen, 2002: 6,27 Prozent der Stimmen. Die SDPU (o) wurde Satellitenpartei von Kutschma und degradierte zu einer stark antiwestlichen programmatiklosen Kraft. 2006 bekam die Partei 1,01 Prozent der Wählerstimmen und ist im Parlament nicht mehr vertreten. Die „alten“ Anhänger der sozialdemokratischen Idee in der Ukraine aus den Jahren 1991-1995 wie Michail Jakowlewitsch und Jurij Sbitnew wurden als Verlierer von der politischen Bühne der Ukraine vertrieben und sind heute kaum bekannt.

Konfliktlinie Arbeit gegen Kapital: Ukrainische Sozialdemokratie heute
Nach 1991 ist das sozialdemokratische Konzept in der souveränen Ukraine instabilen Institutionen, Ideenlosigkeit und gesellschaftlichen Spannungsfelder zum Opfer gefallen. Viele Politiker im Lande verwenden in ihren Reden und Parteiprogramme sozialdemokratische Elemente und Versprechungen. In der Ukraine gibt es heute freilich keine nennenswerte politische Kraft, die sozialdemokratische Werte konsequent teilt und vertritt.

Das linke Lager besteht aus drei kommunistischen und sozialistischen Parteien, die zunehmend an Bedeutung verlieren. Selbst die politische Färbung „links“ ist nicht salonfähig und wird als altkommunistisch abgestempelt. Die ganze politische Oberschicht ist mit unbedeutenden Ausnahmen konservativ oder liberalkonservativ.

Eine überwältigende Mehrheit der ukrainischen Parteien nennt sich „zentristisch“ und bemüht sich, „catch-all party“ zu werden. Andererseits ist das Land mit Problemen konfrontiert, die gerade Sozialdemokraten traditionell thematisieren bzw. zu deren Bekämpfung eigene Rezepte anbieten: Armut, große Kluft zwischen Armen und Reichen, fehlende Gleichbehandlung und Gleichberechtigung, schwache Gewerkschaften, ungleiche Position von Frauen, Rentnern und Minderheitsgruppen in der Gesellschaft etc. Die Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung bilden Arbeiter, Angestellte und Bauern.

Es existieren damit mehrere gesellschaftspolitische Voraussetzungen für den Aufstieg der Sozialdemokraten zum einflussreichen politischen Akteur. Hier sehe ich ein großes Potential. Der Erfolg der Sozialdemokratie im Lande käme aber meines Erachtens erst nach der Konsolidierung der Nation bzw. Festsetzung allgemein anerkannter außen- und innenpolitischer Prioritäten und darauf bezogene Abschwächung von heutzutage hoch diskussionsbedürftigen Themen wie Sprache, Verhältnis zu Russland und zum Westen, Religion usw.

Im politischen Duell entlang klassischer Konfliktlinien wie zum Beispiel Arbeit gegen Kapital haben Sozialdemokraten gute Chancen. Eine zweite relevante Voraussetzung für die ukrainische sozialdemokratische Renaissance soll die strukturelle Reform des ukrainischen Parteiensystem werden. Eine vom Großkapital gegründete und gesteuerte politische Partei kann die sozialdemokratischen Werte nur missbrauchen. Auf einer politischen Bühne mit festen Spielregeln wie freie Konkurrenz, (teilweise) Unabhängigkeit und Chancengleichheit können künftige ukrainische Sozialdemokraten ihrer Landsleute viel anbieten.

Original: Vorwärts

 

 

Konfliktlinie Kapital und Arbeit: Die ukrainische Sozialdemokratie (Teil 1)

(Dmitri Stratievski, FU Berlin)

Einst zweitwichtigste Unionsrepublik der UdSSR, heute zweitgrößter Staat Europas. Doch wie bekannt ist die Ukraine? Politisch Interessierte können außer Tschernobyl, Klitschko und Schewtschenko (nicht den Nationaldichter, sondern den Fußballspieler) noch ein paar Spitzenpolitiker nennen. Kaum bekannt ist die lange sozialdemokratische Tradition des Landes, die mehr als 100 Jahre zurückreicht.

Geschichte     
Die heutige Ukraine besteht aus mehreren historisch unterschiedlich gewachsenen Regionen. Bis 1918 gehörten traditionelle Ansiedlungsgebiete der Ukrainer hauptsächlich dem Russischen Reich und Österreich-Ungarns. Während die Zentral- und Ostukraine russisch war, wurde 1772 das westukrainische Galizien im Zuge der Ersten Polnischen Teilung österreichisch. Am Anfang des XX. Jahrhunderts lag die Anzahl der ukrainischen Bevölkerung (im damaligen Sprachgebrauch „Ruthenen“) im Ostgalizien trotz der Assimilierungspolitik Wiens bei 70 Prozent, über 90 Prozent davon waren Bauern. Die Unruhen 1848 und darauf folgende Josephinische Reformen wie Agrarreform und die Aufhebung des Leibeigenschaftsrechtes eröffneten breite Perspektiven für eine vollzogene wirtschaftliche Entwicklung der Provinz und gaben entscheidende Impulse für die Emanzipation der Ukrainer und für neue politische Ideen.

 Erste sozialistische Bauernpartei in Europa: Russisch-Ukrainische Radikale Partei RURP
Die Ukrainer bekamen zum ersten Mal politische Vertretung im Parlament: im Juni 1848 gelangten nach den Wahlen 25 Ukrainer (15 Bauern, 8 Priester und 2 Vertreter der städtischen Intelligenz) in den reformierten Reichsrat. Im Laufe der Zeit kam es zur Spaltung der westukrainischen Nationalbewegung, die zwei Konfliktlinien beinhaltete. Zum Ersten geopolitisch: pro-russisch (Russland als Kernstadt der slawischen Welt) vs. völlig eigenständig, zum Zweiten ideologisch: nationalkonservativ vs. sozialdemokratisch. 1890 entstand in Galizien die erste legale ukrainische Partei und zugleich die erste sozialistische Bauernpartei in Europa – die Russisch-Ukrainische Radikale Partei RURP.

Das Wort „radikal“ trug in diesem Kontext keine extreme Bedeutung, sondern betonte eine klare Ablehnung der national-konservativen Strategie. Das Parteiprogramm von 1895, vor allem vom Parteigründer Schriftsteller Iwan Franko verfasst, hatte folgende Schlüsselforderungen: Meinung-, Versammlung- und Pressefreiheit, weite Autonomie der Ukrainer inkl. Verwaltungsreform sowie kulturelle Entwicklung der Völker. Im Text wurden Begriffe wie Freiheit, Solidarität und Gleichberechtigung verankert. Aus bevölkerungsstrukturellen Gründen in Galizien verstand die Partei das Bauerntum, die tragende ukrainische Schicht, als ihre Zielgruppe. 1897 zogen drei RURP-Vertreter ins Regionalparlament ein. 1911 hatte die Partei fünf Sitze in Wien und drei Sitze im Sejm von Galizien.

Ukrainische Sozialdemokratische Partei USDP
Als Antwort auf zunehmende Industrialisierung der vormals wirtschaftlich unterentwickelten Provinz und Etablierung der ukrainischen Arbeiterschaft wurde 1899 die Ukrainische Sozialdemokratische Partei USDP gegründet. Die Partei galt als ukrainische Sektion der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs, teilte ihr Parteiprogramm und pflegte freundschaftliche Beziehungen zur RURP. Die USDP gab eigene Zeitung „Freiheit“ heraus. 1907 gewann die Partei zwei Sitze im Reichsparlament. Sie war aktives Mitglied der Zweiten Internationale. Beide westukrainische sozialdemokratische Parteien wurden bis zum Zusammenbruch Österreich-Ungarns ausschließlich aus Privatspenden finanziert.

In der ukrainischen sozialdemokratischen Bewegung im Russischen Reich kam es zur Bildung zweier konkurrierenden Strömungen: russlandstreue Sozialdemokraten (Fraktion der Russischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei RSDRP) und nationalbewusste Sozialdemokraten (vereinigt in der 1900 gegründeten Revolutionären Ukrainischen Partei RUP). Eine extreme Parteiprogrammatik der RUP, ihre Hochstilisierung des Ukrainetum und Unabhängigkeitsappelle an der Grenze zur Nationalismus verursachen eine weitere Spaltung: 1905 wurden die Ukrainische Sozialdemokratische Union USDS, auch Spilka (Union) genannt (Minderheit, zentristisch, pro-russisch) und Ukrainische Sozialdemokratische Arbeiterpartei USDRP (Mehrheit, links, Unabhängigkeitsstrebungen). 1906 war jedoch die gemäßigte Spilka mit ihrer Parole „Demokratie heute, Autonomie morgen!“ eine führende politische Kraft im Süden der Ukraine und zählte bis zu 7.000 Mitglieder. Bei den zweiten Duma-Wahlen gewann sie 14 Mandate.

Nach den Februar- und Oktoberrevolutionen 1917 in Russland betonten Wladimir Winnitschenko und Simon Petljura, die Anführer der kurzlebigen ukrainischen souveränen Staaten, ihr Bekenntnis zum rechten Flügel der Sozialdemokratie. Seine Handlungen im damaligen politischen Kontext trugen aber nationalistische und konservative Züge. Nach dem Fall der Ukrainischen Volksrepublik und Sieg der Bolschewiki im Bürgerkrieg wurden alle nicht kommunistische Parteien verboten. Die ukrainische sozialdemokratische Bewegung funktionierte weiter nur im polnisch kontrollieren westukrainischen Raum, in Galizien und Wohlhynien. Die Neugründung Ukrainische Sozial-Radikale Partei USRP, in der sich Sozialdemokraten, Sozialisten und Sozialrevolutionären zusammenschlossen, war kaum bedeutend. In der westukrainischen Gesellschaft gewannen die Nationalisten um die Organisation der Ukrainischen Nationalisten OUN die Oberhand.

 

Original: Vorwärts

Erfahrungsbericht über eine Studienexkursion nach Bosnien-Herzegowina (Teil 3)

(Kristine Avram, Universität Marburg)

Im letzten Teil meines Berichtes möchte ich euch noch einige visuelle Eindrücke meiner Reise vermitteln.

Das obere Bild zeigt besagten Gedenkstein mit der Zahl 8372.
Mit etwa 2,5m auf 2m ist dieser relativ aufmerksamkeitserregend.

Auf der Säule ist folgendes Gebet zu lesen:
„We pray to Almighty God, may grievance become hope! May revenge become justice! May mother’s tears become prayers.
That Srebrenica never happens again to no one and nowhere!”

Interessanterweise ist das Gebet nicht in der sonst für die Republika Srpska gängigen kyrillischen Schrift abgebildet, sondern in Englisch und Bosnisch (lateinische Schrift) wie auch Arabisch.

Obenstehendes Plakat ist auf einem Privatgelände angebracht, welches direkt an das Memorial angrenzt und mit seiner Größe sogar von der Straße zu erkennen ist. Die abgebildeten Signalwörter bedürfen wohl keiner näheren Erläuterung, jedoch sei an dieser Stelle die Frage aufgeworfen, ob dieses einer Versöhnung entgegenwirkende Plakat tatsächlich nicht durch gesetzliche Regelungen bzw. politische Bemühungen von dort verbannt werden kann?!
Zumal viele Bürger aus Srebrenica das Plakat ebenso als deplatziert empfinden, zumindest vordergründig.
Daneben ist auch ein Souvenirshop, an dem man quasi vorbeigehen muss, Gegenstand einiger Kontroversen, was letztlich auch ein Öffnungsverbot am Gedenktag hervorgerufen hat. Dieser befindet sich zwischen dem Gelände mit den Gräbern auf der einen Straßenseite und dem einstigen UN-Quartier, in dem eine Ausstellung zu sehen ist, auf der anderen Straßenseite. In diesem werden neben T-Shirts und Tassen mit Srebrenica-Schriftzug insbesondere muslimisch orientierte Gegenstände wie Korane oder Mekka-Bilder angeboten. Inhaberin ist eine Dame, die selbst im Opferverband der Srebrenica-Frauen Mitglied ist und mit der vor unserem Besuch ein Gespräch stattfand. Nach diesem erwarteten wir eigentlich einen Blumenladen.

Hier ist ein Ausschnitt der Gräberreihen zu sehen, die, wenn man sich in der Mitte des Memorials befindet, unsäglich weit reichen.  Das Ausmaß wird insbesondere dann deutlich, wenn man berücksichtigt, dass die Gräber aus Platzgründen lediglich mit einem und nicht wie sonst üblich mit zwei „Grabsteinen“ versehen wurden. Neben den muslimischen Gräbern gibt es bisher ein einziges orthodoxes Grab am anderen Ende.

Auf dem unteren Bild befindet sich die Stadt Srebrenica, die nicht viel größer als jener Ausschnitt und zum Großteil wieder aufgebaut ist.

Untenstehende Fotografie ist im wohl kältesten Museum der Welt, sprich während des Winters in Sarajevo, zu finden. Ich habe das Bild deshalb aufgenommen, weil es für mich den Kriegsmodus in Sarajevo versinnbildlicht, indem es die Einbettung der dreijährigen Belagerung in den Alltag der Bevölkerung darstellt: Eine festlich gekleidete Mutter rennt in Stöckelschuhen mit ihrem Kind auf dem Arm über eine Kreuzung, die zur „Sniper Alley“ zählt.

Auf dem unteren Bild befindet sich wohl eines der bekanntesten Symbole aus dem Bosnien-Herzegowina-Krieg, nämlich die Brücke von Mostar. Das Weltkulturerbe ist einst völlig zerstört gewesen und nun wieder Attraktion für unzählige Touristen, die mit Hilfe des „Don’t forget“- Steins an die Ereignisse zu Beginn der 1990er Jahre erinnert werden.

Nach meinem Aufenthalt in Bosnien-Herzegowina bin ich nach Kroatien gereist und von dort über Montenegro und Kosovo bis nach Mazedonien. Weiter ging es dann nach Bulgarien, Österreich, Tschechien und wieder Österreich. Da ich eure Aufmerksamkeit auch nicht überstrapazieren möchte, sind im Folgenden lediglich vier auf die Thematik bezogene, prägnante Bilder zu sehen. Diese sind natürlich keineswegs repräsentativ und sollen auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass jedes Land eine Reise wert ist.

Allgemein trifft man des Öfteren auf ähnliche Äußerungen, wobei mich nicht unbedingt der Bezug zum Nationalismus an sich aufmerksam hat werden lassen, sondern vielmehr der Verweis auf Deutschland, Hitler, etc..

 

Hier ist eine Brücke in Skopje (Mazedonien) zu sehen, wohinter sich eine Baustelle befindet. Auf dem Bild zwar nicht so gut erkennbar, handelt es sich doch um den Bau eines „alten“ Gebäudes, d.h. dieses soll vielmehr so aussehen. Ebenso wie eine Vielzahl weiterer Baustellen mit eben jenem Ziel, sind viele Statuten in der Stadt aufgestellt, die den Anschein eines historischen Gebildes haben, tatsächlich aber neu sind. Aus meiner Sicht kann man hierbei die Suche nach Tradition und Geschichte bzw. deren Konstruktion erkennen.

Oben ist wieder ein Foto aus Skopje abgebildet, auf dem neben einer Kirche ebenso Flaggen zu sehen sind, wie überall in der Stadt. Noch nie habe ich so viele Flaggen gesehen und das diese nunmehr sogar vor einer Kirche anzutreffen sind, deutet für mich auf den starken Nationenbezug dieses jungen Staates hin und sollte in Zusammenhang mit dem oberen Bild gesetzt werden.

Unten ist die prachtvolle Alexander-Newski-Kathedrale aus Sofia zu sehen, die rechtsstehendes Schild am Eingang aufweist. In der Kirche selbst erinnert aber kein einziges Element an einen Gedächtnisort. Daher war ich auch umso überraschter als ich nach dem Besuch der Kathedrale eher zufällig über dieses Schild gestolpert bin.

Erfahrungsbericht über eine Studienexkursion nach Bosnien-Herzegowina (Teil 2)

(Kristine Avram, Universität Marburg)

Im ersten Teil hatte ich einige Eckdaten des Staatszerfalls Jugoslawiens und des sich daraus ergebenden Bürgerkrieges dargestellt. Im nachfolgenden Essay habe ich mich wie angedeutet mit politisierten Erinnerungen und kollektiven Gedächtnissen auseinandergesetzt, wobei ich auf meine Gesprächsaufzeichnungen aus Bosnien-Herzegowina zurückgegriffen habe − die Namen der Gesprächspartner habe ich allerdings mit Kürzeln versehen.

 

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novOstia e. V.
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