Der – aus Ehemaligen des AK Osteuropa gegründete Verein – novOSTia e.V. schreibt Reisestipendien für Studierende bzw. Promovierende in Form eines Reisekostenzuschusses für eine thematisch relevante Veranstaltung aus. Gefördert werden die Reisekosten zu einschlägigen Tagungen, Symposien, Fachvorträgen oder Studienreisen ins In- oder Ausland, aus allen Fachdisziplinen.
Die Bewerbungsfrist ist der 29. Februar 2020. Alle Informationen zur Bewerbung finden sich hier.
Zwischen „Billiglohn“ und „Fachkräftemangel“ – Migration aus Osteuropa heute (Veranstaltungsbericht)
(Kristin Eichhorn, Hanne Schneider)
Nach dem „langen Sommer der Migration“ in 2015 ist die Debatte vergangener Jahre um (Arbeits-)Migration aus Ostmittel- und Südosteuropa in den Schatten gerückt. Das Thema Asyl bestimmt die Beziehungen zu den Nachbarländern und Transitstaaten außerhalb der EU. Nach sieben Jahren EU-Freizügigkeit mit den EU-15 Ländern und vier Jahren freiem Arbeitsmarkt für RumänInnen und BulgarInnen sind viele Fragen offen: Was ist aus der Angst vor „Billlohn-“ oder „Armutsmigration“ geworden? Und was benötigen wir eigentlich für einen echten (sozialen) Europäischen Arbeitsmarkt, auch im Hinblick auf Debatten um Fachkraftmangel?
Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigten wir uns im Rahmen eines Workshops beim Wiedersehen von FES-Ehemalige e.V. Unter dem Titel „Zwischen „Billiglohn“ und „Fachkräftemangel“ – Migration aus Osteuropa heute“ haben wir gemeinsam mit ExpertInnen und Interessierten diskutiert.
Zum Einstieg gab Hanne Schneider (Migrationswissenschaftlerin und Mitarbeiterin der TU Chemnitz) einen Überblick über die Entwicklung der Debatte um Migration aus Mittel- und Osteuropa seit den 1990er Jahren und zeigte somit auch die Komplexität des Themas auf. Migration bestimmt bereits seit dem Zusammenwachsen Europas nach dem Fall des eisernen Vorhangs die Beziehungen insbesondere auch zu den mittel- und südosteuropäischen Ländern. Hier zu nennen sind beispielsweise die Fluchtmigration infolge der Jugoslawienkriege, der Umgang mit AussiedlerInnnen, eine hoher Anteil an der Binnenmobilität innerhalb der EU oder auch die Debatte um sog. „Wirtschaftsflüchtlinge“ aus den Westbalkanländern.
Dominique John (DGB – Faire Mobilität) präsentierte uns das DGB-Projekt „Faire Mobilität“. Durch dieses Projekt, können sich ArbeitsmigrantInnen an Beratungsstellen in ganz Deutschland wenden. Neben einem Überblick über die häufigsten Beschäftigungsformen (Transport/Lager/Logistik, Baugewerbe, Gebäudereinigung, Fleischindurstrie), schilderte uns Dominique John typische Fallkonstellationen, beispielsweise Unterschreitung des Mindestlohns, oder gänzliche Einbehaltung des Lohns sowie katastrophale Bedingungen in der Unterbringung.
Im Anschluss gab Bartosz Rydliński (polnischer Sozialdemokrat und Mitbegründer des Ignacy Daszyński Center) einen Einblick in die polnische Perspektive. Viele verbinden mit Polen ein Herkunftsland vieler ArbeitsmigrantInnen. Allerdings ist insbesondere seit dem Ukrainekonflikt auch ein Aufnahmeland ukrainischer MigrantInnen, welche unter schwierigen Bedingungen arbeiten und leben.
Zum Abschluss gab uns Tobias Thimm (Verwaltungswissenschaftler und ehemaliger Praktikant der FES) einen Einblick in die Situation in Bulgarien. Seine Masterarbeit „Die Migration bulgarischer Staatsbürger nach Deutschland“ beschäftigt sich mit den positiven und negativen Auswirkungen der Arbeitsmigration auf Bulgarien als Herkunftsland. Während bestimmte Aspekte eines sog. ‚brain drain‘ zu erkennen sind und Abwanderung ganzer Abschlussklassen zwar gesellschaftliche Schwierigkeiten verursachen, sind die finanziellen Rückweisungen sowie das erworbene Wissen der RückkeherInnen von großer Bedeutung. Zentral sei es in Bulgarien die soziale Spaltung zu verringern und Institutionen zu stärken.
Ergebnissicherung der Abschlussdiskussion
In einer abschließenden Diskussion im World-Café Format sammelten wir gemeinsam mit den Referentinnen Thesen zur Gestaltung der Arbeitsmigration in und aus Mittel- und Osteuropa. Sowohl die Herkunftsländer als auch die Aufnahmeländer (und Deutschland im speziellen) haben noch einige Hausaufgaben offen haben: In Deutschland existieren bereits viele Arbeitnehmerrechte, allerdings müssen die Schutzaufgaben innerhalb Deutschlands für ArbeitsmigrantInnen ernst genommen werden. Eine Möglichkeit zu Umsetzung wäre die Stärkung der Gewerkschaften und ein gezieltes Heranführen der ArbeitsmigrantInnen an die Gewerkschaften. Zudem müssen EU-Standards aktiv umgesetzt werden. In den Herkunftsländern sollte weiterhin das Vertrauen in die staatlichen Institutionen gestärkt werden und die Rolle der Zivilgesellschaft unterstützt werden.
Wir bedanken uns bei allen ReferentInnen für den wertvollen Input und Teilnehmenden für die angeregte Diskussion. Zudem danken wir FES-Ehemalige e.V. für die Ermöglichung der Durchführung des Workshops.
Auf den Spuren der Sudeten: Dittersbach
Auf den Spuren der Sudeten: Erkundungen im Deutsch-Böhmischen Grenzraum
von Kristin Eichhorn
Das deutsch-tschechische Grenzgebiet ist insbesondere im Bereich der Sächsischen/Böhmischen Schweiz ein bekanntes Ziel für Wanderer und Touristen. Allerdings befassen sich hierbei vermutlich nur Wenige mit der bewegten Geschichte der Region. Die Mitglieder des Vereins novOstia e.V. haben sich im Rahmen von zwei Wanderungen auf Spurensuche begeben und sind dabei nicht nur auf die idyllischen Felsformationen der Region gestoßen, sondern konnten auch einige historische Orte ausfindig machen.
Ausgangspunkt der Wanderungen war jeweils Vysoká Lípa (deutsch Hohenleipa).
Die erste Wanderung (Bild anklicken zur Darstellung der Route) führte uns entlang eines früheren Kirchweges zur Wüstung der Grundmühle, vorbei an der Quelle des heiligen Hubert zur Alten Mühle und nach Jetřichovice (deutsch: Dittersbach). Hier ist ein Zwischenhalt an der Kirche und dem Friedhof des Dorfes sehr empfehlenswert.
Danach ging es weiter zu den Aussichtspunkten Mariina skála und Vilémina stěna. Von beiden Aussichtspunkten genießt man einen wunderschönen Ausblick über das gesamte Zappenland. Eine längere Rast mit Einkehr haben wir uns an den Balzhütten gegönnt. Von da aus ging es dann mit Zwischenstopp an einem weitern Aussichtspunkt zurück nach Hohenleipa.
Die zweite Wanderung war etwas kürzer und führte uns über die Felsenburg Šaunštejn (deutsch Schauenstein) und das kleine Prebischtor nach Hinterdittersbach und zurück nach Hohenleipa.
Wir bedanken uns bei Michael Meissner für die gute Vorbereitung der Routen!
Auf den Spuren der Sudeten: Hinterdittersbach
von Marcel Krönert
Hinterdittersbach (tsch. Zadni Jetrichovice) war bis 1945 ein Knotenpunkt des Tourismus in der Sächsisch-Böhmischen Schweiz. Die Siedlung liegt am böhmischen Ufer der Kirnitzsch, die – bis dahin Grenzbach – 500 Meter bachaufwärts nach Sachsen reinfließt. Die dem Ort zugehörige Brücke lässt sich auf Karten bis in das Jahr 1592 zurückverfolgen, auch weil sie zu der damals militärisch und wirtschaftlich wichtigen Böhmerstraße gehörte. Auf einer Karte der Herrschaft Kamnitz aus dem Jahr 1794 wird sie zusammen mit der sogenannten Kirnitzschschänke abgebildet, welche später zum zentralen Anlaufpunkt für Wanderer werden sollte.
Zum Ort zählten weiterhin das Kinskysche Hegerhaus, das Gasthaus „Waldfrieden“ sowie das Clary’sche Jagdhaus (ab 1903). Da die Kirnitzschschänke den meisten bekannt war und auch in jeder Karte Erwähnung fand, wurde umgangssprachlich die gesamte Siedlung nach ihr benannt. Seinen Ursprung hatte Hinterdittersbach wohl als saisonaler Aufenthaltsort für Forstpersonal und Waldarbeiter. In einer Aufzeichnung des Topografen Sommer aus dem Jahr 1833 werden vier Häuser und 24 Einwohner genannt. Es ist davon auszugehen, dass in den Sommermonaten täglich ein Vielfaches dieser Einwohnerzahl der Siedlung einen Besuch abstatteten.
Der Fremdenverkehr in der Region entwickelte sich allerdings erst im ausgehenden 19. Jahrhundert. Dieser Entwicklung war der Bau einer Eisenbahnlinie durch das Elbtal im Jahr 1851 vorausgegangen. 1888 wurde die Böhmerstraße zur Bezirksstraße. Sogar eine Straßenbahn von Bad Schandau bis zur Kirnitzschschänke sollte gebaut werden, diese Linie reichte später jedoch nur bis zu den Lichtenhainer Wasserfällen.
Das für Wanderer Besondere an Hinterdittersbach war, dass hier die Touristenwege von Dittersbach (Jetrichovice), Hohenleipa (Vysoka Lipa), Rainwiese (Mezni Louka), der Unteren Schleuse und dem Zeughause, von Hinterhermsdorf und aus dem Khaatale (Kyjovske udoli) zusammen trafen. In der Kirnitzschschänke war 1896 auch eine Auskunftsstelle des Gebirgsvereines zu finden, 1912 dann im Gasthaus „Zum Hirsch“. Außerdem gab es ein Kindererholungsheim. Da die Böhmerstraße schon seit Jahrhunderten die Grenze zwischen den Herrschaften Kamnitz und Binsdorf bildete und mitten durchs Dorf verlief, gehörten auch die Häuser auf den beiden Seiten jeweils unterschiedlichen Gemeinden an.
Bei der Ankunft der novOstia Mitglieder in Hinterdittersbach waren von diesen Häusern bis auf wenige Grundmauern nichts mehr zu sehen. Einzig durch die noch rudimentär vorhandenen Wege, die teils eingestürzte Kellergewölbe und die in Reihe gepflanzten aber inzwischen verwilderten Bäume ließ sich die Siedlungsstruktur erahnen. Nach 1945 wurden die Einwohner aus dem Ort vertrieben und die Häuser teilweise zerstört. Noch bis 1956 wurde das Kindererholungsheim genutzt, die ganze Region jedoch vermutlich mit dem Aufstand in Ungarn von 1956 massiv abgeriegelt. Damit verfielen auch die restlichen Gebäude. Heute ist nur noch die Kirnitzschbrücke vorhanden. Sie ist seit dem 28.10.2003 offizieller Grenzübergang und erfreut sich dank des wieder einsetzenden Tourismus steigender Beliebtheit.