(Marcel Röthig)
Mit der formalen Desintegration der Sowjetunion erfolgte der Beginn eines bis heute konfliktreichen Transformationsprozesses. So sah sich die internationale Gemeinschaft mit der Auflösung der Sowjetunion und der Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) erstmals mit dem Problem des Auseinanderbrechens einer Nuklearmacht in unabhängige Einzelstaaten konfrontiert.
Besonders die Frage zum nuklearen Status der Ukraine drohte in den Jahren unmittelbar seit Unabhängigkeit des Landes anno 1991 zum Schauplatz einer stellvertretend geführten Auseinandersetzung zu werden, die vorrangig nicht militärisch, sondern politisch-wirtschaftlich motiviert war. Die Ukraine war zu diesem Zeitpunkt die quantitativ drittgrößte Nuklearmacht der Welt und besaß -zumindest numerisch- ein beeindruckendes Abschreckungsarsenal. Dies drohte das regionale und internationale Machtgefüge entscheidend zu beeinflussen und die noch junge Ukraine in einer Zeit des wirtschaftlichen Umbruchs frühzeitig zu isolieren. Bereits in ihrer Souveränitätserklärung vom 16. Juli 1990 hatte die Ukraine sich deshalb dazu bekannt, Nuklearwaffen künftig weder erhalten noch produzieren oder erwerben zu wollen und hielt auch in ihrer Unabhängigkeitserklärung vom 24. August 1991 an diesem Prinzip fest. Schnell wurde aus dem avancierten Abrüstungsziel ein zentraler Streitpunkt. Die Abrüstungsdebatte spiegelte insgesamt die Probleme der ukrainischen Staatsbildung wider, da die entstehende Außen- und Sicherheitspolitik eng verbunden mit den Schlüsselelementen der ukrainischen Innenpolitik war.
Die Kernfrage dieser Arbeit lautet daher, welche innen- und außenpolitischen, technischen, wirtschaftlichen, kulturellen und soziologischen Elemente der entstehenden Außen- und Sicherheitspolitik zur Denuklearisierung der Ukraine führten.