Jura studieren in Prag – ein Erfahrungsbericht

(Tobias Endrich)

Studieren und Unileben

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Erasmuskurse

Für Erasmusstudenten bietet die Uni englischsprachige Kurse an. Diese decken ein breites fachliches Spektrum ab. Hier wird allerdings vor allem Wert auf europäische Bezüge und auf den Vergleich mit den „Heimatrechtsordnungen“ der Kursteilnehmer gelegt, was sich natürlich auch anbietet. Die Kontaktaufnahme zu tschechischen Studenten wird dadurch nicht sonderlich gefördert, aber da die wenigsten „Erasmaci“ Tschechisch sprechen, ist dieses System eine Notwendigkeit.

Schwerpunkt – Uni Passau

An der Universität Passau besteht die Möglichkeit, ein 2-semestriges Auslandsstudium als Schwerpunkt (Universitätsprüfung) anerkennen zu lassen, wenn entsprechende Studien- und Prüfungsleistungen erbracht wurden. Mit der Karls-Universität Prag besteht eine diesbezügliche Vereinbarung, was gewisse Rahmenbedingungen absichert.  Die Prüfungsleistungen müssen in tschechischer Sprache erbracht werden, auch die Lehrveranstaltungen sind auf Tschechisch. Die konkrete Ausgestaltung erfolgt dann vor Ort. So konnte ich verschiedene Lehrveranstaltungen in unterschiedlichen Jahrgängen besuchen und einen kleinen Einblick in das tschechische Jurastudium gewinnen.

Jurastudium in CZ

Auffällig ist dabei, wie viel Wert auf einen historisch/abstrakten Vorbau gelegt wird. Im ersten Jahr kommen die Studenten kaum mit praxisrelevanten Gebieten in Kontakt und jede Vorlesung und jedes Lehrbuch beginnt zunächst mit einer historischen Einführung. Das ist aus deutscher Sicht gewöhnungsbedürftig, aber für Leute mit juristischen Vorkenntnissen (insbesondere wegen des häufigen Bezugs auf eine gemeinsame Rechtsgeschichte) durchaus bereichernd.

Der praktische Bezug ist insgesamt eher dürftig. Es wird vergleichsweise wenig mit dem Gesetz gearbeitet, Fallbearbeitung spielt selten eine Rolle. Der Schwerpunkt liegt auf abstraktem Wissen, das oft ohne den Gesetzestext in mündlichen Frageprüfungen abgefragt wird. Das Erstellen von Texten oder gar Gutachten beginnt eigentlich erst mit der Diplomarbeit. Der didaktische Ansatz der Dozierenden in den Übungen/Seminaren ist aber unterschiedlich. Strafrecht und insbesondere Arbeitsrecht wurde in meinem Fall auch an Hand kleiner Fälle gelehrt.

Es verwundert bei dem m.E. praxisfernen Studium nicht, dass viele Studenten die Chance nutzen, früh in Kanzleien zu arbeiten. Ab dem dritten Studienjahr ist ein Studentenjob Gang und Gäbe, er weitet sich oft zum Vollzeitjob aus. Neben der Sammlung von Erfahrung scheinen aber auch die Kanzleien ganz gut von der preiswerten Arbeit zu profitieren.

Auch deutsche Studenten können übrigens die vorlesungsfreie Zeit ganz gut mit Praktika füllen – deutsche Kanzleien in Prag (dank gezieltem Sponsoring an der Uni kann man sie nicht übersehen) ermöglichen auch Studenten, die kein Tschechische sprechen, Berufserfahrung in der goldenen Stadt.

Was mir öfter begegnete sind Doppelstudien, wobei sogar die Paarung Medizin-Jura machbar sein soll. Das Rechtsstudium lässt sich durch Planung und Fleiß scheinbar gut meistern.

Etwas überraschend, aber nicht verwunderlich, ist die Ausstattung der Uni-Bibliothek, die für deutsche Verhältnisse sehr überschaubar ist und einen großen Anteil ausländischer Literatur aufweist. Nachdem aber wahrscheinlich einzelne Bundesländer mehr juristische Lehrstühle aufweisen als ganz Tschechien, ist das nicht wirklich verwunderlich. Und der Übersichtlichkeit schadet es sicher nicht. Die Bibliothek ist übrigens trotz der vergleichsweise niedrigen Sitzplatzanzahl außerhalb der Prüfungszeiten (jeweils letzter Semestermonat, vorlesungsfrei) nie überfüllt.

Unileben

In Gebäude der Fakultät selbst befindet sich ein Fitnessstudio, es wird eine ganze Reihe von Sportkursen über die Karls-Universität angeboten.

Die Mensa ist preiswert (Suppe und Hauptgericht mit Beilage unter 2 EUR) und schnell. An der Uni sind unterschiedliche Vereinigungen vertreten, z.B. VSEHRD, elsa  oder der Prager deutsche Club.

Diese veranstalten Vorträge, Konzerte, aber auch glamouröse Bälle, die dann tatsächlich wenig studentenhaft sind (aber wer dem Justizminister beim Polka-tanzen auf die Füße treten will, kann das dort tun).

Leben in Prag

Wohnen

Den Erasmus-StudentInnen wird recht unkompliziert ein Platz in einem Wohnheim (kolej) vermittelt. Die Mieten dort sind dem Wohnstandard angemessen. Achten sollte man allerdings auf die Anfahrtswege in die Innenstadt,

die goldene Stadt ist auch gerne mal grau
Foto: Tobias Endrich

die durchaus im normalen Großstadtniveau pendeln können. Auch, ob man sich ein Zimmer teilt oder nicht, sollte man vorher abklären. Der Vorteil eines Wohnheims liegt auf der Hand – das soziale Leben kommt nicht zu kurz. Hier liegt auch ein kleiner Nachteil, denn durch die Zentrierung von ausländischen Studenten ist die Gefahr sehr groß, dass man hauptsächlich Englisch spricht. Aber auch das macht ja den Reiz eines Erasmusjahres aus, nicht nur das Zielland, sondern auch Studierende aus aller Welt kennen zu lernen.

Im privaten Bereich lohnt sich eine frühzeitige Suche, ab 200 EUR aufwärts lassen sich durchaus schöne Kämmerchen finden.

Leben

Die Lebenshaltungskosten im Bereich Lebensmittel entsprechen denen in Deutschland. Vor allem im Servicebereich kommt man aber viel billiger weg, das heißt Essen- oder Kaffetrinken-Gehen kann man u.U. öfter als gewohnt. Die Kneipenkultur in Prag ist eine nähere Betrachtung wert, am besten lässt man sie sich von „Einheimischen“ zeigen und meidet die 08/15-Turi-Absteigen.

Im Sommer laden unzählige Parks zum Entspannen ein – der Letná-Park in Sichtweite der juristischen Fakultät mit seiner Aussicht über die gesamte Altstadt hat bei mir nicht nur einmal für eine „unfreiwillige“ Freistunde gesorgt. Die juristische Fakultät liegt überhaupt malerisch an der Moldau und der tägliche Weg zur Uni war definitiv der schönste „Schulweg“, den ich je hatte.

Kulturell bietet Prag zu viel, als dass es Sinn machen würde, hier eine beispielhafte Aufzählung zu beginnen. Hinweisen möchte ich aber auf Fülle an deutschsprachigen Events, v.a. das Goethe-Institut sorgt dafür, dass der deutsche Film und auch deutschsprachiges Theater gut vertreten sind.

Verkehr

Als absoluter Knotenpunkt bietet sich der Prager Hauptbahnhof für Tages- und Wochenendausflüge an jeden beliebigen Ort in Tschechien an. Für Deutsche (noch) ungewohnt: private Unternehmen bieten preisgünstige und komfortable Busverbindungen an.

Für diejenigen, die sich gerne mit dem Fahrrad von A nach B bewegen, ist Prag nichts – aber mit dem zuverlässigen ÖPNV kann man gut leben. Ein Studententicket kostet weit weniger als 40 EUR für 3 Monate (!) und die Nachttrams fahren ununterbrochen halbstündlich.

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ISIC

Absolut empfehlenswert ist gleich zu Beginn die Beantragung einer ISIC-Karte an der Fakultät – sie ersetzt den Studentenausweis/Bib-/Mensakarte und ist Teil der Fahrkarte, insbesondere aber lassen sich die Vergünstigungen übers Jahr gerechnet wirklich sehen, v.a. im Buchhandel.

 

Links

Weitere Erfahrungsberichte findet man z.B: hier: juristische Fakultäten der Uni München, Uni Osnabrück

Zur Homepage der juristischen Fakultät der Karls-Universität Prag

Go East Stipendium 2012/2013 – Bewerbung bis 24.02.2012

Kristin Kretzschmar 

Seit 2002 vergibt der DAAD jährlich Stipendien aus Mitteln des BMBF für Studienaufenthalte in Ost- und Südosteuropas sowie den Ländern der GUS. Ziel ist es das Interesse der Studierenden an diesen Ländern zu steigern. Das Programm richtet sich an Studierende aller Fachrichtungen.  Gefördert werden nicht nur die Studienaufenthalte, sondern auch vorbereitende Sprachkurse.

Bis zum 24.02.2012 läuft die Bewerbungsfrist für das akademische Jahr 2012/2013. Weitere Informationen zu Voraussetzungen und Bewerbungsmodalitäten sowie Erfahrungsberichte sind hier zu finden.