Das deutsch-tschechische Grenzgebiet ist insbesondere im Bereich der Sächsischen/Böhmischen Schweiz ein bekanntes Ziel für Wanderer und Touristen. Allerdings befassen sich hierbei vermutlich nur Wenige mit der bewegten Geschichte der Region. Die Mitglieder des Vereins novOstia e.V. haben sich im Rahmen von zwei Wanderungen auf Spurensuche begeben und sind dabei nicht nur auf die idyllischen Felsformationen der Region gestoßen, sondern konnten auch einige historische Orte ausfindig machen.
Ausgangspunkt der Wanderungen war jeweils Vysoká Lípa (deutsch Hohenleipa).
Die erste Wanderung (Bild anklicken zur Darstellung der Route) führte uns entlang eines früheren Kirchweges zur Wüstung der Grundmühle, vorbei an der Quelle des heiligen Hubert zur Alten Mühle und nach Jetřichovice (deutsch: Dittersbach). Hier ist ein Zwischenhalt an der Kirche und dem Friedhof des Dorfes sehr empfehlenswert.
Danach ging es weiter zu den Aussichtspunkten Mariina skála und Vilémina stěna. Von beiden Aussichtspunkten genießt man einen wunderschönen Ausblick über das gesamte Zappenland. Eine längere Rast mit Einkehr haben wir uns an den Balzhütten gegönnt. Von da aus ging es dann mit Zwischenstopp an einem weitern Aussichtspunkt zurück nach Hohenleipa.
Die zweite Wanderung war etwas kürzer und führte uns über die Felsenburg Šaunštejn (deutsch Schauenstein) und das kleine Prebischtor nach Hinterdittersbach und zurück nach Hohenleipa.
Wir bedanken uns bei Michael Meissner für die gute Vorbereitung der Routen!
Hinterdittersbach (tsch. Zadni Jetrichovice) war bis 1945 ein Knotenpunkt des Tourismus in der Sächsisch-Böhmischen Schweiz. Die Siedlung liegt am böhmischen Ufer der Kirnitzsch, die – bis dahin Grenzbach – 500 Meter bachaufwärts nach Sachsen reinfließt. Die dem Ort zugehörige Brücke lässt sich auf Karten bis in das Jahr 1592 zurückverfolgen, auch weil sie zu der damals militärisch und wirtschaftlich wichtigen Böhmerstraße gehörte. Auf einer Karte der Herrschaft Kamnitz aus dem Jahr 1794 wird sie zusammen mit der sogenannten Kirnitzschschänke abgebildet, welche später zum zentralen Anlaufpunkt für Wanderer werden sollte.
Zum Ort zählten weiterhin das Kinskysche Hegerhaus, das Gasthaus „Waldfrieden“ sowie das Clary’sche Jagdhaus (ab 1903). Da die Kirnitzschschänke den meisten bekannt war und auch in jeder Karte Erwähnung fand, wurde umgangssprachlich die gesamte Siedlung nach ihr benannt. Seinen Ursprung hatte Hinterdittersbach wohl als saisonaler Aufenthaltsort für Forstpersonal und Waldarbeiter. In einer Aufzeichnung des Topografen Sommer aus dem Jahr 1833 werden vier Häuser und 24 Einwohner genannt. Es ist davon auszugehen, dass in den Sommermonaten täglich ein Vielfaches dieser Einwohnerzahl der Siedlung einen Besuch abstatteten.
Der Fremdenverkehr in der Region entwickelte sich allerdings erst im ausgehenden 19. Jahrhundert. Dieser Entwicklung war der Bau einer Eisenbahnlinie durch das Elbtal im Jahr 1851 vorausgegangen. 1888 wurde die Böhmerstraße zur Bezirksstraße. Sogar eine Straßenbahn von Bad Schandau bis zur Kirnitzschschänke sollte gebaut werden, diese Linie reichte später jedoch nur bis zu den Lichtenhainer Wasserfällen.
Das für Wanderer Besondere an Hinterdittersbach war, dass hier die Touristenwege von Dittersbach (Jetrichovice), Hohenleipa (Vysoka Lipa), Rainwiese (Mezni Louka), der Unteren Schleuse und dem Zeughause, von Hinterhermsdorf und aus dem Khaatale (Kyjovske udoli) zusammen trafen. In der Kirnitzschschänke war 1896 auch eine Auskunftsstelle des Gebirgsvereines zu finden, 1912 dann im Gasthaus „Zum Hirsch“. Außerdem gab es ein Kindererholungsheim. Da die Böhmerstraße schon seit Jahrhunderten die Grenze zwischen den Herrschaften Kamnitz und Binsdorf bildete und mitten durchs Dorf verlief, gehörten auch die Häuser auf den beiden Seiten jeweils unterschiedlichen Gemeinden an.
Bei der Ankunft der novOstia Mitglieder in Hinterdittersbach waren von diesen Häusern bis auf wenige Grundmauern nichts mehr zu sehen. Einzig durch die noch rudimentär vorhandenen Wege, die teils eingestürzte Kellergewölbe und die in Reihe gepflanzten aber inzwischen verwilderten Bäume ließ sich die Siedlungsstruktur erahnen. Nach 1945 wurden die Einwohner aus dem Ort vertrieben und die Häuser teilweise zerstört. Noch bis 1956 wurde das Kindererholungsheim genutzt, die ganze Region jedoch vermutlich mit dem Aufstand in Ungarn von 1956 massiv abgeriegelt. Damit verfielen auch die restlichen Gebäude. Heute ist nur noch die Kirnitzschbrücke vorhanden. Sie ist seit dem 28.10.2003 offizieller Grenzübergang und erfreut sich dank des wieder einsetzenden Tourismus steigender Beliebtheit.
Die Grundmühle erreicht man auf gut ausgebauten Wanderwegen von Dittersbach und Hohenleipa.
Bereits im 16. Jahrhundert wurde die Grundmühle urkundlich erwähnt und von da an kontinuierlich ausgebaut. Zu den Mühlengebäuden kamen eine Gärtnerei, eine Bäckerei und eine Branntweinbrennerei in Nebengebäuden. Mit zunehmender Bedeutung der Region als Ausflugsziel für Wanderungen und Kahnfahrten im 19. Jahrhundert gewann der Betrieb der Gastwirtschaft an Bedeutung. Zu dieser Zeit lebten 24 Menschen in der Siedlung.
Nach dem zweiten Weltkrieg kam es zur Vertreibung der Sudetendeutschen Bewohner. Besonderheit der Grundmühle ist, dass diese von 1696 bis zur Vertreibung durchgehen im Besitz eine Familie war. Nach der Vertreibung wurden auch die touristischen Kahnfahrten eingestellt und die Mühle verblieb unbesiedelt.
In Tschechien erlangte die Grundmühle bescheidene Bekanntheit, da sie Schauplatz zweier Märchenfilme war. Im Film „Die stolze Prinzessin“ (1952) kann man sich noch einen Eindruck über die gut erhaltenen Innenräume der Mühle verschaffen. Danach wurde der Dachstuhl der Mühle durch einen Brand zerstört und beschleunigte so den Verfall. Der Film „Der verlorene Prinz“ (2008) zeigt bereits die Ruine ohne Dach.
Wir fanden vor Ort eine sehr gut erhaltene Wüstung vor. Dies liegt vor allem an einer Bürgerinitiative, die sich seit 2008 für den Erhalt einsetzt und regelmäßig Arbeitseinsätze organisiert und Restaurationen vornimmt.
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