Beziehungen zu Nachbarstaaten und Skopje 2014 – Teil 3 des Interviews mit Tijana Angjelkovska

(Tijana Angjelkovska, Kristin Kretzschmar)

Tijana Angjelkovska ist aus Tetovo, Mazedonien. Sie studierte Betriebswirtschaftslehre in Tetovo und „Economics for Business Analysis“ in Großbritannien. Nachdem sie am AK Treffen in Berlin teilgenommen hat und uns einen ersten Einblick in die Minderheitenfrage in Mazedonien gab, stimmte sie zu, weitere Fragen in einem Interview zu beantworten. Daneben hat sie uns in der Planung des AK Treffens in Mazedonien unterstützt.

In Teil 3 des Interviews mit Tijana Angjelkovska befassen wir uns mit den Beziehungen zu Bulgarien und Griechenland sowie mit dem antiken Bauprojekt Skopje 2014.

Zur Erinnerung: Teil 1 befasste sich mit dem Community Development Institute und den sogenannten CICRs. In Teil 2 sprachen wir über Minderheiten und die Lage der Roma in Mazedonien.

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K.K.: Wie sieht es mit dem Einfluss Bulgariens im Konflikt aus? Bis zum Ende des zweiten Weltkrieges gab es ja die zu Teil offizielle Wahrnehmung, dass Mazedonien eine Teil Bulgariens sei. Momentan hört man nichts von solchen Ansichten. Gibt es diese noch?

T.A.: Nach den Balkan Kriegen wurde Mazedonien ja zwischen Serbien, Bulgarien und Griechenland geteilt. In Jugoslawien hatten wir dann nur das Recht einen Wahlbezirk zu bilden. Daraus entstand das heutige Mazedonien. Doch es gibt auch noch immer Regionen in Bulgarien und auch Griechenland die auch Mazedonien genannt werden. Bis vor kurzem hat Bulgarien auch nicht die mazedonischen Minderheiten im eigenen Land anerkannt. Die mazedonische Sprache wurde nicht anerkannt, da sie ein Dialekt des Bulgarischen sei.

K.K.: Aber auch mit Griechenland gibt es Auseinandersetzungen, auch ohne die sprachlichen Konflikte.

T.A.: Ja, Griechenland problematisiert den Namen Mazedoniens. In der griechischen Region Mazedonien gab es historisch bedeutende Ereignisse. Die Anerkennung eines Landes mit dem Namen der Region wird von Griechenland als Bedrohung der eigenen Identität gewertet.

K.K.: Wie stehst du zu den Großprojekten im Rahmen von Skopje 2014?

T.A.: Ich bin sehr gegen dieses Projekt. Erstens hilft es niemanden im 21. Jahrhundert byzantinischen Baustil nachzuahmen. Zweitens sind der Bau von Nicht-Investitionsgütern und die damit verbundenen finanziellen Ausgaben in Zeiten der Krise Schritte in genau die entgegengesetzte Richtung von dem, was das Land eigentlich braucht. Wir sollten in Richtung EU Integration streben – das heißt wir sollten daran arbeiten unsere Wirtschaft weiterzuentwickeln. Außerdem hat dieses Bauprojekt wiederum Probleme mit der albanischen Minderheit verursacht. Sie sagen ‚wenn die andern Minderheiten ein Budget haben, dann wollen wir das auch. Wir wollen auch Statuen und Bauten, die die albanische Bevölkerung repräsentieren‘. Aber auch die Außenwirkung ist negativ – die Griechen sagen ’sie stehlen auch weiterhin unsere Geschichte‘, denn viele der Bauten sind eben im byzantinischen Stil. Wir waren 500 Jahren Teil des Ottomanischen Reichs, daher sind unsere Gebäude anders. Diese Projekt repräsentiert einen Rückschritt in die Antike. Es wird versucht die neuere Geschichte zu überspringen. Dinge die hier in diesem Sinne nie bestanden, werden erbaut. Es gibt archäologische Ausgrabungsstätten, die den Wert haben etwas über unsere Geschichte auszusagen. Aber dies neu zu erschaffen macht keinen Sinn.

K.K.: Stellt es deiner Meinung nach den Versucht dar, eine nationale Legende zu erschaffen?

T.A.: Ja, auf jeden Fall.

K.K.: Tijana, vielen Dank für das Interview und deine Unterstützung während der Planung des Treffens des stipendiatischen Arbeitskreises Osteuropa in Mazedonien.

 

Philip Gounev: “Stabilizing Macedonia: Conflict Prevention, Development and Organized Crime” (2003)

(Jana Hartmann)

EU-Politik (in den 90ern stark auf die Stabilität der Balkan-Länder fokussiert) benannte
Nationalismus, ethnische Feindschaften, soziale Ungleichheiten und Verletzungen der
Menschenrechte als zentrale Ursachen für die Konflikte auf dem Balkan.

EU-Intervention in Mazedonien 2001 und Implementierung sowohl von Strategien und
Maßnahmen zur Konfliktprävention als auch zur Friedensbildung.

Das ‚Stabilization and Association Agreement‘ (SAA) von 2001 zwischen der EU und
Mazedonien wurde in den ‚Stabilization and Association Process‘ (SAP) integriert, der einen
Rahmen bilden sollte, um neue Konflikte zu verhindern und die beteiligten Länder auf einen
EU-Beitritt vorzubereiten.

Argumentationslinie des Artikels: Die Maßnahmen, die im Rahmen dieses SAPs und als
Versuche der Friedensbildung der EU ergriffen wurden, sind gut gemeint, ließen aber
wichtige Aspekte außer acht, konkret: die grenzüberschreitende Kriminalität und das
ökonomische Interesse der Rebellen, die beide als Hauptgründe des Konflikts betrachtet
werden können. Als Zeichen dafür kann das weitere Ausbleiben von Stabilität in Mazedonien
gewertet werden – nicht als Echo eines beendeten Konflikts, sondern als Beleg dafür, daß für
eine nicht unbeträchtliche Zahl an militanten Rebellen die Beweggründe eben nicht in einer
sicheren sozialen und politischen Reform ihrer Gesellschaft lagen. Insbesondere der Drogen-
und Menschenhandel könnte das ökonomische Interesse sein, aus dem heraus der ethnische
Konflikt in Mazedonien verstärkt wird.

Die EU und Konfliktprävention

April 2001: Veröffentlichung des Strategiepapiers „Communication“ – während man zwar
z.B. in Kolumbien Drogen als Gründe für Konlikte sieht, oder Diamanten in Afrika, haben
sich diese Schlüsse nicht auf den Balkan erstreckt, wo fortgesetzt Drogen, Waffen und
Menschen geschmuggelt werden.

Stability Pact (SP) – enthält eigentlich eine Teil zu Organisierten Verbrechen, im ‚lessons
learned‘-Bericht taucht dann aber nichts dazu auf.

Entwicklung und Konfliktprävention – Entwicklungshilfe z.B. in Afrika durch die EU ist
explizit mit Konfliktprävention verbunden, für die Entwicklungszusammenarbeit in den
westlichen Balkanländern gilt diese Verknüpfung nicht.

Kritik an der EU: die Entwicklungs-Programme zielen nicht so sehr auf makroökonomischen
Aufschwung und Stabilisierung, sondern vielmehr darauf, die Länder strukturell und in
ihrer Gesetzgebung an EU-Standards anzupassen, so daß zentrale ökonomische und sozio-
politische Charakteristika der EU adaptiert werden können.

Interview mit Tijana Angjelkovska – Teil 1

(Tijana Angjelkovska; Kristin Kretzschmar)

Tijana Angjelkovska ist aus Tetovo, Mazedonien. Sie studierte Betriebswirtschaftslehre in Tetovo und „Economics for Business Analysis“ in Großbritannien. Während ihres Studiums arbeitete sie als Jugendarbeiterin in lokalen NGOs zur Verbesserung der Kommunikation und dem Verständnis zwischen allen Ethnien, die in Tetovo leben. Zuletzt war sie beim Community Development Institute (CDI) in Tetovo beschäftigt. Momentan nimmt sie am Europäischen Freiwilligendienst teil und arbeitet in Prag im Bereich internationale Angelegenheiten. Nachdem sie am AK Treffen in Berlin teilgenommen hat und uns einen ersten Einblick in die Minderheitenfrage in Mazedonien gab, stimmte sie zu, weitere Fragen in einem Interview zu beantworten. Dieses Interview wird nun in drei Teilen veröffentlicht.

 Teil 1 des Interviews befasst sch mit dem Community Development Institute (CDI), für welches sie in Tetovo arbeitete, sowie den Schwächen der Ausschüsse für Interethnische Beziehungen. Der AK Osteuropa wird im Rahmen der Reise nach Mazedonienen unter anderem auch das CDI besuchen.

In Teil 2 werden Minderheiten in Mazedonien allgemein betrachtet und Teil 3 befasst sich mit Mazedoniens Beziehungen zu Nachberstaaten und Skopje 2014.

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Kristin Kretzschmar (K.K.): Du hast für das CDI gearbeitet – was genau ist das CDI eigentlich?

Tijana Angjelkovska (T.A.): Das Community Development Institute (CDI) ist eine nicht-staatliche gemeinnützige Organisation, die auf die Verbesserung der interethnischen Verständigung und Toleranz hinarbeitet und die Stärkung der Kapazitäten der Organisationen und Einzelpersonen, sowie auf die Verbesserung der Lebensbedingungen und des Lebensstandards der Bürger in Mazedonien zum Ziel hat. Die Entwicklungen und Reformen nach dem Konflikt im Bezug auf die Dezentralisierung der Verwaltung des Landes sind auf der Grundlage des Rahmenabkommens von Ohrid getroffen wurden. Gemäß des Abkommens haben alle ethnischen Gruppen Anspruch auf eine angemessene Vertretung in öffentlichen Einrichtungen; sowohl auf lokaler als auf auch zentraler Ebene. Um die ausgewogene Vertretung zu gewährleisten und Probleme der ethnischen Minderheiten zu lösen, ist im 2002 erlassenen Gesetz über kommunale Selbstverwaltung die Einrichtung von Ausschüssen für die Interethnischen Beziehungen (Committees for Inter-Community Relations – CICR) vorgesehen. Genau auf diesen Ausschüssen, CICRs, lag in den letzten sieben Jahren der Schwerpunkt der Arbeit vom CDI.

K.K.: Wie muss man sich diese Arbeit vorstellen?

T.A.: In den Gemeinden arbeiten wir an der Verbesserung und Stärkung ihrer institutionellen Geschichte und Kapazitäten. CICRs sind ständige Beiräte der Gemeinderäte im Bezug auf interethnische Beziehungen. Die Zusammenarbeit zwischen CICRs und Gemeinderäten haben sich über die Jahre bereits verbessert. Nach den Kommunalwahlen im März 2009 resultierte aber das Fehlen von Mechanismen, um die Fortsetzung der Arbeit der CICRs in den Gemeinden zu sichern, in Diskontinuität der Aktivitäten, Intransparenz und Fehlfunktionen der CICRs.

K.K.: In welchen Beziehung stehen die CICRs zu Wahlen? Werden die Vertreter auch gewählt?

T.A.: Das Mandat der CICRs hat die gleiche Länge wie das Mandat der Vertreter im Gemeinderat. Doch da sie über keine institutionelle Geschichte verfügten, kam es nach den Wahlen zur Diskontinuität in der Funktionsweise der CICRs.

K.K.: Und diese CICRs sind in jeder Gemeinde obligatorisch?

T.A.: Diese sollen in Gemeinden eingerichtet werden, wo mindestens 20% der Bevölkerung einen anderen ethnischen Hintergrund als die Mehrheitsbevölkerung haben. Die Anzahl der Mitglieder variiert von Gemeinde zu Gemeinde, je nach Anzahl der zu vertretenden Ethnien. Aber je Ethnie gibt es immer nur einen Vertreter, der prozentuale Anteil der Ethnie wird nicht berücksichtigt. Aber, das CDI versucht neben der Arbeit an der institutionellen Verbesserung und Kontinuität der CICRs, auch Lobbyarbeit zu machen, um CICRs zwingend für jede Gemeinde zu machen, so dass selbst wenn es eine Person gibt, die einer Minderheit angehört, diese das Recht hat Bedürfnisse in die Politikgestaltung einfließen zu lassen.

K.K. Und wie sind der Fortschritte bei der Schaffung einer klaren Aufgabe und Verbesserung der Organisationsstruktur der CICRs?

T.A.: Es ist immer noch ein schwerer und langsamer Prozess. Da sich die Mandate der Mitglieder der CICRs und der Kommunalpolitiker gleich lang sind ist ein kontinuierliches Training für den Aufbau von Kapazitäten der Mitglieder und die Verbesserung der Organisationsstruktur, die das CDI organisiert, notwendig. Auch die Lobbyarbeit für die Änderungen in der Gesetzgebung in Bezug auf die CICRs ist langwierig.

 

Schwerpunktthema Mazedonien – Call for Papers

Nur selten hört man in den Medien von Mazedonien und dies kann gewissermaßen als ein gutes Zeichen gewertet werden.  Nachdem der kleine südosteuropäische Binnenstaat 2000/2001 kurz vor einem Bürgerkrieg stand und es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen slawischen Mazedoniern und Albanern kam, wurde mit einer Vielzahl von Gesetzen versucht, die Rechte aller Bürger zu schützen. Ist  Mazedonien dadurch zu einem guten Beispiel für die Lösung der Minderheitenfrage geworden und kann die mazedonische Praxis auch auf andere Länder übertragen werden? Oder täuscht die aktuelle Ruhe vielleicht nur über die verborgen Probleme hinweg: beispielsweise die schwierige Situation  der anderen Minderheiten (neben Albanern und slawischen Mazedoniern), die hohe Arbeitslosigkeit, die Gefahr sozialer Unruhen und die allgegenwärtige  Korruption?

Mit diesen und weiteren Fragen möchte sich der AK Osteuropa auf seinem AK Treffen, welches im September in Mazedonien stattfinden wird, beschäftigen. Zur Vorbereitung möchten wir den Blog nutzen, um Informationen über Mazedonien bereitzustellen und den Einstieg in die Thematik zu erleichtern. Daher sind alle aufgerufen, Beiträge über Mazedonien zu verfassen oder bereits vorhandene Arbeiten dem Redaktionsteam zur Verfügung zu stellen. Neben Beiträgen zu den oben genannten Themen, begrüßen wir auch allgemeine Artikel zu verschiedenen Themengebieten, beispielsweise Geschichte, Kultur  etc. Die Beiträge sollen keineswegs nur wissenschaftlicher Natur sein, sondern das gesamte Spektrum des Blogs abdecken, also auch Nachrichten, Reise- und Landesberichte, Vorstellung von Projekten oder von interessanten mazedonischen Persönlichkeiten.

Zusätzliche/Weitere Ideen können mit dem Redaktionsteam abgesprochen oder in den Kommentaren diskutiert werden.

Go East Stipendium 2012/2013 – Bewerbung bis 24.02.2012

Kristin Kretzschmar 

Seit 2002 vergibt der DAAD jährlich Stipendien aus Mitteln des BMBF für Studienaufenthalte in Ost- und Südosteuropas sowie den Ländern der GUS. Ziel ist es das Interesse der Studierenden an diesen Ländern zu steigern. Das Programm richtet sich an Studierende aller Fachrichtungen.  Gefördert werden nicht nur die Studienaufenthalte, sondern auch vorbereitende Sprachkurse.

Bis zum 24.02.2012 läuft die Bewerbungsfrist für das akademische Jahr 2012/2013. Weitere Informationen zu Voraussetzungen und Bewerbungsmodalitäten sowie Erfahrungsberichte sind hier zu finden.