Zwischen „Billiglohn“ und „Fachkräftemangel“ – Migration aus Osteuropa heute (Veranstaltungsbericht)

(Kristin Eichhorn, Hanne Schneider)

Nach dem „langen Sommer der Migration“ in 2015 ist die Debatte vergangener Jahre um (Arbeits-)Migration aus Ostmittel- und Südosteuropa in den Schatten gerückt. Das Thema Asyl bestimmt die Beziehungen zu den Nachbarländern und Transitstaaten außerhalb der EU. Nach sieben Jahren EU-Freizügigkeit mit den EU-15 Ländern und vier Jahren freiem Arbeitsmarkt für RumänInnen und BulgarInnen sind viele Fragen offen: Was ist aus der Angst vor „Billlohn-“ oder „Armutsmigration“ geworden? Und was benötigen wir eigentlich für einen echten (sozialen) Europäischen Arbeitsmarkt, auch im Hinblick auf Debatten um Fachkraftmangel?

Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigten wir uns im Rahmen eines Workshops beim Wiedersehen von FES-Ehemalige e.V. Unter dem Titel „Zwischen „Billiglohn“ und „Fachkräftemangel“ – Migration aus Osteuropa heute“ haben wir gemeinsam mit ExpertInnen und Interessierten diskutiert.

Entwicklung der Debatte um Migration in Deutschland und Europa seit den 1990er Jahren.

Zum Einstieg gab Hanne Schneider (Migrationswissenschaftlerin und Mitarbeiterin der TU Chemnitz) einen Überblick über die Entwicklung der Debatte um Migration aus Mittel- und Osteuropa seit den 1990er Jahren und zeigte somit auch die Komplexität des Themas auf. Migration bestimmt bereits seit dem Zusammenwachsen Europas nach dem Fall des eisernen Vorhangs die Beziehungen insbesondere auch zu den mittel- und südosteuropäischen Ländern. Hier zu nennen sind beispielsweise die Fluchtmigration infolge der Jugoslawienkriege, der Umgang mit AussiedlerInnnen, eine hoher Anteil an der Binnenmobilität innerhalb der EU oder auch die Debatte um sog. „Wirtschaftsflüchtlinge“ aus den Westbalkanländern.

Dominique John (DGB – Faire Mobilität) präsentierte uns das DGB-Projekt „Faire Mobilität“. Durch dieses Projekt, können sich ArbeitsmigrantInnen an Beratungsstellen in ganz Deutschland wenden. Neben einem Überblick über die häufigsten Beschäftigungsformen (Transport/Lager/Logistik, Baugewerbe, Gebäudereinigung, Fleischindurstrie), schilderte uns Dominique John typische Fallkonstellationen, beispielsweise Unterschreitung des Mindestlohns, oder gänzliche Einbehaltung des Lohns sowie katastrophale Bedingungen in der Unterbringung.

Im Anschluss gab Bartosz Rydliński (polnischer Sozialdemokrat und Mitbegründer des Ignacy Daszyński Center) einen Einblick in die polnische Perspektive. Viele verbinden mit Polen ein Herkunftsland vieler ArbeitsmigrantInnen. Allerdings ist insbesondere seit dem Ukrainekonflikt auch ein Aufnahmeland ukrainischer MigrantInnen, welche unter schwierigen Bedingungen arbeiten und leben.

Eine ukrainische Arbeitsmigrantin verliert einen Arm bei der Arbeit. Ihr Arbeitgeber weist jede Verantwortung von sich (Screenshot http://poznan.wyborcza.pl).

Zum Abschluss gab uns Tobias Thimm (Verwaltungswissenschaftler und ehemaliger Praktikant der FES) einen Einblick in die Situation in Bulgarien. Seine Masterarbeit „Die Migration bulgarischer Staatsbürger nach Deutschland“ beschäftigt sich mit den positiven und negativen Auswirkungen der Arbeitsmigration auf Bulgarien als Herkunftsland. Während bestimmte Aspekte eines sog. ‚brain drain‘ zu erkennen sind und Abwanderung ganzer Abschlussklassen zwar gesellschaftliche Schwierigkeiten verursachen, sind die finanziellen Rückweisungen sowie das erworbene Wissen der RückkeherInnen von großer Bedeutung. Zentral sei es in Bulgarien die soziale Spaltung zu verringern und Institutionen zu stärken.

Ergebnissicherung der Abschlussdiskussion

In einer abschließenden Diskussion im World-Café Format sammelten wir gemeinsam mit den Referentinnen Thesen zur Gestaltung der Arbeitsmigration in und aus Mittel- und Osteuropa.  Sowohl die Herkunftsländer als auch die Aufnahmeländer (und Deutschland im speziellen) haben noch einige Hausaufgaben offen haben: In Deutschland existieren bereits viele Arbeitnehmerrechte, allerdings müssen die Schutzaufgaben innerhalb Deutschlands für ArbeitsmigrantInnen ernst genommen werden. Eine Möglichkeit zu Umsetzung wäre die Stärkung der Gewerkschaften und ein gezieltes Heranführen der ArbeitsmigrantInnen an die Gewerkschaften. Zudem müssen EU-Standards aktiv umgesetzt werden. In den Herkunftsländern sollte weiterhin das Vertrauen in die staatlichen Institutionen gestärkt werden und die Rolle der Zivilgesellschaft unterstützt werden.

Wir bedanken uns bei allen ReferentInnen für den wertvollen Input und Teilnehmenden für die angeregte Diskussion. Zudem danken wir FES-Ehemalige e.V. für die Ermöglichung der Durchführung des Workshops.

Treffen mit VertreterInnen der Sozialdemokratischen Union Mazedoniens

(Marcel Hagedorn)

Den Ausklang des Programms in Mazedonien bildete ein Treffen der Stipendiaten mit Vertretern der Sozialdemokratischen Union Mazedoniens (maz.: Socijaldemokratski Sojuz na Makedonija, kurz: CДCM). Die Stellvertretende Parteivorsitzende Anna Pawlowska-Danewa stellte sich den durchaus kritischen Fragen. Ein weiterer Vize und die Sekretärin für Internationales waren auch zugegen, schienen jedoch nur schmuckes Beiwerk zu sein – Anna Pawlowska-Danewa gab souverän die Einleitung und antwortete auf sämtliche Fragen

VertreterInnen des stipendiatischen Abrbeitskreies Osteuropa der FES mit VertreterInnen der SDSM.

Die SDSM hat nach dem Bürgerkrieg in Mazedonien 2001 die Ohrider Rahmenvereinbarung mitunterzeichnet. Diese sah weitreichende Verfassungsänderungen vor, so eine paritätische Beteiligung der albanischen Minderheit an Kommunalverwaltungen in Gemeinden mit über 25% albanischen Einwohnern, Anerkennung ihrer Sprache als Amtssprache in diesen Gebieten und generell eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung.

„It’s less perfect than on paper“, so Pawlowska-Danewa. Die Gleichstellung aller ethnischen Gruppen ist noch längst nicht abgeschlossen und wird ein zentrales Thema künftiger Regierungen sein. Dies liegt vor allem an der unterschiedlichen Auslegung des Abkommens. Albaner fordern weitere Rechte auf Grundlage des Abkommens, Mazedonier sehen es als umgesetzt an.

Die SDSM wird den mazedonischen Parteien zugeordnet, sie sieht sich selbst hingegen als multiethnische Partei. Immerhin 20% ihrer Mitglieder entstammen einer ethnischen Minderheit. Von Albanern werde sie trotzdem selten gewählt, höchstens von albanischen Akademikern und Gebildeten. Daher habe man für die kommenden Kommunalwahlen eine Zusammenarbeit mit der nationalistischen DPA beschlossen. Im zweiten Wahlgang sollen Bürgermeisterkandidaten der DPA unterstützt werden, wenn der eigene Kandidat keine Mehrheit erreicht hat. Anna Pawlowska-Danewa betonte, dies sei eine rein technische Zusammenarbeit, keine programmatische.

Das Ziel sei natürlich, irgendwann nur noch eine sozialdemokratische Kraft in Mazedonien zu haben, aber aufgrund des Wahlverhaltens der albanischen Minderheit ist dies in naher Zukunft nicht denkbar. Daran ändern auch keine albanischen Kandidaten auf SDSM-Listen, meint die Parteivize. Programme oder Initiativen, um dieses Ziel zu erreichen gibt es nicht.

Die SDSM befindet sich momentan in der Opposition. Es ist ungeschriebenes Recht, dass die Regierungskoalition aus einer der großen mazedonischen Parteien und aus eine der kleinen albanischen Parteien besteht. Seit 2008 regieren die konservative VMRO-DPMNE mit der marxistischen DUI. In dieser Rolle setzt sich die SDSM entschieden gegen das von dieser Regierung beschlossene Städtebauprogramm „Skopje 2014“, welches in Skopje in einem Umfang von 500 Millionen Euro in den Bau von Denkmälern mazedonischer Persönlichkeiten, Fassadenrenovierung und Stadtverschönerung investiert. Das Problem an Skopje 2014, so Pawlowska-Danewa, ist nicht nur, dass das Geld besser zur Armutsbekämpfung eingesetzt wäre, sondern die Stadt auch weiter spaltet. Auf der Seite der Flusses Varda, der durch Skopje fließt, in dem die mazedonische Bevölkerung in der Mehrheit ist, werden vor allem mazedonische Berühmtheiten aufgestellt – auf der albanischen Varda-Seite kleinere Monumente albanischer Helden. „If SDSM is on gouvernment after the next elections, Skopje 2014 will be stopped“, versprach sie. Dennoch ist schon ein Großteil des Geldes investiert.

Gegen das Projekt gibt es bislang keine größere Bürgerbewegung. Die Bürger befürchten, nicht ein genügend großes Echo in den beeinflussten Medien zu bekommen. Kleinere Proteste finden dienstags statt, es wird allerdings nur von den Veranstaltungen berichtet, die für das Projekt sind

Zentrale der SDSM in Skopje. Bild: Marcel Röthig

Wenn die SDSM die nächste Wahl gewinnt, will sie nicht nur Skopje 2014 stoppen, sondern auch die Korruption bekämpfen und sich für eine bessere wirtschaftliche Situation des Landes einsetzen. Außerdem will sie freie Medien ermöglichen. Ihr zentrales Ziel sei es aber, mit der DPA eine erneute Koalition zwischen VMRO-DPMNE und DUI zu verhindern. Inhalte spielen offenbar keine große Rolle in der nächsten Legislaturperiode des mazedonischen Parlaments. Zentrale Projekte oder Visionen konnte die Vize nicht nennen.

Auch ihr Konzept zur Armutsbekämpfung scheint nicht ganz ausgereift zu sein. Es sei genügend Geld vorhanden, nur falsch verteilt, so in Skopje 2014. Die Armut werde zurückgehen, wenn endlich Rechtssicherheit herrsche, die Bürokratie abgebaut werde  und sich so Investoren für Mazedonien finden. Auch die Steuereinziehung müsse effektiver gestaltet werden.

So verspricht sich die SDSM auch die Sozialhilfeleistungen ausbauen zu können.

„Das größte Problem in Mazedonien ist nicht die multiethnischen Bürger, sondern die Politiker.“ sagte ein junger Albaner. Und er scheint recht zu haben. Der Besuch wirkte mehr als geschauspielt. Die Parteivize präsentierte sich als von einer neuen, jungen Generation von Politikern entsprungen und stellte ein Wischi-Waschi-Programm ihrer Partei vor. Die SDSM gehört eben zum Establishment – die aus der ehemaligen kommunistischen Regierungspartei hervorgegangene Partei macht nicht den Eindruck, wirkliche Reformen für Mazedonien auf den Weg bringen zu wollen. Ausweichende Antworten auf kritische Nachfragen und nicht zuletzt auch die beiden Ferraris hinter der Parteizentrale in Skopje festigten diesen Eindruck.

Nach dem Besuch der SDSM scheint tatsächlich nur eine neue Partei Hoffnung für Mazedonien zu versprechen. Eine wirkliche Alternative, die ernsthaft Reformen auf den Weg bringt, vielleicht wie die Sozialdemokraten in Polen, die das Land aufbauten und auf starke Füße stellten – zum Preis der Bedeutungslosigkeit heute.

 

Im Herzen des Kreml

(Liana Fix) Es herrscht Winter. Nicht nur in Moskau, sondern auch in den deutsch-russischen Beziehungen. Nach dem umstrittenen Urteil im Prozess um Pussy Riot verfasste die CDU/CSU-Bundestagsfraktion einen Entschließungsantrag, der die Menschenrechtslage in Russland scharf kritisierte. Erzürnt erklärte das russische Außenministerium daraufhin den Beauftragten der Bundesregierung für deutsch-russischen zivilgesellschaftlichen Dialog, Andreas Schockenhoff, zum unerwünschten Gesprächspartner. Die Wellen der Empörung schlugen hoch.

Zwei Tage vor Beginn der Konsultationen breche ich auf nach Moskau, um als junge Delegierte am Petersburger Dialog teilzunehmen. Der Petersburger Dialog wurde vor zwölf Jahren von Schröder und Putin – verbunden in enger Männerfreundschaft – als Forum für zivilgesellschaftlichen Austausch zwischen Deutschland und Russland gegründet. Die Ergebnisse werden den Regierungschefs beider Länder zu Beginn der Konsultationen vorgetragen. Aber wie viel bringt so ein „talking shop“?

Ich bin Mitglied der Arbeitsgruppe Politik. Hochrangige Politiker aus dem Auswärtigen Ausschuss der Duma, des deutschen Bundestages und des Europäischen Parlaments sind vertreten, zusammen mit Akademikern und Think Tankern. Die Diskussion verläuft gut, bis das Thema Eurokrise aufkommt. Selbstbewusst spielen die Russen die „Asian card“: Wenn die EU ihre Finanzen nicht in Ordnung bringe, müsse man sich verstärkt nach Asien orientieren. Deutsche Vertreter halten dagegen und werfen Russland Schadenfreude vor. Russland solle sich erst einmal um seine demokratische Entwicklung kümmern. Die ersten fangen an mit ihren Handys zu spielen. Die Diskussion endet konfrontativ, aber: man hat sich ausgesprochen.

Der Petersburger Dialog wird von vielen Seiten als zu staatsnah und politisch kritisiert. In der Tat, es ist keine unabhängige zivilgesellschaftliche Veranstaltung. Das zeigt sich alleine schon an den Personalien der Vorsitzenden: Auf deutscher Seite Lothar de Maizière, ehemaliger Ministerpräsident der DDR, auf russischer Seite Viktor Subkow, ehemaliger stellvertretender Premierminister. Gleichzeitig sichert das aber auch die politische Relevanz des Dialogs. Wann sonst haben zivilgesellschaftliche Vertreter die Gelegenheit, kritische Fragen so direkt an die Staatsoberhäupter zu richten? Es ist ein Balanceakt, der jedes Jahr neu ausgehandelt werden muss.

Das Abschlusstreffen des Petersburger Dialogs findet dieses Jahr im Kremlpalast statt. Merkel ist gut in Form. Die Fragen aus dem Publikum richten sich fast alle an sie und es geht immer wieder um die Kritik aus Deutschland. Sie pariert sie gekonnt, fast schon kess, und spricht zur Überraschung aller Pussy Riot und weitere umstrittene Gesetze an. Kritik müsse man aushalten, gerade unter Freunden. Wenn sie immer gleich eingeschnappt wäre bei all der Kritik, die sie erhält, könne sie sich keine drei Tage im Amt halten. Und es sei ja auch kein Geheimnis, dass der russische Präsident auch nicht auf den Mund gefallen sei. Das ist direkt, aber nicht unfreundlich.

Putin sieht nicht gut aus. Gerüchte machten die Runde, dass er gesundheitlich angeschlagen ist, sich eventuell beim Judo verhoben hat. Für einige Spitzen reicht es aber noch. Deutschland sei ja nur noch zweitwichtigster Handelspartner Russlands, nach China. Und nach wirtschaftlichen Maßstäben müsse man die gesamte EU als Kartellvereinigung bezeichnen – eine Anspielung auf das EU-Kartellverfahren gegen Gazprom. Die Kanzlerin lächelt gequält. Später gibt es jedoch noch ein zweideutiges Kompliment. Auf die Ausführungen Merkels, dass es ja nicht „den Deutschen“ und „den Russen“ gäbe, entgegnet Putin, dass es aber „die Deutsche“ gibt. Und das sei die Bundeskanzlerin. Gelöstes Gelächter. Merkel und Putin sind sich in herzlicher Abneigung verbunden.

Als Referent im Kosovo – Bericht über die Political Academy for Progressive Youth 2012

(Ruben Werchan) Im März 2012 startete der stipendiatische Arbeitskreis (AK) Osteuropa die „Eastern Expertise“. Hinter der „Eastern Expertise“ steht die Idee, die Auslandsarbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Osteuropa stärker mit den osteuropainteressierten Stipendiaten/innen zu vernetzen. Zu diesem Zweck wurde den Auslandsbüros der FES von Seiten des AKs eine Datenbank zur Verfügung gestellt, in die sich Mitglieder des AKs auf Wunsch eintragen lassen können. Diese Datenbank gibt Auskunft über Interessengebiete und Qualifikationen der Stipendiaten/innen und ist gedacht als Verzeichnis von interessierten und qualifizierten Nachwuchswissenschaftlern, die den Büros als potentielle Referenten/innen zur Verfügung stehen.

Eine der ersten Reaktionen, die wir auf diese Initiative erhielten kam vom Büro der FES in Prishtina, im Kosovo. Scheinbar erreichte die „Eastern Expertise“ das Büro in Prishtina genau zur richtigen Zeit, denn dort wurde für das zweite Modul der „Political Academy for Progressive Youth 2012“ (PAfPY) noch ein Referent für den Themenblock „Wirtschaft und Sozialdemokratie“ gesucht. Nachdem das Büro das „Eastern Expertise“ Verzeichnis erhalten hatten, wurde ich als Politik- und Wirtschaftswissenschaftler eingeladen, einen Block zu diesem sehr breiten Oberthema zu referieren. Ich teilte mir das Thema mit Dr. Thomas Greven von der FU Berlin. Da ich als erster zum Thema referieren sollte entschied ich mich meinen Block so zu gestalten, dass ich einen Überblick über mögliche wirtschaftstheoretische Begründungen sozialdemokratischer Politik geben würde.

Die PAfPY 2012 fand in der Zeit von April bis Oktober 2012 in verschiedenen Städten im Kosovo statt. Sie kombiniert politische Bildung und politisches Training mit dem Ziel junge Menschen aus dem Kosovo zu verantwortungsbewussten Führungspersönlichkeiten weiterzubilden. Sie richtet sich nach eigenen Angaben an Menschen mit progressiven Ideen für die kosovarische Gesellschaft, welche auf den Werten von Freiheit, Gleichheit, sozialer Gerechtigkeit und Solidarität fußten. Die Academy hat es sich zum Ziel gemacht, sowohl Wissen als auch Fertigkeiten für politische Tätigkeit zu vermitteln. Dabei wurden folgende fünf Themen in fünf Veranstaltungen schwerpunktmäßig behandelt:

      1. Die Prinzipien einer demokratischen politischen Kultur und eines demokratischen politischen Systems

 

      2. Effektive und sozial gerechte Gesetzgebung zur Schaffung von nachhaltiger Entwicklung und eines sozialen Wohlfahrtsstaats

 

      3. Gute Regierungsführung und Dezentralisierung

 

      4. Der EU-Integrationsprozess für den Kosovo

 

    5. Eintreten für soziale Rechte

Ich selbst nahm, wie bereits erwähnt, an der zweiten Veranstaltung als einer von drei Referenten teil. Die anderen Referenten waren Arne Hasselgren von der Sozialdemokratischen Partei Gothenburg (Schweden) und der bereits genannte Dr. Greven. Herr Hasselgren beschäftigte sich auf der Academy vor allem mit Wohlfahrtsstaatsentwicklung und Dr. Greven vertiefte die Thematik „Wirtschaft und Sozialdemokratie“ dahingehend, dass er vor allem über das Verhältnis zwischen Sozialdemokratie, Gewerkschaften und Unternehmen einging.

Ich selbst hatte mich für mein Referat entschieden, „Sozialdemokratie“ an den sozialdemokratischen Idealen ‚Freiheit’, ‚Gleichheit’ und ‚Solidarität’ festzumachen und zu untersuchen, wie aus wirtschaftstheoretischer Perspektive eine Politik, die auf diesen Idealen fußt, aussehen und wie sie sich auf das Marktgeschehen und die gesellschaftliche Wohlfahrt auswirken kann. Von diesen Überlegungen ausgehend stellte ich dar, wie einzelne politische Programme (öffentliches Bildungs- und Gesundheitswesen, soziale Transferleistungen, Arbeitsmarktpolitik und progressive Besteuerung) dazu beitragen können eine freiere, gleichere und solidarischere Gesellschaft zu schaffen. Im Anschluss an meine Präsentation diskutierte die Teilnehmern/innen mit mir über die Möglichkeit der Realisierung einzelner Politiken. Diese Frage schien die jungen Kosovaren/innen mehr als alles andere zu beschäftigen, was vor dem Hintergrund eines Landes, dass sich noch im Aufbau politischer und gesellschaftlicher Strukturen befindet, leicht nachvollziehbar ist.

Generell wurde auf der Veranstaltung der stockende Aufbau einer Staatlichkeit im Kosovo bemängelt, der auch auf den international ungeklärten Status des Landes zurückgeführt wurde. Weniger als die Hälfte der Mitgliedsländer der Vereinten Nationen haben den Kosovo als autonomen Staat anerkannt. Vor allem die Herrschaftsansprüche von serbischer Seite führen in der Region immer wieder zu Konflikten. Dieser Konflikt wird in der Stadt Mitrovica, in welcher dieses zweite Modul der PAfPY stattfand, besonders deutlich. Mitrovica liegt an der Grenze zu dem Gebiet, das innerhalb des Kosovos mehrheitlich von ethnischen Serben (und nicht von Kosovo-Albanern) bewohnt wird. Entlang eines Flusses ist die Stadt in eine serbische und eine kosovo-albanische Seite gespalten. Da es immer wieder zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen kommt, sind die Brücken über den Fluss teilweise nur noch für Fußgänger passierbar und werden von beiden Seite militärisch bewacht. Auch NATO-Truppen sind präsent. Tatsächlich scheint es, als würde man mit dem Fluss eine Landesgrenze überschreiten: Sprache, Schrift, Währung und sogar das Mobilfunknetz ändern sich sofort auf der nördlichen Uferseite. Es ist offensichtlich, dass die Region von einer Lösung des Konflikts noch weit entfernt ist. Die Teilnehmer_innen der Veranstaltung waren jedoch mehrheitlich der Überzeugung, dass der ungeklärte politische Status und die andauernden ethnischen Konflikte die Hauptgründe dafür sind, dass sich ausländische Investitionen in Grenzen halten und die Entwicklung des Landes nur langsam voran geht.

Es war sehr inspirierend, sich mit informierten und interessierten Menschen über die Zukunft des jungen Landes auszutauschen und mit ihnen Visionen über die politische Zukunft des Landes zu entwickeln. Dabei waren die Diskussionen von einem starken Pragmatismus geprägt, der aber glücklicherweise nur selten in Mutlosigkeit mündete, was in Anbetracht der derzeitigen politischen und ökonomischen Lage (vor allem die hohe Jugendarbeitslosigkeit ist ein Problem) im Kosovo durchaus keine Selbstverständlichkeit ist. Ich wünsche mir, dass die Political Academy for Progressive Youth die Teilnehmern/innen motiviert hat, sich weiterhin für eine demokratische Entwicklung des Kosovos stark zu machen und ihnen noch einige zusätzliche Argumente geliefert hat, warum es lohnenswert ist, dabei die Ideale von Solidarität und sozialer Gerechtigkeit zugrunde zulegen.

Weitere Informationen zur Political Academy for Progressive Youth gibt es hier und allgemein zur FES in Prishtina hier.

Völker, hört die Signale – Sudetendeutsche Arbeiterkultur

Mitgliedsausweis der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der ersten Tschechoslowakischen Republik 1937Der kulturelle Projekttag der djo- deutsche Jugend in Europa 2012 beschäftigt sich mit der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung in der Tschechoslowakei. Die Veranstaltung ist gerichtet an Jugendliche und junge Erwachsene, Multilpikatoren in der außerschulischen Jugendarbeit und an Lehrkräfte und wird gemeinsam mit der Sudetendeutschen Jugend und der Seliger-Gemeinde (Nachfolgeorganisation der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiter-Partei (DSAP) in der Ersten Tschechoslowakischen Republik und der Treuegemeinschaft sudetendeutscher Sozialdemokraten im Exil) veranstaltet. Ausgehend von der Entstehungsgeschichte der Sozialdemokratie in der Tschechoslowakei werden herausragende Persönlichkeiten der sudetendeutschen sozialdemokratischen Arbeiterbewegung sowie Arbeiter(jugend)organisationen im Wandel der Zeit dargestellt, ein extra Punkt ist dem sozialdemokratischen Widerstand mit einer Zeitzeugenbefragung gewidmet.

„Sozialdemokratische Arbeiterbewegung in der Tschechoslowakei“

ein Projekttag für junge Leute

12.05.2012 10:30 Uhr – ca. 16:30 Uhr

Bayerischer Landtag, Maximilianeum, München

Schirmherrschaft Christa Naaß (MdL)

Moderation: Elisabeth von Palugyay und Katharina Ortlepp

Anmeldungen werden bis zum 30.4. erbeten, Fahrtkosten können bei vorheriger Absprache übernommen werden.

zur AUSSCHREIBUNG

djo bayern
Bodenseestr. 5
81241 München