Mazedonien – Gleichberechtigung der Ethnien auf dem Papier

(Marcel Hagedorn)

Überblick

Die Verfassung des unabhängigen Mazedoniens wurde am 17. November 1991 mit einer knappen Mehrheit von 93 zu 86 Stimmen vom ersten demokratisch gewählten Parlament verabschiedet. Die neue mazedonische Nation startete mit einem ersten Konflikt zwischen mazedonischen und albanischen Parlamentariern. Letztere befunden die albanischen Standpunkte nicht ausreichend in der Verfassung berücksichtigt, so dass sie geschlossen gegen sie stimmten. Die albanischen Abgeordneten hatten mehr Rechte für ihre Volksangehörigen gefordert.

Der Rechtsstaat und eine liberale Demokratie finden Verankerung in der Verfassung und sie enthält alle Merkmale einer modernen Staatsverfassung, garantiert das Privateigentum, gibt Hinweise auf ein Mehrparteiensystem und die Gewaltenteilung. Auch in Mazedonien geht alle Staatsgewalt vom Volke aus.

Staatlichen Souveränität

Bereits zu Beginn der Verfassung, in Artikel 1, ist die staatliche Souveränität Mazedoniens festgeschrieben. Der Artikel dient zum einen als Existenzgrundlage des unabhängigen Mazedoniens und als verfassungsrechtliche Grundlage, von außen kommende Angriffe gegen Mazedonien abzuwehren. Zu nennen sind hier vor allem die Konflikte Mazedoniens mit Griechenland, Serbien und Bulgarien über Geschichte, Name, Kultur, Nation, Sprache und Staatssymbole.

Andererseits ist Artikel 1 Schutz für innerstaatliche Zerwürfnisse, insbesondere im Hinblick auf den Konflikt zwischen Mazedoniern und Albanern. Dennoch schrieb man Mazedonien als einen Zentralstaat fest, als, wie von albanischen Politikern gefordert, einen Bundesstaat zu formen.

Demokratie

Das Volk von Mazedonien ist Träger der inneren Souveränität und einzige Quelle der Staatsgewalt. Hier wird nicht unterschieden zwischen Mazedoniern, Albanern und Angehörigen anderer ethnischen Minderheiten, sondern gemeint ist die multinationale Bevölkerung der Republik.

Mazedonien ist eine repräsentative Demokratie, denn genau wie in Deutschland, geschieht die Ausübung der Staatsgewalt durch demokratisch legitimierte Vertreter und (das ist anders, als in Deutschland) unmittelbar durch Volksentscheide.
Das Volk wählt zum einen alle 5 Jahre den Präsidenten der Republik und zum anderen alle vier Jahre die 120-140 Abgeordneten des mazedonischen Parlaments. Eine zweite Kammer, wie der deutsche Bundesrat oder der polnische Senat, gibt es nicht. Dies ist im Hinblick auf die interethnische Konflikte besonders bemerkenswert. Während das bevölkerungsmäßig weitestgehend homogene Polen, das wie Mazedonien ein Zentralstaat ist, eine solche Regionalrepräsentation kennt, verzichtet Mazedonien auf eine Kammer, die Bedürfnisse von Ethnien oder Regionen besser vertreten könnte.
Mazedonien ist trotz Direktwahl des Präsidenten nicht als Präsidialdemokratie ausgestaltet, sondern eine parlamentarische Demokratie. Die Kompetenzen des Präsidenten beschränken sich weitestgehend auf repräsentative Aufgaben. Er ist zwar das Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der mazedonischen Streitkräfte, diese Kompetenzen bezeichnen aber nur die „formale Macht“ des Präsidenten. Eine für Präsidialdemokratien typische Einflussnahmemöglichkeit auf die Regierungsbildung existiert in Mazedonien nicht.

Wie in Deutschland sind Wahlen in Mazedonien frei, allgemein, unmittelbar, gleich und geheim.

Minderheitenschutz als Verfassungsaufgabe?

Schon die Präambel zu Beginn der Verfassung betont, dass die verschiedenen, auf dem Gebiet Mazedoniens lebenden Völker die Verantwortung für die Gegenwart und Zukunft ihres mazedonischen Vaterlands übernommen haben. Damit wird schon in der Einleitung der Verfassung die multiethnische Zusammensetzung hervorgehoben und der Auftrag an alle Ethnien erteilt, Verantwortung in der Republik zu übernehmen.
Diese Fassung der Präambel wurde allerdings erst später durch eine Verfassungsänderung eingefügt. Vorher war sie so gefasst, dass sie die mazedonische Mehrheit zum friedlichen und gleichberechtigten Zusammenleben mit den Minderheiten aufrief. Eine ganz klare Bevorzugung der Mazedonier, die über die die Minderheiten zu herrschen hatten.
Die Äußerung seiner nationalen Zugehörigkeit und das Diskriminierungsverbot deswegen sind weitere Pfeiler des verfassungsmäßígen Minderheitenschutzes.

Aussagen der Verfassung zur Amtssprache

Laut Artikel 7 der Verfassung ist das Mazedonische und die kyrillische Schrift die Amtssprache der Republik. Lokal darf auch der Gebrauch anderer Sprachen zugelassen werden. Das Verfassungsgericht Mazedoniens kippte in einigen Entscheidungen immer wieder die mazedonienweite Zulassung der Minderheitssprachen, wie beispielsweise die Mehrsprachigkeit der Formulare für die Volkszählung 1994. Nur in den Regionen, wo eine Mehrheit oder eine wesentliche Zahl einer Ethnie lebt, darf nach dem „Amtssprachenartikel“ die Sprache dieser Ethnien verwendet werden.

Erst in einer späteren Verfassungsänderung wurde der Zusatz eingefügt, dass als weitere Amtssprache zugelassen werden kann, welche von mindestens 20% der mazedonischen Bevölkerung gesprochen wird. Da der Anteil an Albanern im Jahre 2003 bei 25,17% lag, gilt heute Albanisch neben Mazedonisch als Amtssprache der Republik.

Stellungnahme

Die mazedonische Verfassung ist eine moderne, demokratische und rechtsstaatliche Verfassung, betont religiös neutral und den Minderheitenschutz in den Vordergrund stellend. Die Ausgestaltung deutet heute nicht mehr auf eine Hegemonie der mazedonischen Mehrheitsbevölkerung hin. In den letzten Jahren hat sich viel getan, was die Gleichstellung der verschiedenen Ethnien betrifft.

Bemerkenswert ist vor allem der Eingriff des Verfassungsgericht, das des öfteren Entscheidungen traf, die zu Ungunsten der Minderheiten waren. Dies lässt sich vermutlich mit der ursprünglichen Fassung der mazedonischen Verfassung erklären, die eine starke Dominanz der mazedonischen Mehrheitsbevölkerung vorsah. Diese Entscheidungen trugen oftmals allerdings auch zu Verfassungsänderungen bei.

Heute wird insbesondere die Gleichstellung und gemeinsame Verantwortung aller Ethnien, die in der Präambel und zahlreichen Artikeln direkt oder indirekt deutlich wird, vom Verfassungsgericht zur Auslegung der Verfassung herangezogen.

Auf dem Papier scheint die Gleichberechtigung aller Ethnien in Mazedonien geschafft. Wie weit dies der Wirklichkeit entspricht oder doch nur Illusion ist, davon müssen wir uns in Mazedonien ein eigenes Bild machen.

Quelle: Goran Čobanov, Verfassungsgerichtsbarkeit und Verfassungsrechtsentwicklung in Makedonien, Marburg 2009, Tectum Verlag 

Praktika im Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Warschau

Wen wir suchen:

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Was wir bieten:

Das gut ausgestattete Büro bietet PraktikantInnen einen eigenen PC-Arbeitsplatz. Die Stiftung arbeitet eng mit polnischen Wissenschaftlern zusammen, wodurch wissenschaftlichen Untersuchungen und Forschungen ideale Voraussetzungen geboten werden. Das Praktikum ist in den Fachbereichen Europapolitik und deutsch-polnische Beziehungen angesiedelt. Der Arbeitsbereich der PraktikantInnen ist jedoch nicht auf ein bestimmtes Thema festgelegt und kann vorab besprochen werden. Die Aufbereitung aktueller politischer, wirtschaftlicher und sozialer Themen sowie die Mithilfe bei der Planung, Vorbereitung und Durchführung von Seminaren und Konferenzen der Stiftung zählen zu den Grundaufgaben der täglichen Arbeit von PraktikantInnen in der Stiftung. Leider kann die Stiftung kein vertragliches Praktikumsentgelt zahlen. Eine Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Deutschland zu erhalten, ist die Beantragung von Auslands-BaföG oder eines Praktikumstipendiums beim DAAD. Mehr über uns erfahren Sie auch im Internet unter www.feswar.org.pl oder unter www.facebook.com/FESWarschau

Die Friedrich-Ebert-Stiftung kann bei der eigenverantwortlichen Organisation einer Unterkunft sowie der An- und Abreise behilflich sein.

Bei Interesse bewerben Sie sich bitte mit:

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Lebenslauf
Leistungsnachweise
ggf. Praktikums- und Arbeitszeugnissen

bei Bastian Sendhardt unter bsendhardt[at]feswar.org.pl

 

Von nationalen zu postnationalen Staatskonzepten – Eine Lösung für Makedonien und die Makedonische Frage?

(Gabriel Deutscher)

Die Makedonische Frage ist der gordische Knoten Südosteuropas. Für manche stellt sie das große Problem des Balkans dar. Zentral ist dabei die Frage nach der Nationalität. Die kulturhistorische Region Makedonien ist heute Teil dreier Staaten. Ein Teil des Gebietes ist seit 1991 als „Republika Makedonia“ ein eigener Staat. Die Nachbarländer bestreiten allerdings die Existenz einer makedonischen Nation, was der Republik erhebliche Probleme bei ihrer internationalen Integration bereitet.

Dieses Essay untersucht das Staatsverständnis Makedoniens im Lichte nationalstaatlicher und postnationaler Konzeptionen. Besonderes Augenmerk wird dabei auf das Verhältnis zu den Nachbarstaaten gerichtet. Das Essay wurde 2009 als Bericht über eine Exkursion nach Makedonien an der Universität Passau geschrieben.

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Interessen der russländischen Machteliten im Tschetschenienkonflikt

(Ruben Werchan) 

Der Frage, welche Ziele von den russländischen Machteliten im Tschetschenienkonflikt verfolgt und inwieweit diese erreicht wurden, widmet sich diese Hausarbeit. Im seit 1991 anhaltenden Konflikt kam es zu zwei Kriegen, in denen große Teile Tschetscheniens zerstört wurden, zehntausende Menschen starben und hunderttausende zu Flüchtlingen wurden. Zur Beantwortung der Frage, durch welche Entscheidung der herrschenden Eliten es zur Eskalation des Konflikts kam und welche Ziele damit verfolgt wurden, beschäftigt sich die Hausarbeit mit den Ursachen der Kriege und den Entwicklungen, die den Kriegen vorausgingen.

Erstellt wurde die Arbeit im Rahmen eines Seminars, das Russlands politisches System und Außenpolitik im Kontext einer globalisierten Welt betrachtete, an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

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