Gastarbeiter, Quellwasser und Gastfreundschaft – Eine Rucksacktour durch Südosteuropa

(Kristin Kretzschmar)

In der Vorbereitung einer Rucksacktour befindet man sich irgendwann an dem Punkt, dass man zwischen T-Shirt und Reiseliteratur abwägen muss. Jedes Gramm im Rucksack will ja auch getragen werden. Ich war zwei Stunden vor Abreise an diesem Punkt: sollte ich Seneca – Das Leben ist kurz oder ein weiteres Trekking Shirt einpacken? Seneca hat gewonnen. Wie sich später herausstellte, war das auch gut, denn Bücher sind unter Rucksacktouristen beliebte Tauschmittel.

Kristin Kretzschmar bereiste mit Rucksack und Zelt Südosteuropa.

Im Sommer 2012 machte ich mich von Berlin auf, um Südosteuropa zu bereisen. Einen genauen Plan hatte ich nicht, aber einige Anhaltspunkte: das Guca Festival, das Retezat-Gebirge, Cluj-Napocca, Tetovo und Tiraspol. In zwei Monaten sollte das alles zu machen sein. Mein Plan war es auf Reiseführer zu verzichten. Lieber wollte ich mir von anderen Reisenden und Einheimischen die Highlights empfehlen zu lassen. Außerdem habe ich mich auch gegen die Rail Way Pässe entschieden: Das wahre Leben findet man abseits der Schiene.
Ende Juli machte ich mich auf den Weg nach Belgrad, wo das große Abenteuer beginnen sollte.

In den folgenden Berichten, möchte ich meine Tour für LerserInnen nacherlebbar machen. Dabei liegt der Fokus nicht auf den Sehenswürdigkeiten und Jahreszahlen, denn hierbei könnte ich weder Vollständigkeit in Anspruch nehmen, noch wäre der Mehrwert vorhanden: Es gibt zahllose Wikis mit Reiseinformationen. Vielmehr geht es um meine individuellen Eindrücke und Erfahrungen.

Während der Reise stieß ich auf verschiede wiederkehrende Motive, die sich auch in mehreren der Berichte finden. So traf ich auf viele (ehemalige) Gastarbeiter. Diese erzählten nicht ohne Stolz wo sie in Deutschland gearbeitet haben und präsentieren ihre Deutschkenntnisse. Des Weiteren stieß ich durchgängig auf grenzenlose Gastfreundschaft. Zunächst nutzte ich Couchsurfing, um in Städten Unterschlupf zu finden. Auf dem Land, wo Couchsurfing nicht so verbreitet ist, wollte ich zelten. Doch oft war mein Zelt unnötig, da mich Einheimische in ihr Haus einluden. Ein weiteres bestimmendes Motiv war „das weltweit beste Quellwasser„. In ihrer grenzenlosen Gastfreundschaft teilten die Einheimischen ihre wertvollsten Güter: Gemüse aus dem Garten, zeigten mir die Trinkwasserquellen im Felsen (stets mit dem Hinweis, es sei das beste Wasser und irgendein großer Konzern möchte es bald kommerziell nutzen) und natürlich auch den daraus gebrannte Rakia und Palinka. Ein Weiteres Motiv war die Musik. Zunächst war eines der geplanten Ziele das Guca Festival, um mich hier von den Klängen des Balkans verzaubern zu lassen. Doch auch abseits des Festivals traf ich immer wieder auf einheimische Musiker.

Letztendlich reiste ich etwa 4500 km, einige Anhaltspunkte bietet die Karte. In meherern Teilen werde ich in den nächsten Wochen von den einzelnen Zielen berichten.


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Das Community Development Institute in Tetovo

(Kristin Kretzschmar)

Das  Community Development Institute in Tetovo (CDI) besteht seit nunmehr 15 Jahren und wurde durch den jetzigen Direktor Sreten Koceski gegründet. In diesem Bericht sollen die Eindrücke und Inhalte eines Treffens mit Vertretern des CDI im Oktober 2012 wiedergegeben werden.

Zunächst gab uns der Mitarbeiter Damir Neziri eine Einführung in die interethnischen Beziehungen in Mazedonien, besonders mit Blick auf die Lage in Tetovo und die Arbeit des CDI. Hierbei warf er auch die Frage auf, ob die bewaffneten Auseinandersetzungen 2001 ein Bürgerkrieg oder ein Aufstand der albanischen Minderheit waren. Schon bei dieser Frage wurde deutlich, wie viel Bedeutung Terminologie in Mazedonien hat: Man spricht nicht von Minderheiten sondern von „non-majority groups“, also Nicht-Mehrheiten.

Sreten Koceski spricht über die Probleme der CICRs. Bild: Kristin Kretzschmar

Unabhängig von der genauen Bestimmung der Art der Auseinandersetzung, stellt das Jahr 2001 einen Meilenstein in der Arbeit des CDI dar. So scheint es, dass sich das CDI zuvor noch in einer Selbstfindungsphase befand. Mitte der 1990er Jahre gab es in Mazedonien kaum Erfahrungen mit Nichtregierungsorganisationen: „There was kind of an empty space and were eager to fill it and find out how it works with projects and funding.“ Während in den ersten Jahren Unterstützung von vielen Seiten kam, nimmt dies immer weiter ab. Momentan werden die Projekte des CDI unter anderem durch die FES und den Deutschen Volkshochschul-Verband unterstützt.

Danach gab uns der Gründer und Direktor des CDI Sreten Koceski einen Überblick über die aktuellen Tätigkeiten. Fokus lag in seiner Präsentation auf den sogenannten Committees for Inter-Community Relations (CICR), da sich der Arbeitskreis schon zuvor mit diesen beschäftigt hatte. Hierbei handelt es sich um ständige Beiräte der Gemeinderäte in Bezug auf interethnische Beziehungen. Die Einrichtung eben dieser ist seit 2002 verpflichtend in Gemeinden, in denen mindestens eine der Nicht-Mehrheitsgruppen einen Anteil von 20 % erreicht. Inzwischen wurden CICRs in 20 Gemeinden und Skopje eingerichtet und decken somit mehr als die Hälfte der Bevölkerung Mazedoniens ab. Die Beiräte wurden eingerichtet um den Minderheitenschutz auf der lokalen Ebene abzusichern. Lokale Entscheidungen, die die Nutzung von Sprache oder Symbolen betreffen, müssen mit den CICRs abgesprochen werden. Dies betrifft beispielsweise die Umbenennung von Straßen oder öffentlichen Einrichtungen. Die CICRs geben in diesen Fragen dann nicht-verbindliche Entscheidungen an die Gemeinderäte. Die Mitglieder der CICRs werden gewählt.

Unterschied zu den Gemeinderäten ist, dass sie eben nicht die Vertreter einer Partei oder politischen Ideologie sind, sondern Vertretern einer Ethnie. In den letzten Jahren hat sich allerdings gezeigt, dass die CICRs leider nicht dem Anspruch die Kommunikation zwischen den Ethnien zu verbessern, gerecht werden konnten. In einigen Fällen wurden die CICRs in Entscheidungen übergangen. In anderen Fällen konnten die CICRs nicht arbeiten, da kein institutionelles Gedächtnis aufgebaut wurde und die Mitglieder nicht ausreichend auf ihre Aufgaben vorbereitet wurden.

Besuch des CDI. V.l.n.r.: Stefan Schneider (Praktikant der FES Skopje), Benedikt Paulowitsch, Marcel Hagedorn, Ruben Werchan, Michael Meissner, Tobias Endrich und Damir Neziri. Bild: Kristin Kretzschmar

Genau in diesen Bereichen versucht das CDI einzuspringen und bietet beispielsweise Training und Foren zum Austausch zwischen Mitgliedern der CICRs in verschiedenen Gemeinden an. Da CICRs erst verpflichtend werden wenn eine ethnische Gruppe mehr als 20% der Bevölkerung einer Gemeinde ausmacht, kam die Frage auf, warum 2011 der Zensus abgebrochen wurde. Eine endgültige Antwort darauf konnten wir nicht finden. Allerdings äußerte Damir Kritik an der „magischen Zahl“ 20. Diese sei eine „Wurzel weiterer Teilung“.

Der Anteil spiele im Zusammenleben keine Rolle, da die Rechte eines jeden Einzelnen geachtet werden müssen. „Wir sind Geißeln der Prozente. Es ist egal ob 19,9 % oder 26 % – wir müssen einen Weg finden friedlich zusammenzuleben.“ Leider ist das Alltagsleben weiterhin stark entlang ethnischer Linien geteilt. Auch wenn es gemischte Schulen gibt, heißt das nicht, dass Mazedonier gemeinsam mit Albanern in einer Klasse sitzen. Die Klassen sind weiterhin geteilt und werden teilweise sogar im Schichtsystem unterrichtet um Konflikte auf dem Schulhof zu vermeiden. Ähnliches gilt für die Nutzung der Sprache: Albaner lernen zwar Mazedonisch, aber kaum ein Mazedonier lernt Albanisch. Ältere Menschen sprechen häufig noch beide Sprachen; jüngere sehen die Sprache der jeweils anderen Ethnie oft als „enemy“.

Die unflexible 20% Lösung des Ohrider Rahmenabkommens hat die sprachliche Trennung weiter vertieft. De facto handelt es sich in Mazedonien um eine geteilte Gesellschaft, doch eine Teilung würde mit Sicherheit zu blutigen Konflikten führen. Sich dessen bewusst kommt es immer wieder zu Friedensbewegungen. Im Mai versammelten sich Bürger aus dem ganzen Land, verschiedenen Ethnien angehörig, in Skopje, um einen „March for Peace“ zu veranstalten und den Willen zum friedlichen Zusammenleben offen zu zeigen. Leider versiegen diese Bewegungen meistens sehr schnell.

Gespräch mit Vertretern der Gemeinde von Tetovo

(Marcel Röthig)

Wir trafen uns in der Gemeindeverwaltung mit Beratern des Bürgermeisters von Tetovo aus den Bereichen PR, Protokoll und Öffentlichkeitsarbeit. Die Verwaltung umfasst drei Sektoren (Kultur, Sport und Bildung; Infrastruktur sowie Steuern und Investitionen). Das Kabinett berät den Bürgermeister in ethnischen Fragen und hat eine multiethnische Zusammensetzung. Zudem gibt es einen multiethnischen Gemeinderat mit 41 Mitgliedern und einem Ausschuss für ethnische Fragen.

Der AK Osteuropa gemeinsam mit Vertretern der Gemeindeverwaltung. Bild: Tijana Angjelkovska

 

Während der Diskussion gab es Kritik am laufenden Dezentralisierungprozess, der laut den Gesprächspartnern als unvollständig und hinderlich für die Arbeit der Stadt angesehen wird. So gingen alle Steuern direkt nach Skopje und werden von dort aus umverteilt und Tetovo habe keine eigene Finanzhoheit. Zudem gäbe es keine bedarfsorientierte Verteilung derFinanzen, da alle Gemeindefinanzen gleich verteilt werden.

Weiterhin gab es Diskussionspunkte zur Integration der Roma-Minderheit, die in Tetovo 4 Prozent umfasst. Hierzu gäbe es Sensibilisierungsbemühungen an den Schulen. Besonders positiv für das multiethnische Zusammenleben wurde die Funktion des Sports gewürdigt. So gäbe es multiethnische Sportturniere und Infrastrukturprojekte zur Stärkung des Sports bewertet. Kritisiert wurde das umstrittene Projekt Skopje 2014. Hierbei wurde der Vorwurf erhoben, die Deutsche Bank würde dieses mit einem Kredit in Höhe von 800.000 Euro mitfinanzieren. Laut späterer Aussage von Botschafterin Steinacker zu diesem Punkt liegt hier ein fehlendes Verständnis der Deutschen Bank vor. Diese sei eine Geschäftsbank und keine staatliche Institution, könne also ohne politische Zustimmung jederzeit solche Kredite vergeben.

Während der Diskussion wurden zudem die Intervention der NATO und besonders die Beteiligung der Bundeswehr mit 800 Soldatinnen und Soldaten im Jahr 2001 gewürdigt und der Wunsch nach einem baldigen Beitritt Mazedoniens zu EU und NATO geäußert. Dabei wurde auch Kritik an der mazedonischen Regierung deutlich, die sich nicht ausreichend um eine euro-atlantische Integration bemühe. Zudem wurde der exklusive und nationalistische Politikstil, der die multiethnischen Spannungen gefährlich anheize, als spaltend beschrieben. Die Situation in Tetovo kann nach wie vor als kritisch betrachtet werden. Im Anschluss daran gab es auf Einladung der Gemeindeverwaltung ein Mittagessen.

 

 

 

 

 

 

 

Treffen mit VertreterInnen der Sozialdemokratischen Union Mazedoniens

(Marcel Hagedorn)

Den Ausklang des Programms in Mazedonien bildete ein Treffen der Stipendiaten mit Vertretern der Sozialdemokratischen Union Mazedoniens (maz.: Socijaldemokratski Sojuz na Makedonija, kurz: CДCM). Die Stellvertretende Parteivorsitzende Anna Pawlowska-Danewa stellte sich den durchaus kritischen Fragen. Ein weiterer Vize und die Sekretärin für Internationales waren auch zugegen, schienen jedoch nur schmuckes Beiwerk zu sein – Anna Pawlowska-Danewa gab souverän die Einleitung und antwortete auf sämtliche Fragen

VertreterInnen des stipendiatischen Abrbeitskreies Osteuropa der FES mit VertreterInnen der SDSM.

Die SDSM hat nach dem Bürgerkrieg in Mazedonien 2001 die Ohrider Rahmenvereinbarung mitunterzeichnet. Diese sah weitreichende Verfassungsänderungen vor, so eine paritätische Beteiligung der albanischen Minderheit an Kommunalverwaltungen in Gemeinden mit über 25% albanischen Einwohnern, Anerkennung ihrer Sprache als Amtssprache in diesen Gebieten und generell eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung.

„It’s less perfect than on paper“, so Pawlowska-Danewa. Die Gleichstellung aller ethnischen Gruppen ist noch längst nicht abgeschlossen und wird ein zentrales Thema künftiger Regierungen sein. Dies liegt vor allem an der unterschiedlichen Auslegung des Abkommens. Albaner fordern weitere Rechte auf Grundlage des Abkommens, Mazedonier sehen es als umgesetzt an.

Die SDSM wird den mazedonischen Parteien zugeordnet, sie sieht sich selbst hingegen als multiethnische Partei. Immerhin 20% ihrer Mitglieder entstammen einer ethnischen Minderheit. Von Albanern werde sie trotzdem selten gewählt, höchstens von albanischen Akademikern und Gebildeten. Daher habe man für die kommenden Kommunalwahlen eine Zusammenarbeit mit der nationalistischen DPA beschlossen. Im zweiten Wahlgang sollen Bürgermeisterkandidaten der DPA unterstützt werden, wenn der eigene Kandidat keine Mehrheit erreicht hat. Anna Pawlowska-Danewa betonte, dies sei eine rein technische Zusammenarbeit, keine programmatische.

Das Ziel sei natürlich, irgendwann nur noch eine sozialdemokratische Kraft in Mazedonien zu haben, aber aufgrund des Wahlverhaltens der albanischen Minderheit ist dies in naher Zukunft nicht denkbar. Daran ändern auch keine albanischen Kandidaten auf SDSM-Listen, meint die Parteivize. Programme oder Initiativen, um dieses Ziel zu erreichen gibt es nicht.

Die SDSM befindet sich momentan in der Opposition. Es ist ungeschriebenes Recht, dass die Regierungskoalition aus einer der großen mazedonischen Parteien und aus eine der kleinen albanischen Parteien besteht. Seit 2008 regieren die konservative VMRO-DPMNE mit der marxistischen DUI. In dieser Rolle setzt sich die SDSM entschieden gegen das von dieser Regierung beschlossene Städtebauprogramm „Skopje 2014“, welches in Skopje in einem Umfang von 500 Millionen Euro in den Bau von Denkmälern mazedonischer Persönlichkeiten, Fassadenrenovierung und Stadtverschönerung investiert. Das Problem an Skopje 2014, so Pawlowska-Danewa, ist nicht nur, dass das Geld besser zur Armutsbekämpfung eingesetzt wäre, sondern die Stadt auch weiter spaltet. Auf der Seite der Flusses Varda, der durch Skopje fließt, in dem die mazedonische Bevölkerung in der Mehrheit ist, werden vor allem mazedonische Berühmtheiten aufgestellt – auf der albanischen Varda-Seite kleinere Monumente albanischer Helden. „If SDSM is on gouvernment after the next elections, Skopje 2014 will be stopped“, versprach sie. Dennoch ist schon ein Großteil des Geldes investiert.

Gegen das Projekt gibt es bislang keine größere Bürgerbewegung. Die Bürger befürchten, nicht ein genügend großes Echo in den beeinflussten Medien zu bekommen. Kleinere Proteste finden dienstags statt, es wird allerdings nur von den Veranstaltungen berichtet, die für das Projekt sind

Zentrale der SDSM in Skopje. Bild: Marcel Röthig

Wenn die SDSM die nächste Wahl gewinnt, will sie nicht nur Skopje 2014 stoppen, sondern auch die Korruption bekämpfen und sich für eine bessere wirtschaftliche Situation des Landes einsetzen. Außerdem will sie freie Medien ermöglichen. Ihr zentrales Ziel sei es aber, mit der DPA eine erneute Koalition zwischen VMRO-DPMNE und DUI zu verhindern. Inhalte spielen offenbar keine große Rolle in der nächsten Legislaturperiode des mazedonischen Parlaments. Zentrale Projekte oder Visionen konnte die Vize nicht nennen.

Auch ihr Konzept zur Armutsbekämpfung scheint nicht ganz ausgereift zu sein. Es sei genügend Geld vorhanden, nur falsch verteilt, so in Skopje 2014. Die Armut werde zurückgehen, wenn endlich Rechtssicherheit herrsche, die Bürokratie abgebaut werde  und sich so Investoren für Mazedonien finden. Auch die Steuereinziehung müsse effektiver gestaltet werden.

So verspricht sich die SDSM auch die Sozialhilfeleistungen ausbauen zu können.

„Das größte Problem in Mazedonien ist nicht die multiethnischen Bürger, sondern die Politiker.“ sagte ein junger Albaner. Und er scheint recht zu haben. Der Besuch wirkte mehr als geschauspielt. Die Parteivize präsentierte sich als von einer neuen, jungen Generation von Politikern entsprungen und stellte ein Wischi-Waschi-Programm ihrer Partei vor. Die SDSM gehört eben zum Establishment – die aus der ehemaligen kommunistischen Regierungspartei hervorgegangene Partei macht nicht den Eindruck, wirkliche Reformen für Mazedonien auf den Weg bringen zu wollen. Ausweichende Antworten auf kritische Nachfragen und nicht zuletzt auch die beiden Ferraris hinter der Parteizentrale in Skopje festigten diesen Eindruck.

Nach dem Besuch der SDSM scheint tatsächlich nur eine neue Partei Hoffnung für Mazedonien zu versprechen. Eine wirkliche Alternative, die ernsthaft Reformen auf den Weg bringt, vielleicht wie die Sozialdemokraten in Polen, die das Land aufbauten und auf starke Füße stellten – zum Preis der Bedeutungslosigkeit heute.

 

Jura studieren in Prag – ein Erfahrungsbericht

(Tobias Endrich)

Studieren und Unileben

Foto: wikimedia commons

Erasmuskurse

Für Erasmusstudenten bietet die Uni englischsprachige Kurse an. Diese decken ein breites fachliches Spektrum ab. Hier wird allerdings vor allem Wert auf europäische Bezüge und auf den Vergleich mit den „Heimatrechtsordnungen“ der Kursteilnehmer gelegt, was sich natürlich auch anbietet. Die Kontaktaufnahme zu tschechischen Studenten wird dadurch nicht sonderlich gefördert, aber da die wenigsten „Erasmaci“ Tschechisch sprechen, ist dieses System eine Notwendigkeit.

Schwerpunkt – Uni Passau

An der Universität Passau besteht die Möglichkeit, ein 2-semestriges Auslandsstudium als Schwerpunkt (Universitätsprüfung) anerkennen zu lassen, wenn entsprechende Studien- und Prüfungsleistungen erbracht wurden. Mit der Karls-Universität Prag besteht eine diesbezügliche Vereinbarung, was gewisse Rahmenbedingungen absichert.  Die Prüfungsleistungen müssen in tschechischer Sprache erbracht werden, auch die Lehrveranstaltungen sind auf Tschechisch. Die konkrete Ausgestaltung erfolgt dann vor Ort. So konnte ich verschiedene Lehrveranstaltungen in unterschiedlichen Jahrgängen besuchen und einen kleinen Einblick in das tschechische Jurastudium gewinnen.

Jurastudium in CZ

Auffällig ist dabei, wie viel Wert auf einen historisch/abstrakten Vorbau gelegt wird. Im ersten Jahr kommen die Studenten kaum mit praxisrelevanten Gebieten in Kontakt und jede Vorlesung und jedes Lehrbuch beginnt zunächst mit einer historischen Einführung. Das ist aus deutscher Sicht gewöhnungsbedürftig, aber für Leute mit juristischen Vorkenntnissen (insbesondere wegen des häufigen Bezugs auf eine gemeinsame Rechtsgeschichte) durchaus bereichernd.

Der praktische Bezug ist insgesamt eher dürftig. Es wird vergleichsweise wenig mit dem Gesetz gearbeitet, Fallbearbeitung spielt selten eine Rolle. Der Schwerpunkt liegt auf abstraktem Wissen, das oft ohne den Gesetzestext in mündlichen Frageprüfungen abgefragt wird. Das Erstellen von Texten oder gar Gutachten beginnt eigentlich erst mit der Diplomarbeit. Der didaktische Ansatz der Dozierenden in den Übungen/Seminaren ist aber unterschiedlich. Strafrecht und insbesondere Arbeitsrecht wurde in meinem Fall auch an Hand kleiner Fälle gelehrt.

Es verwundert bei dem m.E. praxisfernen Studium nicht, dass viele Studenten die Chance nutzen, früh in Kanzleien zu arbeiten. Ab dem dritten Studienjahr ist ein Studentenjob Gang und Gäbe, er weitet sich oft zum Vollzeitjob aus. Neben der Sammlung von Erfahrung scheinen aber auch die Kanzleien ganz gut von der preiswerten Arbeit zu profitieren.

Auch deutsche Studenten können übrigens die vorlesungsfreie Zeit ganz gut mit Praktika füllen – deutsche Kanzleien in Prag (dank gezieltem Sponsoring an der Uni kann man sie nicht übersehen) ermöglichen auch Studenten, die kein Tschechische sprechen, Berufserfahrung in der goldenen Stadt.

Was mir öfter begegnete sind Doppelstudien, wobei sogar die Paarung Medizin-Jura machbar sein soll. Das Rechtsstudium lässt sich durch Planung und Fleiß scheinbar gut meistern.

Etwas überraschend, aber nicht verwunderlich, ist die Ausstattung der Uni-Bibliothek, die für deutsche Verhältnisse sehr überschaubar ist und einen großen Anteil ausländischer Literatur aufweist. Nachdem aber wahrscheinlich einzelne Bundesländer mehr juristische Lehrstühle aufweisen als ganz Tschechien, ist das nicht wirklich verwunderlich. Und der Übersichtlichkeit schadet es sicher nicht. Die Bibliothek ist übrigens trotz der vergleichsweise niedrigen Sitzplatzanzahl außerhalb der Prüfungszeiten (jeweils letzter Semestermonat, vorlesungsfrei) nie überfüllt.

Unileben

In Gebäude der Fakultät selbst befindet sich ein Fitnessstudio, es wird eine ganze Reihe von Sportkursen über die Karls-Universität angeboten.

Die Mensa ist preiswert (Suppe und Hauptgericht mit Beilage unter 2 EUR) und schnell. An der Uni sind unterschiedliche Vereinigungen vertreten, z.B. VSEHRD, elsa  oder der Prager deutsche Club.

Diese veranstalten Vorträge, Konzerte, aber auch glamouröse Bälle, die dann tatsächlich wenig studentenhaft sind (aber wer dem Justizminister beim Polka-tanzen auf die Füße treten will, kann das dort tun).

Leben in Prag

Wohnen

Den Erasmus-StudentInnen wird recht unkompliziert ein Platz in einem Wohnheim (kolej) vermittelt. Die Mieten dort sind dem Wohnstandard angemessen. Achten sollte man allerdings auf die Anfahrtswege in die Innenstadt,

die goldene Stadt ist auch gerne mal grau
Foto: Tobias Endrich

die durchaus im normalen Großstadtniveau pendeln können. Auch, ob man sich ein Zimmer teilt oder nicht, sollte man vorher abklären. Der Vorteil eines Wohnheims liegt auf der Hand – das soziale Leben kommt nicht zu kurz. Hier liegt auch ein kleiner Nachteil, denn durch die Zentrierung von ausländischen Studenten ist die Gefahr sehr groß, dass man hauptsächlich Englisch spricht. Aber auch das macht ja den Reiz eines Erasmusjahres aus, nicht nur das Zielland, sondern auch Studierende aus aller Welt kennen zu lernen.

Im privaten Bereich lohnt sich eine frühzeitige Suche, ab 200 EUR aufwärts lassen sich durchaus schöne Kämmerchen finden.

Leben

Die Lebenshaltungskosten im Bereich Lebensmittel entsprechen denen in Deutschland. Vor allem im Servicebereich kommt man aber viel billiger weg, das heißt Essen- oder Kaffetrinken-Gehen kann man u.U. öfter als gewohnt. Die Kneipenkultur in Prag ist eine nähere Betrachtung wert, am besten lässt man sie sich von „Einheimischen“ zeigen und meidet die 08/15-Turi-Absteigen.

Im Sommer laden unzählige Parks zum Entspannen ein – der Letná-Park in Sichtweite der juristischen Fakultät mit seiner Aussicht über die gesamte Altstadt hat bei mir nicht nur einmal für eine „unfreiwillige“ Freistunde gesorgt. Die juristische Fakultät liegt überhaupt malerisch an der Moldau und der tägliche Weg zur Uni war definitiv der schönste „Schulweg“, den ich je hatte.

Kulturell bietet Prag zu viel, als dass es Sinn machen würde, hier eine beispielhafte Aufzählung zu beginnen. Hinweisen möchte ich aber auf Fülle an deutschsprachigen Events, v.a. das Goethe-Institut sorgt dafür, dass der deutsche Film und auch deutschsprachiges Theater gut vertreten sind.

Verkehr

Als absoluter Knotenpunkt bietet sich der Prager Hauptbahnhof für Tages- und Wochenendausflüge an jeden beliebigen Ort in Tschechien an. Für Deutsche (noch) ungewohnt: private Unternehmen bieten preisgünstige und komfortable Busverbindungen an.

Für diejenigen, die sich gerne mit dem Fahrrad von A nach B bewegen, ist Prag nichts – aber mit dem zuverlässigen ÖPNV kann man gut leben. Ein Studententicket kostet weit weniger als 40 EUR für 3 Monate (!) und die Nachttrams fahren ununterbrochen halbstündlich.

Foto: wikimedia commons

ISIC

Absolut empfehlenswert ist gleich zu Beginn die Beantragung einer ISIC-Karte an der Fakultät – sie ersetzt den Studentenausweis/Bib-/Mensakarte und ist Teil der Fahrkarte, insbesondere aber lassen sich die Vergünstigungen übers Jahr gerechnet wirklich sehen, v.a. im Buchhandel.

 

Links

Weitere Erfahrungsberichte findet man z.B: hier: juristische Fakultäten der Uni München, Uni Osnabrück

Zur Homepage der juristischen Fakultät der Karls-Universität Prag