Im Herzen des Kreml

(Liana Fix) Es herrscht Winter. Nicht nur in Moskau, sondern auch in den deutsch-russischen Beziehungen. Nach dem umstrittenen Urteil im Prozess um Pussy Riot verfasste die CDU/CSU-Bundestagsfraktion einen Entschließungsantrag, der die Menschenrechtslage in Russland scharf kritisierte. Erzürnt erklärte das russische Außenministerium daraufhin den Beauftragten der Bundesregierung für deutsch-russischen zivilgesellschaftlichen Dialog, Andreas Schockenhoff, zum unerwünschten Gesprächspartner. Die Wellen der Empörung schlugen hoch.

Zwei Tage vor Beginn der Konsultationen breche ich auf nach Moskau, um als junge Delegierte am Petersburger Dialog teilzunehmen. Der Petersburger Dialog wurde vor zwölf Jahren von Schröder und Putin – verbunden in enger Männerfreundschaft – als Forum für zivilgesellschaftlichen Austausch zwischen Deutschland und Russland gegründet. Die Ergebnisse werden den Regierungschefs beider Länder zu Beginn der Konsultationen vorgetragen. Aber wie viel bringt so ein „talking shop“?

Ich bin Mitglied der Arbeitsgruppe Politik. Hochrangige Politiker aus dem Auswärtigen Ausschuss der Duma, des deutschen Bundestages und des Europäischen Parlaments sind vertreten, zusammen mit Akademikern und Think Tankern. Die Diskussion verläuft gut, bis das Thema Eurokrise aufkommt. Selbstbewusst spielen die Russen die „Asian card“: Wenn die EU ihre Finanzen nicht in Ordnung bringe, müsse man sich verstärkt nach Asien orientieren. Deutsche Vertreter halten dagegen und werfen Russland Schadenfreude vor. Russland solle sich erst einmal um seine demokratische Entwicklung kümmern. Die ersten fangen an mit ihren Handys zu spielen. Die Diskussion endet konfrontativ, aber: man hat sich ausgesprochen.

Der Petersburger Dialog wird von vielen Seiten als zu staatsnah und politisch kritisiert. In der Tat, es ist keine unabhängige zivilgesellschaftliche Veranstaltung. Das zeigt sich alleine schon an den Personalien der Vorsitzenden: Auf deutscher Seite Lothar de Maizière, ehemaliger Ministerpräsident der DDR, auf russischer Seite Viktor Subkow, ehemaliger stellvertretender Premierminister. Gleichzeitig sichert das aber auch die politische Relevanz des Dialogs. Wann sonst haben zivilgesellschaftliche Vertreter die Gelegenheit, kritische Fragen so direkt an die Staatsoberhäupter zu richten? Es ist ein Balanceakt, der jedes Jahr neu ausgehandelt werden muss.

Das Abschlusstreffen des Petersburger Dialogs findet dieses Jahr im Kremlpalast statt. Merkel ist gut in Form. Die Fragen aus dem Publikum richten sich fast alle an sie und es geht immer wieder um die Kritik aus Deutschland. Sie pariert sie gekonnt, fast schon kess, und spricht zur Überraschung aller Pussy Riot und weitere umstrittene Gesetze an. Kritik müsse man aushalten, gerade unter Freunden. Wenn sie immer gleich eingeschnappt wäre bei all der Kritik, die sie erhält, könne sie sich keine drei Tage im Amt halten. Und es sei ja auch kein Geheimnis, dass der russische Präsident auch nicht auf den Mund gefallen sei. Das ist direkt, aber nicht unfreundlich.

Putin sieht nicht gut aus. Gerüchte machten die Runde, dass er gesundheitlich angeschlagen ist, sich eventuell beim Judo verhoben hat. Für einige Spitzen reicht es aber noch. Deutschland sei ja nur noch zweitwichtigster Handelspartner Russlands, nach China. Und nach wirtschaftlichen Maßstäben müsse man die gesamte EU als Kartellvereinigung bezeichnen – eine Anspielung auf das EU-Kartellverfahren gegen Gazprom. Die Kanzlerin lächelt gequält. Später gibt es jedoch noch ein zweideutiges Kompliment. Auf die Ausführungen Merkels, dass es ja nicht „den Deutschen“ und „den Russen“ gäbe, entgegnet Putin, dass es aber „die Deutsche“ gibt. Und das sei die Bundeskanzlerin. Gelöstes Gelächter. Merkel und Putin sind sich in herzlicher Abneigung verbunden.

„Wenn nichts passiert, wird das explodieren!“

(Gabriel Deutscher)

Zum Auftakt unserer Studienreise in Mazedonien trafen wir uns mit dem lokalen Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Skopje, wo uns dessen Leiter Dr. Heinz Bongartz, ein sympathischer Rheinländer in Jeans und Poloshirt, sowie seine Mitarbeiterinnen Nita Starova und Jasmina Chukalkovska begrüßten. In den modernen Räumen im zweiten Stock eines Bürokomplexes am Rande der Skopjoter Innenstadt  arbeiten fünf lokale Projektkoordinatoren und ein Logistiker und ein Praktikant, um im Sinne der FES Demokratie, Frieden und Entwicklung zu Fördern und Globalisierung sozialverträglich zu gestalten. In Mazedonien heißt dies vor allem, das demokratische System durch politische Bildung von Multiplikatoren zu stärken, die Partizipationsfähigkeit von Minderheiten zu erhöhen und durch frühzeitige Prävention neuen Konflikten entgegenzuwirken.

Dr. Bongartz führte uns in einer offenen Diskussion zunächst in die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Lage Mazedoniens ein. Die Beziehungen des jungen, erst seit 1991 unabhängige Staates zu seinen Nachbarn sind noch immer von Spannungen geprägt. Insbesondere der „Namensstreit“ mit Griechenland behindert die Integration in die NATO und die Europäische Union. Bongartz machte deutlich, das die griechische Position zwar für Mazedonien problematisch ist, doch „die Griechen sind nicht Schuld.“ Streitpunkt sei die politische Identität von Staaten und auf beiden Seiten fehle der politische Wille für einen Kompromiss.

Innenpolitisch seien jedoch die interethnischen Beziehungen, die im Fokus unserer Reise stehen, das Hauptproblem. Ausgangspunkt sei der beginnende Bürgerkrieg 2001, bei der albanische Kämpfer der UČK für mehr Rechte der albanischen Minderheit gegenüber der mazedonischen Mehrheit kämpften. Dank internationaler diplomatischer Intervention und friedenserhaltender Maßnahmen konnte der offene Konflikt im Rahmenabkommen von Ohrid beigelegt werden, das insbesondere die Beteiligung der albanischen Bevölkerung an gesamtstaatlichen Entscheidungen, weitgehende Rechte in der lokalen Selbstverwaltung und die Gleichstellung beim Zugang zum öffentlichen Dienst und im Bildungswesen regelte. Doch die Spannungen flammten insbesondere im Frühjahr dieses Jahres wieder auf, als ein mazedonischer Polizist zwei junge Albaner erschoss. Hierauf kam es zu Ausschreitungen in Schulen und fünf Mazedonier wurden unter ungeklärten Umständen ermordet.

Die wirtschaftliche Situation Mazedoniens beschreibt Bongartz als sehr kritisch. Die Arbeitslosigkeit beträgt über 30%, die Jugendarbeitslosigkeit sei mit 65% noch deutlich höher. Seit Anfang des Jahres seien die Lebensmittelpreise, insbesondere für Brot und Milch, deutlich gestiegen. Ungefähr 20% der Bevölkerung lebe unter der Armutsgrenze. Erschwerend komme die steigenden Energiepreise hinzu.

Bongartz kritisiert die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Regierung. Statt wirtschaftliche Reformen voranzutreiben, investiere die Regierung in das Megaprojekt Skopje 2014, mit dem der Mythos eines antiken Mazedonien verkörpert werden soll. Alleine für dieses Projekt habe der Staat einen Kredit über 240 Mio. EUR mit einem sehr hohen Zinssatz aufgenommen. Der Staat sei derzeit kaum noch zahlungsfähig und die Fälligkeit des ersten IWF-Kredits 2015 könnte zur endgültigen Insolvenz führen. Die qualifizierten jungen Leute wandern aus, zurückbleiben rund 100.000 Arbeitslose, die als nicht beschäftigungsfähig gelten – bei einer Gesamtbevölkerung von 2 Millionen Einwohnern. „Wenn nichts passiert, dann wird das explodieren“, so Bongartz.

Die Politische Kultur Mazedoniens leidet unter dem Erbe des Sozialismus und der Transformationsprozess ist noch lange nicht abgeschlossen. Zwar sei formell das Skelett eines demokratischen Staates vorhanden, doch das System selbst beruhe auf Korruption, Nepotismus und einer Kultur der Angst. Seit der Cousin des Regierungschefs Leiter des Geheimdienstes ist, müssten Oppositionelle damit rechnen, dass nicht nur sie selbst aus allen Stellen des Staatsapparates ausgeschlossen würden, sondern auch ihre Verwandten. Nicht von ungefähr vergleicht Bongartz das System mit anderen osteuropäischen Autokratien. Es herrsche ein Top-Down-Denken, in dem ausschließlich bedingungslose Loyalität zähle. Das politische Leben sei von einem Lagerdenken geprägt, in dem Wahlkampf als Krieg verstanden würde. In ihrem Willen, Pfründe für die eigenen Anhänger zu sichern und sich selbst zu bereichern, würden sich die konservative VMRO und die postsozialistische SMDP untereinander genauso wenig unterscheiden, wie die drei albanischen Parteien.

Ein grundsätzlicher Wandel sei nur eine Graswurzelbewegung zu erwarten. „Aus Movements können Parteien werden“, hofft Bongartz, doch bisher fehlen Persönlichkeiten die eine solche Bewegung tragen könnten und Ideen, die Veränderung bringen. Eine Schlüsselrolle habe dabei die Zivilgesellschaftsförderung, insbesondere durch die EU.

Keiner will mehr Krieg auf dem Balken, doch die Situation, so unser erster Eindruck ist weniger ruhig, als man angesichts der fehlenden Medienberichterstattung in Deutschland annehmen könnte. Hieran kann auch das Abendessen mit jungen aufstrebenden Parteifunktionären, Teilnehmern der politischen Akademie der Friedrich-Ebert-Stiftung und Absolventen des internationalen  Parlamentsstipendiums des Bundestags nichts ändern. Auch hier stoßen wir auf interethnische Vorbehalte, auf Ratlosigkeit gegenüber der wirtschaftlichen Situation und auf fehlende Kompromissbereitschaft gegenüber anderen politischen Meinungen. Der Abend vermittelt die Lebensfreude der Menschen, für die Politik nicht Alles ist, solange es noch Šopska Salat, gebackenen Käse und große Fleischportionen gibt. Einen Brotkorb sucht man vergebens, denn um uns herum sitzen nur die gut ausgebildeten, einflussreichen, parteinahen Funktionäre von morgen.

Heinz Bongartz und Nita Starova und dem FES-Büro Mazedonien sind wir zu größtem Dank verpflichtet. Ohne Sie wäre die Exkursion nach Mazedonien in dieser Form nicht realisierbar gewesen. So vermittelten sie uns nicht nur die Kontakte zu zahlreichen NGOs und hochrangigen Vertretern von Parteien und Zivilgesellschaft, sondern halfen uns auch bei der logistischen Durchführung bis hin zur Buchung der Hotels.

Bericht über ein Praktikum beim Prager Think Tank Glopolis

(Kristin Kretzschmar)

Von September 2011 bis März 2012 arbeitete ich als Praktikantin bei dem tschechischen Think Tank Glopolis. Das Praktikum wurde nicht vergütet, sondern durch die Auslandsförderung der Friedrich Ebert Stiftung unterstützt.

Das Akronym Glopolis steht für Global Policy Institute. Dieser Think Tank wurde 2004 durch den Politologen Peter Lebeda in Prag gegründet. Die Idee für den Think Tank entstand im Rahmen der Arbeit an einem Projekt für das Forum 2000 welches unter der Schirmherrschaft Vaclav Havels stand. In diesem Projekt wurden Entwicklungsfragen thematisiert. Die Projektteilnehmer stellten fest, dass eine Sensibilisierung der tschechischen Gesellschaft im Rahmen des Projekts nicht möglich war und das noch viel mehr Arbeit notwendig wurde. Aus dieser Überlegung heraus entstand dann Glopolis.

Schwerpunkte der Arbeit von Glopolis liegen auf Globalisierung und Entwicklung, sowie die Mitgestaltung einer neuen Entwicklungsagenda. Diese soll die Bereiche Wirtschaft und Finanzen, Ernährungssicherheit und Landwirtschaft sowie intelligente Energie und Klimawandel beinhalten. Entsprechend dieser Schwerpunkte teilt sich die Arbeit in Glopolis in drei Referate: „Klima und Energie“, „Ernährungssicherheit“, und „Wirtschaft und Finanzen“.
Glopolis´ Arbeit orientiert sich an der praktischen Anwendung der Prinzipien Politikkohärenz für Entwicklung sowie dem Menschenrechtsansatz in der Entwicklungspolitik. Methoden hierbei sind das Verfassen von Analysen und Studien, Austausch mit Interessenvertretern, Medien und Institutionen, sowie die Förderung eines öffentlichen Diskurses zu den betreffenden Themen, beispielsweise durch Podiumsdiskussionen oder Seminare.
Während meiner Zeit bei Glopolis war ich hauptsächlich im Referat „Klima und Energie“ und teilweise auch im Referat „Ernährungssicherheit“ beschäftigt.
Der Hauptfokus meines sechsmonatigen Praktikums lag auf dem Verfassen einer Fallstudie im Rahmen eines Projektes zur Politikkohärenz in Entwicklungsfragen zur Rolle des Schutzes geistigen Eigentums im Bezug auf den Transfer klimafreundlicher Technologien in Entwicklungs- und Schwellenländer. Daneben habe ich kleinere Artikel zu den Themen „Urbanes Gärtnern“, „Klimakompensation“ und „Energie in Ostafrikanischen Ländern“ verfasst sowie Recherecheaufträge für andere Analysten unter Anderem zu den Themen Fair Trade Zertifizierung, kritische Rohstoffe und Landesinformationen durchgeführt.

Besonders im Rahmen von Seminaren und Podiumsdiskussionen wurde ich auch mit organisatorischen Aufgaben betraut, beispielsweise der Annahme von Anmeldungen und Antwort auf Fragen und Betreuung von Gastdozenten. Ein weiterer Bereich meiner Aufgaben war die Transkription von Interviewmaterial, die und die Auswertung von Evaluationsbögen.

Im Team Glopolis‘ war ich die einzige Person mit sozialwissenschaftlichen Hintergrund. Es überwogen Wirtschaftswissenschaftler und Agrarwissenschaftler. Einerseits hieß das für mich, dass ich mich in viele Themenschwerpunkte erst einarbeiten musste. Hierbei hatte ich allerdings den Vorteil, dass Glopolis, zu vielen Themen bereits Studien verfasst hat und ich somit auf diese zurückgreifen konnte um mich zu informieren.

Als Sozialwissenschaftlerin hatte ich die Möglichkeit einen anderen Blick auf Dinge zu geben. In vielen Rechercheaufträgen konnte ich mich auf die Statistische Seite konzentrieren. So habe ich beispielsweise die grafische Darstellung von Handels- und Produktionsstatistiken sowie der Darstellung von Armutsfaktoren in Entwicklungsländern übernommen. Der starke Einbezug von Statistiken auch für Artikel auf der Hompage von Glopolis stellt meines Erachtens im Vergleich zu älteren Artikeln eine Neuheit im Rahmen der Organisation dar. Kurz vor Beendigung meiner Tätigkeit wurde ich auch von Mitarbeitern gebeten, Einblicke in die Erstellung von Statistiken zu geben, damit diese weiterhin eingebunden werden können.

Während des Studiums der Sozialwissenschaften sind Recherche und wissenschaftliches Arbeiten eine Grundkompetenz. Aufgrund dieser Fähigkeiten wurde ich ausgewählt, um die oben erwähnte Studie zu verfassen. Doch auch während des Praktikums konnte ich meine Fähigkeiten in diesem Bereich verbessern. Während des Studiums habe ich hauptsächlich auf Bibliotheken und online Datenbanken zurückgegriffen. Da in diesem Kontext aber vor allem auch druckfrische Erkenntnisse von Bedeutung waren, habe ich auch begonnen mich mit anderen Publikationen zu beschäftigen: Gesetzestexten, Stellungsnahmen von Konferenzen, oder auch Gutachten die für Regierungen und die EU erstellt wurden. Des Weiteren wurde deutlich, wie wertvoll ein thematisches Netzwerk in diesem Bereich ist, da ich bedeutende Quellen über Mailinglisten oder Nachfragen bei Experten auf dem Gebiet erhalten habe. Hinzukommend unterscheidet sich diese Form des Schreibens in ihrer Zielstellung. Während man an der Universität schreibt, um seinen Wissensstand unter Beweis zu stellen, wurde diese Studie geschrieben um andere zu informieren und gleichzeitig zur Willensbildung beizutragen. Die Zielgruppe reicht vom Politiker bis hin zur interessierten Öffentlichkeit. Dementsprechend muss man eine klare Sprache finden, die verständlich ist, aber nicht ungenau.

Durch die Rechercheaufträge, die ich Für andere Analysten übernommen habe, haben sich auch meine Kompetenzen im Bereich der Teamarbeit verbessert. Es war stets wichtig genau zu wissen wonach man suchen muss. Hierfür muss man die richtigen Fragen Stellen. Welches Ziel verfolgt der Analyst, sind Statistiken oder Theorien von Nöten usw. Des Weiteren ist es auch notwendig abzusprechen, inwieweit die recherchierten Informationen aufgearbeitet werden sollen. Im letzten Schritt ist für die gemeinsame Arbeit ein Weg zu finden, diese auszutauschen, beziehungsweise Versionskonflikte zu vermeiden.

Neben der Arbeit bei Glopolis selbst wurde mir auch die Möglichkeit gegeben an Seminaren und Schulungen teilzunehmen. Einerseits betraf dies Seminare, die von Glopolis veranstaltet wurden, beispielsweise zu Ernährungssicherheit, Biokraftstoffe und Finanztransaktionssteuer. Andererseits hatte ich auch stets die Option an Seminaren und Veranstaltungen anderer Stiftungen und Organisationen teilzunehmen. So konnte ich im November nach Würzburg reisen, um an einem Seminar zu Globalisierung teilzunehmen. Neben den inhaltlichen Seminaren betraf dies auch Schlüsselkompetenzen: im Bezug auf Öffentlichkeitsarbeit, habe ich an einem Training zum Umgang mit den Medien teilgenommen und des Weiteren an einem Rhetorik  und Präsentationsseminar.

Besuch der multiethnischen Nicht-Regierungsorganisation Centre for Social Initiatives NADEZ

(Jana Hartmann)

Shuto ist die größte Roma-Siedlung der Welt und wir trafen dort Klara Misel Ilieva, die Projektleiterin der Nicht-Regierungsorganisation C.S.I. NADEZ, die uns von ihrem Projekt und der Siedlung berichtete. Außerdem war Kristian Cierpka dabei, der seit kurzem beim Projekt mitarbeitet und auf diese Weise sein Freiwilliges Soziales Jahr im Rahmen des Projektes Schüler helfen Leben macht. Die Organisation beschäftigt 4-5 hauptamtliche Kräfte und zwei Personen in Teilzeit. Außerdem arbeiten immer wieder Freiwillige mit.

Bibliothek und Raum für Schülerbetreuung bei NADEZ. Bild: Michael Meissner

Der Fokus der Organisation liegt auf der Arbeit mit Kindern und dementsprechend erfahren wir über ihre Situation auch am meisten. In den Schulen zeigen sich viele der interethnischen Konflikte des Landes sehr deutlich und die Lage der Kinder kann als Ausblick auf das gesehen werden, was im kommenden Jahrzehnt Mazedoniens junge Gegenwart sein wird. Die Situation der Roma ist durch ihren Status als eine der ethnischen Minderheiten des Landes besonders schwierig. Es gibt verschiedene Probleme, die sich im Leben in Shuto zeigen – das größte ist Klara Misel Ilieva zufolge, dass der Analphabetismus weit verbreitet ist. Der Analphabetismus ist leider selbst unter den Schulkindern nicht ungewöhnlich, obwohl sie in der Schule natürlich eigentlich Lesen und Schreiben lernen müssten. Doch die Kinder stehen vor der Schwierigkeit, dass sie zuhause Roma sprechen und in der Schule dann auf Mazedonisch unterrichtet werden, sie also schon bei der absoluten Grundlegung von Bildung nicht in ihrer Muttersprache lernen. Da im mazedonischen Schulsystem niemand sitzenbleiben kann, werden einmal entstandene Lücken immer größer, ohne dass sich die Chance bietet, den nicht verstandenen Stoff nachzuholen. Die Schulen sind außerdem entweder nach Ethnien getrennt, oder der Unterricht findet in Schichten statt, so dass selbst eine Schule, die sich multiethnisch nennt, so gestaltet ist, dass sich die Kinder nicht interethnisch begegnen. Klara Misel Ilieva sagt dazu, dass auch die Vorstellungen der Eltern problematisch sind, da diese es lieber haben, wenn ihre Kinder in einer reinen Roma-Schule unterrichtet werden.

NADEZ verfolgt immer wieder Projekte, um die Kinder besonders in ihrer Schullaufbahn zu unterstützen. Aktuell werden beispielsweise die Schulmaterialien der Kinder bezahlt, die sie neben den Schulbüchern brauchen (die alle Kinder gestellt bekommen). Außerdem bekommen sie ein Frühstück bezahlt, weil sie ansonsten neben den übrigen Kindern sitzen und denen beim Essen zugucken würden. Es können maximal 60 Kinder unterstützt werden. Da aber nicht immer alle kommen, kann es auch sein, dass Kinder, die nicht in die Gruppe der ausgewählten 60 gehören, am Essen teilnehmen. Durch die geringen finanziellen Mittel, die der Organisation zur Verfügung stehen, ist eine derartige Einschränkung notwendig. Es ist allerdings nicht immer ganz einfach, den Leuten zu erklären, welche Kinder in das Projekt aufgenommen worden sind und welche nicht. In den Räumlichkeiten der Organisation wird die Möglichkeit gegeben, die Schularbeiten zu machen und ältere SchülerInnen geben den jüngeren Nachhilfe. Darüber hinaus fließen auch humanitäre Hilfsgelder in die Arbeit, mit denen die Kinder unterstützt werden – konkret kann das heißen, dass sie Schuhe und warme Kleider bekommen, denn im Winter ist es so kalt, dass die Kinder mit der Kleidung, die sie sonst hätten (oder besser: nicht hätten), den Weg zur Schule überhaupt nicht bewältigen könnten. Leider endet das aktuelle Projekt im kommenden Februar, da sich dann die Mittel erschöpft haben werden. Besonders ungünstig ist, dass das mitten im Schuljahr sein wird, so dass man sich natürlich bemüht, neue Geldgeber zu finden. Die Finanzierung der Arbeit in Shuto wird generell im Winter schwieriger, weil sich durch das Wetter die Kosten stark erhöhen – die Räume müssen beheizt werden und es gibt kein fließendes Wasser, weil der Wasserdruck nicht stark genug ist, um es auf den Berg zu pumpen, auf dem das Gelände von NADEZ liegt.

Die Ursprungsidee des Projektes war es, sich um die Kinder zu kümmern. Doch sehr bald wurde klar, dass man sich auch um die Eltern kümmern muss, wenn man möchte, dass sich für die Kinder etwas verändert. Man begann also damit, Vermittler einzusetzen, die den Eltern erst einmal das Schulsystem erklärten, damit diese überhaupt wissen, wie das Schulleben ihrer Kinder aussieht bzw. aussehen sollte. Außerdem wurde versucht, die Eltern in die Schulbeiräte zu bringen, doch selbst, wenn sie drin waren, sind sie im allgemeinen nicht zu den Treffen gegangen.

Für dieses Projekt wurden 377 Familien ausgewählt, die zu den Ärmsten der Armen gehören, wie Klara Misel Ilieva sagte und bei ihnen die Eltern umfangreich informiert. Dafür hat man Leute kommen lassen, die ihnen alles auf Roma erklären. Klara Misel Ilievas Fazit ist, dass man froh sein kann, wenn sich bei zehn Familien etwas ändert. Doch sie meint auch, dass man bei den Eltern, die wirklich aufgepasst haben, auch Erfolge sieht. Kinder, die regelmäßig zur Schule gehen, schaffen dann manchmal auch die Oberstufe. Aber ein weiteres Problem ist, dass die Mädchen sehr früh verheiratet werden (in der Regel, sobald sie das erste Mal ihre Periode bekommen haben) und sobald sie verheiratet sind, gehen sie nicht mehr zur Schule. Es kommt auch vor, dass die Mädchen verkauft werden (als typische Verkaufssumme werden 3000 Euro genannt). In den Familien ist es häufig üblich, dass nur eine ganz basale Schulbildung wichtig ist, danach geht es darum, Sozialhilfe zu bekommen. Häufig müssen die Kinder auch Plastik sammeln, oder Eisen. Inzwischen ist das Betteln der Kinder verboten, was tatsächlich dazu führt, dass nicht mehr so viele von ihnen auf der Straße sind. Denn die Strafen sind hart und es kann passieren, dass die Kinder den Eltern weggenommen werden, wenn man sie beim Betteln erwischt. Diese Regelung bezieht sich allerdings auf Schulkinder und so kommt es immer noch vor, dass Babys regelrecht gemietet werden, um mit ihnen auf der Straße zu betteln.

Teilweise wurde es als Job verstanden, ins westeuropäische Ausland zu gehen, um dort Asyl zu beantragen. Ziel war dann nicht, wirklich dort zu leben, weil man sich darüber bewusst war, dass der Antrag auf Asyl abgelehnt wird. Aber da es so etwas wie Rückwanderungsprämien gab, also Geld gezahlt wurde, wenn die Familien freiwillig wieder in das Land zurückkehrten, aus dem sie gekommen waren, sahen einige Roma das immer wieder als gute Möglichkeit, um Geld zu verdienen. Häufig wurde dann auch die Auswanderung in ein weiteres Land begonnen, so dass es einen Wechsel von Mazedonien in Länder wie beispielsweise Frankreich, Deutschland oder die Niederlande gab, nur, um von dort mit der Rückwanderungsprämie wieder zurückzukehren.

Die Siedlung von Shuto ist so groß, dass man sie für das tägliche Leben nicht verlassen muss – alle notwendigen Läden, Einrichtungen oder Dienstleistungen finden sich dort, so dass die Menschen im großen und ganzen dort und unter sich bleiben. Diese (Selbst-)Beschränkung führt dazu, dass auch die Mazedonier der übrigen Stadtbezirke überhaupt kein realistisches Bild von den Roma haben, das durch konkrete Begegnungen entstehen würde. Dementsprechend sind es stereotype Vorstellungen, die verbreitet sind, was Klara Misel Ilieva zufolge auch dazu führe, dass die Probleme in Shuto marginalisiert werden. Sie berichtete außerdem, dass es in Gegenden, in denen mehr Mazedonier der albanischen Minderheit leben (wie beispielsweise in Tetovo), für Roma einfacher ist. Gleichzeitig betonte sie aber auch, dass dort, wo insgesamt eine starke Durchmischung der Ethnien herrscht und Serben, Bosnier, Roma, Albaner und Mazedonier wohnen, das Zusammenleben sehr gut funktioniert. Die größten Probleme sind wohl soziale Probleme. Wir erfuhren, dass die Sozialhilfe nach drei Jahren jährlich um 20 Prozent gekürzt wird. Außerdem ist es sehr schwierig, sich durch die bürokratischen Anforderungen zu kämpfen, wenn man weder richtig lesen noch ordentlich schreiben kann. 11 Länder haben ein ‚Roma-Abkommen‘ unterzeichnet, demzufolge man sich besonders um die Unterbringung, Gesundheit, Bildung und die Verbesserung der Infrastruktur kümmern will. Klara Misel Ilieva erzählte, dass man in Mazedonien im Bereich der Bildung am besten abschneidet, doch in ihren Augen liegt das nur am Vergleich der Zahlen – zu den Besten werden sie also nur in Relation zu Ländern, in denen es noch schlechter aussieht, zufrieden könne man mit dieser Situation nicht sein – so Klara Misel Ilieva.

Für die medizinische Versorgung ist zwar grundsätzlich gesorgt, aber dennoch ist es nicht so, dass der Zugang für die Roma leicht wäre. Es gibt eine Poliklinik in Shuto und es gilt das Hausarztmodell, nach dem alle erst einmal zu ihrem Hausarzt müssen, damit dieser sie je nach Fall an Spezialisten weiter überweist. Für die Roma ist das schwierig, weil der Besuch beim Hausarzt zwar gratis ist, alle weiteren Untersuchungen aber Geld kosten. Im Übrigen sind dafür häufig Busfahrten nötig, die auch nicht alle bezahlen können. Für schwerwiegendere Erkrankungen kann man einmal im Jahr eine staatliche Unterstützung beantragen, doch diese ist nicht sehr hoch. Viele der Menschen sind nicht einmal gegen Krankheiten wie Tetanus oder Diphterie geimpft. Angesichts der Tatsache, dass es auch Familien gibt, die genaugenommen zwischen den Müllbergen leben, ist ihr Risiko, ernsthaft krank zu werden, besonders hoch.

Nach dem Gespräch machte Kristian eine Führung über das Gelände und eine kurze Tour durch die Nachbarschaft. Was sofort auffällt sind die Spielgeräte und die bunte Bemalung an den Häusern – das Ergebnis eines Projektes der Freien Waldorfschule Fildern, deren SchülerInnen im Sommer den Spielplatz angelegt und mit den Kindern alles neu gestaltet hatten. Wir besichtigten außerdem noch eine Art Baracke, in der die zu verteilende Kleidung gesammelt wird und bemalte Glasgefäße aufbewahrt werden. Diese sind Teil eines weiteren Projekts, mit dem versucht wird, den Romafrauen Möglichkeiten der Unabhängigkeit aufzuzeigen: Sie lernen, Glas zu bemalen oder Schmuck herzustellen und bekommen dafür auch das Material gestellt. Wenn sie die produzierten Stücke verkaufen, sollen sie sich von dem Geld neue Materialien kaufen. Wichtig ist dabei, den Umgang mit Geld zu üben, der an einer langfristigen Perspektive orientiert ist – es ist eben notwendig, das Geld in neues Material zu investieren, um wirklich dauerhaft Einnahmen haben zu können, immer wieder wird das einmal verdiente Geld aber anders ausgegeben, was dazu führt, dass ein Fortsetzen der Produktion nicht mehr möglich ist.

Zwei Jungen spielen mit einem Plastikband. Bild: Jana Hartmann

So wie während unseres Gesprächs im Nachbarraum Kinder an ihren Schulaufgaben gesessen hatten, sehen wir auch hier draußen Kinder, vor allem im Grundschulalter. Sie wirken alle sehr fröhlich und offen, sprechen uns immer wieder an, teilweise sogar mit deutschen Worten. Deutlich wird aber auch, dass sie offensichtlich in bescheidenen Verhältnissen leben. Die beiden Jungen, die zu Beginn unseres Rundgangs mit einem Plastikband spielten, sahen wir später Flaschen sammeln. Die Menschen, an deren Häusern wir vorbeigingen, reagierten freundlich und von dem Risiko, beispielsweise beraubt zu werden, war eigentlich nichts zu spüren. Da wir eindeutig als Gruppe von Ausländern zu identifizieren sind, erregen wir immer Aufmerksamkeit, stießen aber nicht auf Ablehnung. Als wir zum Bus zurückkehrten, winkten uns Mädchen immer wieder von ihren Spielgeräten aus zu. Der direkte Austausch mit den Kindern war also sehr gering, aber offensichtlich war, dass man sich wechselseitig freut, sich zu sehen.

 

 

 

 

Bericht über ein Praktikum im Moskauer Büro der FES

(Ruben Werchan)

Während meines einjährigen Studienaufenthalts an der Lomonossov-Universität in Moskau im Studienjahr 2010/11 habe ich längere Zeit als Praktikant im Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Moskau gearbeitet. Während dieser Zeit habe ich neben der Mitarbeit an den laufenden Projekten des Büros an einer Forschungsarbeit über die Sozialsysteme in Belarus und Russland gearbeitet. Mein Bericht stellt die FES und ihre Arbeit im In- und Ausland, sowie die Ergebnisse meiner Forschung vor.

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