Bericht über ein Praktikum in Prager Büro der OSZE

(Kristin Kretzschmar) 

Ort, Zeitpunkt und wöchentliche Arbeitszeit

Im Sommer 2011 habe ich im Prager Büro des Sekretariats der OSZE ein siebenwöchiges Praktikum absolviert. Dieses umfasste eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden; täglich von 9.00 bis 17.00 Uhr. Das Praktikum wurde nicht vergütet.

Bewerbungsverfahren

In meinem Fall verlief das Bewerbungsverfahren noch recht informell. Ich habe mich auf eigene Initiative per E-Mail beworben. Etwa zwei Monate später erhielt ich eine Antwort; mir wurde mitgeteilt, dass ich Anfang Juli beginnen könnte und nur noch ein Motivationsschreiben nachreichen soll.

Inzwischen ist es nicht mehr ganz so locker. Bewerbungen sind nur noch möglich, wenn Stellen ausgeschrieben wurden. Das heißt: wenn das Prager Büro Bedarf hat, wird eine Stellenausschreibung an das Sekretariat in Wien weitergegeben. Diese Stellenausschreibungen findet man auf der Hauptseite der OSZE. Trotz alledem kann es sich lohnen, vorab in Prag telefonisch anzufragen, ob vielleicht schon Stellen für einen bestimmten Zeitraum vorgesehen sind. 

Informationen zur OSZE

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) ist die institutionalisierte Weiterführung der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Am bekanntesten ist die OSZE für die Wahlberichte, wie beispielsweise der Bericht zur Russischen Präsidentschaftswahl 2012. Daneben ist die OSZE noch in vielen andern Bereichen aktiv – beispielsweise Konfliktprävention, Umweltforen…

Besonders interessant war für mich der umfangreiche Sicherheitsbegriff der OSZE. Auf der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa einigte man sich, Sicherheit in drei Körben (inzwischen umbenannt in Dimensionen) zu definieren: neben der politisch-militärischen Dimension auch in der Wirtschafts- und Umweltdimension und der menschlichen Dimension.

Weitere Informationen zur OSZE im Allgemeinen findet man im Faltblatt „Was ist die OSZE“  und etwas umfangreicher im Handbuch.

Das Prager Büro

Das Prager Büro der OSZE ist eine Außenstelle des Sekretariats, welches inzwischen seinen Sitz nach Wien verlegt hat. Dieser Standort ist historisch gewachsen und beherbergt nun die Archive der OSZE. Des weiteren wird hier das jährliche Wirtschafts- Und Umweltforum organisiert.

Aufgaben konkret

Die Arbeit war sehr an den Bedürfnissen der PraktikantInnen orientiert und ist stark von der Archivfunktion des Prager Büros gepräg . Das heißt, dass es sogar erwünscht war, neben den notwendigen Aufgaben, auch ein eigenes Projekt zu bearbeiten. 

Ich habe die ersten zwei Wochen des Praktikums nach Unterlagen und Dokumenten der Überprüfungskonferenz in Astana gesucht (in diesem Falle hauptsächlich in elektronischen Datenbanken, da die Konferenz 2010 war), und diese Dokumente so aufgearbeitet, dass sie eine vollständige Dokumentation der Konferenz darstellen. Des Weiteren ist es eine Aufgabe der PraktikantInnen den WissenschaftlerInnen (Researcher In Residence Programme http://www.osce.org/employment/43289) zuzuarbeiten, das heißt: für diese Dokumente in den Datenbanken oder den Archiven zu suchen. 

Daneben übernehmen PraktikantInnen auch die üblichen Büroaufgaben, beispielsweise E-Mailverkehr oder Übersetzung von Briefen. Eine weitere Aufgabe, die den PraktikantInnen anvertraut wird, ist die Vorbereitung und Durchführung von Präsentationen über die OSZE für deutsche RechtsreferendarInnen, die das Büro besuchen. 

Mein persönliches Projekt war die Anfertigung einer thematischen Dokumentation der Arbeit der OSZE in der Republik Moldau. Da ich mich schon im vorherigen Semester umfangreich mit dieser Thematik (siehe Ost-IA: Föderalisierung Moldawiens) befasst habe, stellte dies für mich eine sinnvolle Fortführung dar. Für diese Dokumentation habe ich erneut Dokumente (in diesem Falle auch tatsächlich in Archiven und nicht nur am Computer) in einer Sammlung zusammengetragen. Diese wird es in Zukunft Wissenschaftlern, die sich mit diesem Thema befassen, die Arbeit erleichtern.

Als Highlight des Praktikums stand eine Reise nach Wien und Besuch des Ständigen Rates sowie des Sekretariats und Treffen mit verschiedenen MitarbeiterInnen auf dem Programm. Die Kosten dafür wurden von der OSZE getragen.

Fazit

In diesem Praktikum konnte ich meine Kompetenzen und Fähigkeiten auf verschiedenen Gebieten erweitern.  Vor einer Bewerbung gilt es allerdings zu bedenken, dass die Arbeit in Archiven im Zentrum steht. Das heißt: ein gewisser Hang zur Genauigkeit und Durchhaltevermögen sind hilfreich, wenn man mal wieder drei Tage in Folge im Archiv im Keller nach einem bestimmten Dokument aus dem Jahre 1992 sucht. 

 Da im Prager Büro darauf geachtet wurde, dass nicht ein Praktikant allein ist, sondern wir zu viert waren, kam auch das soziale Leben nicht zu kurz. 

Auch nach Abschluss meines Praktikums stehe ich noch mit der OSZE in Kontakt; so besuchte ich beispielsweise des Wirtschafts- und Umweltforum und unterstütze aktuell ein Forschungsprojekt.

 

The Country that loves you – Reisebericht Georgien

In großen Buchstaben empfängt Tbilisi seine Besucher mit dem Slogan: „The city that loves you“. Tatsächlich fühlt sich der Tourist in Georgien nicht nur von der Hauptstadt geliebt, sondern überall wird ihm der Eindruck vermittelt, dass sich das Land und dessen Bürger über seinen Besuch freuen.

Tourismus war und ist ein wichtiges Standbein der georgischen Wirtschaft. Damit dies so bleibt, wird rigoros in den Tourismus investiert. Dabei ergänzen sich Regierungsprogramme, privatwirtschaftliche Initiativen und ausländische Förderprogramme. So zeigte zum Beispiel ein Gastwirt in der Stadt Sighnaghi stolz eine Broschüre über ein Projekt, welches mit Fördermitteln der EU und der GTZ realisiert worden war. Die Investitionen sind nicht zu übersehen. Alle Sehenswürdigkeiten (hauptsächlich alte Kirchen und Festungen) sind mit multiplen, überdimensionierten Straßenschildern ausgewiesen. An touristisch besonders relevanten Orten gibt es Unterkünfte im Überfluss und eine Armee von Taxifahrern ist gern bereit, gegen das entsprechende Entgelt den Gast zu jedem noch so entlegenen Ziel zu bringen. Besonders auffällig sind die umfangreichen Renovierungsmaßnahmen, die, an für Touristen interessanten Gebäuden und Orten, durchgeführt werden. Auf diese Weise restaurierte Stadtviertel (z.B. in Sighnaghi und Mzcheta) wirken fast schon etwas künstlich, da sich die schick verputzten Fassaden, die mit Ziegeln gedeckten Dächer und die präzise gepflasterten Straßen grotesk von ihrer in eher desolatem Zustand befindlichen Umgebung abheben. Das beeindruckendste Beispiel dafür ist die David Agmashenebeli Straße in Tbilisi. Vollständig restauriert liegt sie wie ein Import aus Disneyland in der sonst eher von einem morbiden Charme geprägten Stadt, denn um sie herum besticht Tbilisi mit einer Atmosphäre, die ihre Gemütlichkeit aus alten, teilweise gefährlich windschiefen, verwinkelten Häusern mit hölzernen Balkonen, Veranden und Außentreppen schöpft, die um kleine familiäre, mit Wäscheleinen überspannte Hinterhöfe gruppiert sind.

Bei der vielen Aufmerksamkeit, die dem Tourismus gewidmet wird, überrascht es, dass der Personennah- und fernverkehr eher subsovjetischem als westlichem Standard entspricht. Zug- und Busverbindungen wurden in Ostgeorgien vollständig gestrichen. Dem Touristen bleiben so nur Marschrutkas (Minibusse) oder das Taxi. Die Marschrutka ist hier die wesentlich kostengünstigere Alternative, verlangt aber ein hohes Maß an Flexibilität und mindestens Russischkenntnisse. Fahrpläne gibt es nicht und um Ort und Zeit der Abfahrt ebenso wie den Streckenverlauf zu erfahren hilft nur Durchfragen. Die Ziele sind nur in Ausnahmefällen in lateinischen Buchstaben ausgewiesen und თელავი als Telavi zu erkennen, erfordert doch einige Übung. Der Trost für alle, die sich dem Marschrutka-System nicht gewachsen sehen, ist, dass Georgien von der Größe her überschaubar ist und die Preise für eine Taxifahrt sich ungefähr im Bereich der Kosten einer Bahnfahrt in Deutschland bewegen.

Es lohnt sich auf jeden Fall, es mit den Widrigkeiten der Fortbewegung aufzunehmen, denn die Ziele sind jede Anstrengung sie zu erreichen wert. Neben den schon erwähnten Baudenkmälern, die von einer jahrhunderte- und jahrtausendealter Geschichte des Christentums in Westasien erzählen, ist es vor allem die Natur, die eine Reise nach Georgien lohnend macht. Die Gebäude wären nur halb so beeindruckend ohne die Kulisse des großen Kaukasus im Norden, bzw. des kleinen Kaukasus im Süden im Hintergrund. Der Wert der georgischen Natur wurde schon frühzeitig erkannt und so wurde bereits 1912 mit dem Lagodekhi Nationalpark das erste Gebiet zum Schutz der Natur geschaffen. Seit dem Ende der Sowjetunion ist dieser, und mittlerweile auch viele weitere Parks, für Touristen zugänglich und bietet viele interessante Wanderrouten in herrlicher Landschaft.

All dieser Reichtum an natürlichen und architektonischen Sehenswürdigkeiten wäre nichts, ohne die viel gepriesene Gastfreundlichkeit der Georgier. Es ist sicherlich mit einiger Schwierigkeit verbunden einen Urlaub in Georgien zu verbringen ohne mindestens einmal zum Essen oder zum Wein eingeladen zu werden. Und es wäre ein riesiger Verlust, denn die georgische Küche steht dem georgischen Wein in nichts nach. Vor allem die verschiedenen Brotzubereitungen beginnend mit dem von der Form an ein Schiffchen erinnernden Weißbrot über Hachapuri (Brot mit Käsefüllung) bis zu Cheburek (Teigtasche mit Hackfleischfüllung), sind ein Genuss, den der Besucher noch lange in Erinnerung behält. Aber auch diverse Fleisch- und Gemüsegerichte verwöhnen den Gaumen des Besuchers ebenso wie frischer Honig und  Nüsse.

Der Eindruck, von Georgien geliebt zu werden, wird noch durch das für den postsowjetischen Raum eher untypische Verhalten der Polizisten abgerundet. Besonders ausländischen (und hier vermutlich besonders westeuropäischen) Besuchern gegenüber präsentieren sich die Gesetzeshüter als freundlich und zuvorkommend. Wendet man sich mit Fragen an einen Polizisten, bekommt man meist eine umfangreiche Erklärung und vielleicht sogar eine Verabschiedung mit Handschlag und Smalltalk. Selbst davon, in verzweifelten Situationen von Polizisten an den Zielort gefahren zu werden, wurde berichtet. Das Verhalten der Polizisten ist damit zu erklären, dass, nachdem Saakashvili Präsident von Georgien wurde, der gesamte Kader der Polizei ausgewechselt wurde. Weiterhin wurde das Gehalt angehoben und drakonische Strafen auf Korruption eingeführt. Angeblich sind die Polizisten seit neuestem sogar verpflichtet eine Englischprüfung abzulegen.

Alle Bemühungen, dem Touristen einen angenehmen Aufenthalt zu ermöglichen und das Land von seiner besten Seite zu präsentieren, können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es gravierende ökonomische Probleme gibt. Die georgische Wirtschaft hat, wie in anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion auch, mit der Transformation zur Marktwirtschaft zu kämpfen, was zu einer hohen Arbeitslosigkeit führt. Gerade auf dem Land leben viele Menschen von Subsistenzwirtschaft und in der Stadt gehören bettelnde Kinder zum Straßenbild. Vor diesem Hintergrund ist zu hoffen, dass der wachsende Tourismus genug Wohlstand ins Land spült, sodass auch andere Wirtschaftssektoren wieder aufgebaut werden und die allgemeine soziale Situation der Georgier gesteigert werden kann.

Am Ende bleibt nur, der Aufforderung Folge zu leisten, die man mehr als alles andere zu hören bekommt, wenn man sich entschieden hat, außerhalb der Saison, im Frühjahr das Land zu bereisen: „Kommt im Sommer wieder, dann ist es hier richtig schön!“

Erfahrungsbericht über eine Studienexkursion nach Bosnien-Herzegowina (Teil 3)

(Kristine Avram, Universität Marburg)

Im letzten Teil meines Berichtes möchte ich euch noch einige visuelle Eindrücke meiner Reise vermitteln.

Das obere Bild zeigt besagten Gedenkstein mit der Zahl 8372.
Mit etwa 2,5m auf 2m ist dieser relativ aufmerksamkeitserregend.

Auf der Säule ist folgendes Gebet zu lesen:
„We pray to Almighty God, may grievance become hope! May revenge become justice! May mother’s tears become prayers.
That Srebrenica never happens again to no one and nowhere!”

Interessanterweise ist das Gebet nicht in der sonst für die Republika Srpska gängigen kyrillischen Schrift abgebildet, sondern in Englisch und Bosnisch (lateinische Schrift) wie auch Arabisch.

Obenstehendes Plakat ist auf einem Privatgelände angebracht, welches direkt an das Memorial angrenzt und mit seiner Größe sogar von der Straße zu erkennen ist. Die abgebildeten Signalwörter bedürfen wohl keiner näheren Erläuterung, jedoch sei an dieser Stelle die Frage aufgeworfen, ob dieses einer Versöhnung entgegenwirkende Plakat tatsächlich nicht durch gesetzliche Regelungen bzw. politische Bemühungen von dort verbannt werden kann?!
Zumal viele Bürger aus Srebrenica das Plakat ebenso als deplatziert empfinden, zumindest vordergründig.
Daneben ist auch ein Souvenirshop, an dem man quasi vorbeigehen muss, Gegenstand einiger Kontroversen, was letztlich auch ein Öffnungsverbot am Gedenktag hervorgerufen hat. Dieser befindet sich zwischen dem Gelände mit den Gräbern auf der einen Straßenseite und dem einstigen UN-Quartier, in dem eine Ausstellung zu sehen ist, auf der anderen Straßenseite. In diesem werden neben T-Shirts und Tassen mit Srebrenica-Schriftzug insbesondere muslimisch orientierte Gegenstände wie Korane oder Mekka-Bilder angeboten. Inhaberin ist eine Dame, die selbst im Opferverband der Srebrenica-Frauen Mitglied ist und mit der vor unserem Besuch ein Gespräch stattfand. Nach diesem erwarteten wir eigentlich einen Blumenladen.

Hier ist ein Ausschnitt der Gräberreihen zu sehen, die, wenn man sich in der Mitte des Memorials befindet, unsäglich weit reichen.  Das Ausmaß wird insbesondere dann deutlich, wenn man berücksichtigt, dass die Gräber aus Platzgründen lediglich mit einem und nicht wie sonst üblich mit zwei „Grabsteinen“ versehen wurden. Neben den muslimischen Gräbern gibt es bisher ein einziges orthodoxes Grab am anderen Ende.

Auf dem unteren Bild befindet sich die Stadt Srebrenica, die nicht viel größer als jener Ausschnitt und zum Großteil wieder aufgebaut ist.

Untenstehende Fotografie ist im wohl kältesten Museum der Welt, sprich während des Winters in Sarajevo, zu finden. Ich habe das Bild deshalb aufgenommen, weil es für mich den Kriegsmodus in Sarajevo versinnbildlicht, indem es die Einbettung der dreijährigen Belagerung in den Alltag der Bevölkerung darstellt: Eine festlich gekleidete Mutter rennt in Stöckelschuhen mit ihrem Kind auf dem Arm über eine Kreuzung, die zur „Sniper Alley“ zählt.

Auf dem unteren Bild befindet sich wohl eines der bekanntesten Symbole aus dem Bosnien-Herzegowina-Krieg, nämlich die Brücke von Mostar. Das Weltkulturerbe ist einst völlig zerstört gewesen und nun wieder Attraktion für unzählige Touristen, die mit Hilfe des „Don’t forget“- Steins an die Ereignisse zu Beginn der 1990er Jahre erinnert werden.

Nach meinem Aufenthalt in Bosnien-Herzegowina bin ich nach Kroatien gereist und von dort über Montenegro und Kosovo bis nach Mazedonien. Weiter ging es dann nach Bulgarien, Österreich, Tschechien und wieder Österreich. Da ich eure Aufmerksamkeit auch nicht überstrapazieren möchte, sind im Folgenden lediglich vier auf die Thematik bezogene, prägnante Bilder zu sehen. Diese sind natürlich keineswegs repräsentativ und sollen auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass jedes Land eine Reise wert ist.

Allgemein trifft man des Öfteren auf ähnliche Äußerungen, wobei mich nicht unbedingt der Bezug zum Nationalismus an sich aufmerksam hat werden lassen, sondern vielmehr der Verweis auf Deutschland, Hitler, etc..

 

Hier ist eine Brücke in Skopje (Mazedonien) zu sehen, wohinter sich eine Baustelle befindet. Auf dem Bild zwar nicht so gut erkennbar, handelt es sich doch um den Bau eines „alten“ Gebäudes, d.h. dieses soll vielmehr so aussehen. Ebenso wie eine Vielzahl weiterer Baustellen mit eben jenem Ziel, sind viele Statuten in der Stadt aufgestellt, die den Anschein eines historischen Gebildes haben, tatsächlich aber neu sind. Aus meiner Sicht kann man hierbei die Suche nach Tradition und Geschichte bzw. deren Konstruktion erkennen.

Oben ist wieder ein Foto aus Skopje abgebildet, auf dem neben einer Kirche ebenso Flaggen zu sehen sind, wie überall in der Stadt. Noch nie habe ich so viele Flaggen gesehen und das diese nunmehr sogar vor einer Kirche anzutreffen sind, deutet für mich auf den starken Nationenbezug dieses jungen Staates hin und sollte in Zusammenhang mit dem oberen Bild gesetzt werden.

Unten ist die prachtvolle Alexander-Newski-Kathedrale aus Sofia zu sehen, die rechtsstehendes Schild am Eingang aufweist. In der Kirche selbst erinnert aber kein einziges Element an einen Gedächtnisort. Daher war ich auch umso überraschter als ich nach dem Besuch der Kathedrale eher zufällig über dieses Schild gestolpert bin.

Erfahrungsbericht über eine Studienexkursion nach Bosnien-Herzegowina (Teil 2)

(Kristine Avram, Universität Marburg)

Im ersten Teil hatte ich einige Eckdaten des Staatszerfalls Jugoslawiens und des sich daraus ergebenden Bürgerkrieges dargestellt. Im nachfolgenden Essay habe ich mich wie angedeutet mit politisierten Erinnerungen und kollektiven Gedächtnissen auseinandergesetzt, wobei ich auf meine Gesprächsaufzeichnungen aus Bosnien-Herzegowina zurückgegriffen habe − die Namen der Gesprächspartner habe ich allerdings mit Kürzeln versehen.

 

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Erfahrungsbericht über eine Studienexkursion nach Bosnien-Herzegowina (Teil 1)

(Kristine Avram, Universität Marburg)

Im Rahmen des Seminars „Genealogie des Erinnerns im Spannungsfeld zwischen Politik und Politisierung in Rwanda und Bosnien-Herzegowina“ bin ich im Februar des Jahres 2011 nach Bosnien-Herzegowina gereist, um Gespräche vor Ort zu führen, sowie diverse Gedenkstätten zu besichtigen.

All dies sollte ein tiefergehendes Verständnis für eben jene Thematik schaffen, letztlich muss ich aber gestehen, dass ich zu Beginn der Exkursion zwar auf einen vermeintlich großen Wissensschatz zurückgreifen konnte, dies jedoch nicht unbedingt „hilfreich“ war.  Denn wenn ich eine generelle Sache gelernt habe, dann dass das dortige komplexe Identitäts- und Beziehungsgebilde für eine stringente Analyse kaum zugänglich ist, insofern Identität oder Ethnie einer dynamischen Zuschreibung unterliegen – überspitzt formuliert bedeutet dies, dass Geschichte und Gegenwart beliebig ausgelegt werden.

Erschwerend hinzu kommt die Tatsache, dass der Krieg in Bosnien-Herzegowina unterschiedliche Arten bzw. Austragungsmodi aufwies und in der Folge Vergangenheitsaufarbeitung je unterschiedlich erfolgte bzw. erfolgen musste. Daran anknüpfend bedingte die politische Nachkriegsordnung auf Basis des Dayton-Abkommens eine ethnische Homogenisierung, welche sich ebenso auf die aktuelle Auseinandersetzung mit dem Krieg in den einzelnen Regionen niederschlägt, wenn nicht sogar maßgeblich leitet.

Zwar lag das Augenmerk der Reise ob der Anzahl der Gespräche vornehmlich auf Srebrenica, jedoch habe ich mich ebenso in Mostar und insbesondere Sarajevo aufgehalten, was mich mit o.g. Aspekten in Berührung gebracht und schließlich dazu geführt hat, dass ich mit deutlich mehr Fragezeichen wieder zurückgekehrt bin. Aufbauend auf dieser relativ unbefriedigenden Situation habe ich einen Essay geschrieben, der mir geholfen hat meine Gedanken zumindest ansatzweise zu ordnen und in Verbindung zu theoretischen Ansätzen zu bringen.

Eben diesen Essay findet ihr nach einer ganz kurzen Übersicht zu Bosnien-Herzegowina, der im besten Falle eine spannende Diskussion innerhalb des AKs anregt bzw. zumindest einige Denkanstöße, die ihr eventuell im (Studien-) Alltag ausweiten könnt, liefert. Hiernach findet ihr Literaturhinweise zu Erinnerungskulturen in Osteuropa, sowie einige kommentierte Bilder aus Bosnien-Herzegowina, aber auch aus Stationen meiner anschließenden Reise.

 

1.    Kurzer Überblick zu Bosnien-Herzegowina

Quelle 1
Quelle 2

Bosnien-Herzegowina war eine der sechs Republiken (Bosnien-Herzegowina, Slowenien, Mazedonien, Montenegro, Serbien und Kroatien), die die 1945 ausgerufenen föderativen Volksrepublik Jugoslawien bildeten. Der Krieg am Gebiet des ehemaligen Jugoslawien auch ihre Ursachen und Entstehung zeichnen sich durch hohe Komplexität aus. Stark verkürzt lassen sich die Gründe mit folgendermaßen beschreiben:

o    problematischer und manipulierender Umgang mit der Geschichte. Es gibt unterschiedliche und in sich widersprüchliche historische Erfahrungen
o    Mythologisierung der geschichtlichen Ereignisse und damit verbundene Schaffung historischer Scheinrealitäten
o    Unbewältigte Vergangenheit (z.B. Erfahrungen des 2. Weltkrieges, ungelöste Nationalitätenfrage)
o    Nationalismus und die Politik der ethnischen Mobilisierung und Differenzierung verbunden mit dem Wunsch nach ethnisch reinen Territorien
o    Modernisierungskonflikte ab Mitte der 80er Jahre wurden immer häufiger entlang ethnischer Linien ausgetragen
o    Zusammenbruch der herrschenden Ideologie und damit verbunden die Schwächung der Kommunistischen Partei.

„Dieser Strukturwandel in Richtung einer Dezentralisierung und Föderalisierung stärkte die nationalen Kategorien zu verfestigen. Fast in allen Teilrepubliken gelangten national orientierte Parteien und Koalitionen an die Regierung. Auch in Bosnien erheben die nationalistischen Parteien den Alleinvertretungsanspruch ihrer jeweiligen Nation.“

o    Probleme der Transformation nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes und dem Wegfall der bipolaren Weltordnung
o    Verlust der privilegierten geopolitischen und strategischen Position des jugoslawischen Staates durch den Umbruch 1989/90
o    Soziale Gegensätze zwischen den einzelnen Republiken und Völkern (Regionale Entwicklungsunterschiede, Nord-Süd-Gegensatz)
o    Religiöse Gegensätze und Instrumentalisierung der religiösen Gefühle
o    Wirtschaftliche Schwierigkeiten (Nord-Süd-Gefälle; Arbeitslosigkeit, Inflation, Auslandsverschuldung, Rückgang der industriellen Produktion…)
o    Außenpolitische Einflüsse (Weltpolitische Wandel, Unabhängigkeitserklärungen, Nationale Bewegungen)

Erste Auflösungserscheinungen des zerfallenden Jugoslawiens zeigten sich durch Unabhängigkeitserklärungen Sloweniens und Kroatien Anfang der 90er Jahre. Nach längerem Tauziehen auf diplomatischer Ebene verkündeten Slowenien und Kroatien am 25. Juni 1991 ihre Souveränität. Der Kosovo, Makedonien auch Bosnien-Herzegowina folgten dem Beispiel. Als Bosnien-Herzegowina den Weg der Unabhängigkeit ging, eskalierte der Konflikt auch in dieser ex-jugoslawischen Republik und somit begann eines der grausamsten Kapitel der europäischen Geschichte nach dem zweiten Weltkrieg, nämlich der Krieg in Bosnien-Herzegowina (1992-1995).

Das Massaker von Srebrenica

Srebrenica liegt in einem grünen Talkessel im Osten von Bosnien und Herzegowina, nahe der Grenze zu Serbien. Vor Beginn des Bosnienkrieges 1992 hatte die Kleinstadt etwa 8000 Bewohner. Im Laufe des Konflikts vervielfacht sich diese Zahl: Zehntausende Menschen drängen aus den umliegenden Dörfern nach Srebrenica. Es sind vor allem bosnisch-herzegowinische Muslime, die Schutz vor den Soldaten des Generals Ratko Mladic suchen. Der Befehlshaber der bosnischen Serben zieht den Belagerungsring um die muslimische Enklave immer enger. In Srebrenica wähnen sich die Flüchtlinge in Sicherheit. Die UN hat das Gebiet zur Schutzzone erklärt. Niederländische und kanadische Truppen sollen dafür bürgen. Doch der politische Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, und sein Militärchef Mladic lassen sich nicht aufhalten. Am 11. Juli 1995 nehmen die bosnisch-serbischen Einheiten die Stadt ein und begehen einen schrecklichen Massenmord.

Mehrere tausend Flüchtlinge versuchen durch die Wälder in Richtung bosnisch-muslimisch kontrolliertes Gebiet zu entkommen. Andere Flüchtlinge sehen den Stützpunkt der niederländischen Blauhelmsoldaten als letzte Hoffnung. Deren Basis liegt im sechs Kilometer entfernten Dorf Potocari, das zur Enklave Srebrenica zählt. Am Abend des 11. Juli drängen sich etwa 25.000 Menschen auf dem Gelände der ehemaligen Batteriefabrik, die meisten von ihnen Frauen, Kinder und Alte. Nahrung und Wasser sind knapp. Es herrscht Chaos. Viele der Flüchtlinge übernachten im Freien.

Von Srebrenica rücken die Einheiten von Mladic schon bald nach Potocari vor. Am 12. und 13. Juli beginnen die Soldaten dort Frauen und Männer zu trennen. Sie geben vor, nach Kriegsverbrechern zu suchen. Die etwa 350 Blauhelme auf dem UN-Stützpunkt sind überfordert. Ihnen fehlt das Mandat einzugreifen. So sehen die Niederländer tatenlos zu, wie Mladic seine gezielte „ethnische Säuberung“ fortsetzt: Frauen und Kinder werden auf Lastwagen und Bussen abtransportiert und bis kurz vor bosnisch-muslimisch kontrolliertes Gebiet gebracht. Die zurückgebliebenen Männer, die meisten von ihnen im wehrfähigen Alter, werden von Mladics Männern an verschiedenen Orten hingerichtet und verscharrt. Um den Massenmord an den etwa 8000 Menschen zu verschleiern, heben die Täter einige Gräber später wieder aus und verteilen die menschlichen Überreste auf andere Gebiete. Das Umbetten der Leichen findet auch nach Ende des Krieges noch statt.

Die UN deklariert das Massaker an den bosnischen Muslimen als Völkermord. Ende Februar 2007 bewertete der Internationale Gerichtshof die Gräueltaten ebenfalls als Genozid. Einige der Täter hat das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag schon verurteilt. Das Verfahren gegen den Ex-Präsident der bosnischen Serben, Karadzic, läuft noch. Er wurde erst 2008 gefasst. Einer der mutmaßlichen Hauptverantwortlichen, Ratko Mladic, muss sich mittlerweile ebenfalls vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verantworten.

Weiterführende Literatur

o    HSFK 2009. Standpunkte. Von der Krise in den Krieg? Vierzehn Jahre nach Kriegsende wächst in Bosnien und Herzegowina die Gewaltbereitschaft 
o    Joshua N. Weiss. Tuzla, The Third Side, and the Bosnian War
o   Timeline: Siege of Srebrenica