„Eine erinnerungskulturelle Zerreißprobe: Wie das Ukrainische Institut für Nationale Erinnerung ein neues nationalukrainisches Narrativ konstruiert“ von Christian Hörbelt

Christian Hörbelt studierte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) im Master European Studies mit dem Schwerpunkt Osteuropa. Er ist Mitglied des AK Osteuropa der Friedrich-Ebert-Stiftung und hat für die Ukraine Analysen (Nr. 193 vom 13.12.2017) eine Zusammenfassung seiner spannenden Abschlussarbeit verfasst, auf die wir hier gerne hinweisen.

Der Text setzt sich mit der Konstruktion eines nationalukrainischen Narrativ seitens des Ukrainischen Instituts für Nationale Erinnerung auseinander. Was das für den Dialog mit Russland und den post-sowjetischen Republiken bedeutet, könnt ihr hier (auf den Seiten 11 bis 15) nachlesen.

Ehemalige des AK-Osteuropa gründen NovOstia e. V.

(Ruben Werchan)

Es gibt Aspekte des Studiums, die sind einem noch Jahre nach dessen Ende in positiver Erinnerung. Andere dagegen hat man aus gutem Grund schon sehr schnell wieder vergessen. Die Grundlagenvorlesung Mittwoch morgens gehört in der Regel zu Zweiterem. Klar der ersten Kategorie zuordnen, lässt sich dagegen die Reise mit dem AK-Osteuropa nach Mazedonien. Im Kleinbus zu aufgedrehten Balkan-Beats von Ort zu Ort fahren, um über den Umgang mit ethnischer Diversität ins Gespräch zu kommen, schweißt zusammen. Und auch der Erkenntnisgewinn übersteigt den der Grundlagenvorlesung wahrscheinlich um ein Vielfaches.

Der Arbeitskreis Osteuropa der Stipendiatinnen und Stipendiaten der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) gibt Interessierten die Möglichkeit, sich interdisziplinär mit verschiedenen Themen rund um Osteuropa zu beschäftigen und sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen.

Aufbauend auf der positiven Erfahrung mit der Arbeit im AK Osteuropa, haben wir uns entschieden, einen Verein zu gründen, um das dort Begonnene auch nach dem Ende des Studiums weiterzuführen. So trafen sich am Samstag den 08.04.2017 bei bestem Wetter sieben ehemalige Mitglieder des AK-Osteuropa in München und riefen den Verein NovOstia e. V. ins Leben.

Foto 08.04.17

Der Verein versteht sich als Auffangbecken für all jene, die während ihres Studiums mit dem AK Osteuropa in Kontakt geraten sind, dann doch irgendwie das Studium beendet haben, jedoch ihren Wissensdurst, ihren Tatendrang und ihr Austauschbedürfnis in Bezug auf Osteuropa noch lange nicht befriedigt sehen. Aber auch als Anlaufstelle, die gern bereit ist, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um noch vielen Generationen von Stipendiatinnen und Stipendiaten mindestens ebenso prägende Erlebnisse zu ermöglichen, wie wir sie mit dem AK Osteuropa hatten.

Ziel des Vereins ist es, die differenzierte Auseinandersetzung mit Osteuropa zu fördern. Dieses soll in Form von verschiedenen inhaltlichen Veranstaltungen, Publikationen und Reisen mit wissenschaftlichem, politischem und/oder kulturellem Fokus erfolgen. Wir wollen den Austausch mit der Region, und zwischen denen fördern, die sich mit der Region beschäftigen.

Mit Kristin Eichhorn und Hanne Schneider wurde ein erfahrener und schlagkräftiger erster Vorstand gewählt. Jetzt müssen wir schnell die notwendigen administrativen Schritte erledigen und dann geht die inhaltliche Arbeit los. Alle, die mitmachen wollen, sind herzlich eingeladen.

Foto 08.04.17-2

Bericht über den Besuch bei der EUMM in Georgien, Tiflis

(Darius Ribbe)

Ein Bericht über die Vorstellung der Beobachter*Innenmission in Georgien im Gespräch mit Stipendiat*Innen des AK Osteuropa der Friedrich-Ebert-Stiftung

Die EU Monetoring Mission ist eine unbewaffnete Beobachter*Innenmission der Europäischen Union, die im September 2008 auf Grundlage des durch die Vermittlung der Europäischen Union entstandenen 6-Punkte Plans entsandt worden ist. Dieser 6-Punkte Plan endete den Georgien-Krieg im Jahre 2008, wobei bemerkenswerterweise bis heute nicht alle Punkte des Plans umgesetzt sind, was an unterschiedlichen Übersetzungen der Pläne, sozusagen verschiedener Versionen ein und desselben Planes liegt.

Die Ziele der Beobachter*Innenmission sind:

– Die Sicherung des Friedens,

– Die Normalisierung des Alltags und die logistische Unterstützung zur Rückkehr in ein alltägliches Leben für die an die „Administrative Boundary Lines“ grenzenden Ortschaften beiderseits der faktischen Grenze,

– Der Aufbau von Vertrauen der Konfliktparteien ineinander,

– Die Beschaffung und Bereitstellung von Informationen in der Krisenregion.

Dabei konzentriert sich die Mission vor allem auf die Bereitstellung von Informationen, die die übrigen Zeile indirekt unterstützen. So patrouillieren Teile der über 200 Menschen starken Mission rund um die Uhr in der Grenzregion, um die Umsetzung des 6-Punkte Plans zu kontrollieren. Anhand der gewonnen Informationen werden „Sicherheitsupdates“ erstellt, die sowohl den EU Agenturen als auch den Konfliktparteien zur Verfügung gestellt werden und langfristiges Vertrauen, eine gesicherte Zusammenarbeit gewährleisten sollen. Besonderen Wert legten die Vertreter*Innen der Beobachter*Innenmission im Gespräch mit den Stipendiat*Innen darauf, dass die von Ihnen bereitgestellten Informationen objektiv und ohne Vorteilsnahme gesammelt, erstellt und verbreitet werden.

Vor besondere Herausforderungen bei ihrer Arbeit werden die Beobachter*Innen dadurch gestellt, dass ihnen die Behörden in Abkhazia und South Ossetia bis dato den Zugang zu ihren Territorien verwehren, obgleich sich die Mission auf das gesamte georgische Staatsgebiet erstreckt, und damit auch diese Gebiete umfasse.

IMG_7522

 

Erfahrungsbericht über georgisches Essen

(Darius Ribbe)

Brot, Butter und Käse – doch nicht das schon vielfach besungene Käsebrot sei hier beschrieben, sondern die scheinbaren Grundlagen der georgischen Cuisine. Auf unserer Reise haben wir in unterschiedlichsten Restaurants halt gemacht, haben gehoben gegessen, oder aber an Rastplätzen gehalten, haben Brot aus Kellerfenstern gekauft und konnten den Bäcker*Innen dabei zusehen, wie sie sich erst über ihre schweißgebadete Stirn wischten, um sodann den Teig für wirklich köstliches Brot zu kneten. Eine geschmackliche Erfahrung, die die Liebhaber*Innen von Teigwaren beim Blick in die Backstationen der Supermärkte noch etwas mehr schaudern lässt.

Brotkauf in Georgien ist ein Erlebnis
Brotkauf in Georgien ist ein Erlebnis

Doch so köstlich die Erfahrungen der Exkursion auch waren, wer kennt schon ein wirklich gutes georgisches Restaurant bei sich um die Ecke? Jede größere Stadt hat das ein oder andere, meistens nicht mehr als zwei oder drei, die Auswahl ist also begrenzt, und oftmals finden sich auch Pizza und Pommes auf der Speisekarte – von georgischem Flair nicht viel zu spüren.

Da schien es wie ein ungewöhnlicher Zufall, dass ich kurz nach unserer Reise, auf dem Weg nach Paris im Thalys in einem „Style-Magazin“ ein Loblied auf die georgische Küche las. Mit jeder Zeile, die die Autorin zu Papier gelegt hatte, wurde meine Zustimmung durch (durch leichtes Kopfnicken auch den übrigen Reisenden erkennbar) größer, und es stellte sich mir ein wirklicher Hunger nach leckerem Gemüse, Wein, Ei und natürlich Brot, Käse, Butter ein. Die Autorin konnte zwar viele Restaurants in Tbilisi empfehlen, von denen wir eines sogar besucht hatten, doch wann sollte ich schon wieder zurückkehren? Am Ende, ganz versteckt in der letzten Ecke der Seite fand sich dann jedoch der Hinweis für all die Menschen, die es so schnell nicht in dieses zauberhafte und spannende Land schaffen sollten, „Wenn Sie es nicht in naher Zukunft nach Tbilisi schaffen, so empfehle ich in London… in New York …“ – meine Stimmung wurde schlechter, doch da ganz zuletzt „in Paris…“.

Bingo! Dieses Restaurant sollte es werden. Also schnappte ich mir zwei weitere Mitglieder des , welche leider nicht an der Reise teilnehmen konnten und zerrte sie voll Begeisterung in dieses wirklich kleine und gemütliche Restaurant. Doch, widererwartend kam selbst dieses hochgelobte Restaurant nicht an das erlebte und erschmeckte heran. Ob es die kleinen Portionen waren – diese unfassbar ungewohnte grüne Brause konnte es nicht sein, es war die gleiche – oder die, wie ich mir habe sagen lassen, eher russischen Einflüsse auf die Speisekarte kann ich nicht mehr beurteilen. Eines nur habe ich von diesem Abend mitgenommen, es wird wahrscheinlich nie mehr so schmecken, wie nach einer langen Busfahrt, nach einem langen Fußmarsch, nach den interessanten Gesprächen…

Und wenn die Rezepte ähnlich, die Zutaten gleich geblieben sind, kann das nur heißen es lag an der Umgebung, den Gerüchen, den Geräuschen und vor Allem an den Menschen.

Warum schreibe ich hier so viel über Essen, nur um dann zu schreiben, dass ihr das hier nicht haben könnt? Um euch einen Grund mehr zu geben, einfach mal hinzufahren, euch hinzusetzen und zu genießen 😉

Chinkali - Teigtaschen mit diverser Füllung
Chinkali – Teigtaschen mit diverser Füllung
Chatschapuri - Georgiens Antwort auf Pizza
Chatschapuri – Georgiens Antwort auf Pizza

Eine NGO, die eine ganze Region gestaltet

(Linda Günther)

KRDF steht für Kakheti Regional Development Foundation. Dahinter verbirgt sich eine NGO, welche auf vielen verschiedenen Ebenen gesellschaftspolitisch im Pankissi Tal aktiv ist.

IMG_7688

Das Pankissi Tal liegt im Norden Georgiens und besteht aus zwölf Dörfern mit insgesamt ca. 8000 Einwohner*innen. Diese Region ist deshalb interessant, weil dort die Kisten leben, welche muslimischen Glaubens sind.

DSCN5297

Im Rahmen unserer Reise durch Georgien hat sich der AK Osteuropa mit VertreterInnen von KRDF getroffen. Dazu fuhren wir nach Akhmeta am Rande des Pankissi Tals. Wir wurden sehr freundlich von einer Gruppe Frauen in den Räumlichkeiten der NGO empfangen. Zunächst berichtete uns die Leiterin von ihrer Arbeit, bevor wir anschließend über Fragen diskutierten.

IMG_7446

KRDF wurde 2008 gegründet. Ihr Hauptanliegen besteht darin, die Integration der sogenannten IDPs (internally displaced persons) und die Entwicklung einer Zivilgesellschaft im Pankissi Tal zu fördern. Um dieses Ziel zu erreichen, schafft KRDF sehr breit gefächerte Angebote in der gesamten Region. Beispielsweise ist das Büro in Akhmeta ein öffentlicher Ort geworden, an dem Jugendliche ihre Freizeit verbringen, aber auch zusätzliche Bildungsangebote in Anspruch nehmen. Im Pankissi Tal ist die Arbeitslosenquote sehr hoch. Genaue Zahlen konnten uns leider nicht genannt werden, aber besonders die jungen Menschen sind von Arbeitslosigkeit betroffen. Daher versucht die NGO, Jugendliche bei Bewerbungen für Universitäten in anderen Regionen und durch Weiterbildungsmöglichkeiten zu unterstützen. Außerdem finden regelmäßig Workshops statt, bei welchen die Anwesenden erfahren, wie sie eigene Projekte starten und Fördergeldanträge stellen können.

DSCN5263

Neben der Arbeit mit Jugendlichen spielt die Integration von Geflüchteten eine große Rolle. Im Pankissi Tal leben viele tschetschenische Flüchtlinge und IPDs aus dem Gebiet Südossetien. KRDF setz sich unter anderem dafür ein, dass diesen Menschen Wohnraum zur Verfügung steht. Dafür kauften sie seit 2009 64 Häuser im Pankissi Tal.

IMG_7704

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Arbeit mit und für Frauen. 2011 wurde das „Women`s Council“ gegründet. Es besteht aus 15 Frauen, die sich für die Rechte derFrauen innerhalb der Gesellschaft und ihren Familien einsetzen. Dieses Gremium formuliert Vorschläge für Familiengesätze und gibt Ratschläge für Familienprobleme. Die Entscheidungen darüber trifft zwar der Ältestenrat („Council of Elders“), jedoch arbeitet dieser mit dem „ Women`s Council“ zusammen, was als Erfolg gewertet werden kann. KRDF unterstützt außerdem Frauen, welche von häuslicher Gewalt betroffen sind oder sich haben scheiden lassen. Das Team um KRDF besteht aus zwölf hauptamtlichen Mitarbeiter*innen, worunter sich auch Psycholog*innen befinden, die sich speziell um Probleme von Frauen kümmern.

IMG_7703

Wie uns dargestellt wurde, ist die Arbeit von KRDF sehr vielfältig und die Organisation scheint zu einer wichtigen Institution innerhalb des Pankissi Tals geworden zu sein. Nach eigenen Angaben sind alle erfolgreichen Projekte nur mithilfe von KRDF entstanden. Die Arbeit zeigt aber auch, dass sich im Pankissi Tal ganz eigene politische Strukturen entwickelt haben, welche es gilt mitzugestalten. Daher war es sehr interessant etwas über die Arbeitsweise des „Women`s Council“ zu erfahren und damit gleichzeitig über die Rolle des Islams in dieser Region. Auf Nachfragen zu radikalen Strömungen antworteten die Vertreterinnen von KRDF ganz offen. Sie sagten, dass es unter den Muslimen im Pankissi Tal auch Radikale gibt, diese jedoch nicht die Mehrheit bilden und mit dem übrigen Teil ist eine gute Zusammenarbeit möglich. In den Gesprächen war es weiterhin aufschlussreich, herauszuhören, dass der größte Wunsch darin besteht, einer Region und den Menschen die dort leben eine Perspektive zu geben und kontinuierlich an einem Aufbau zu arbeiten. Anschließend an die offizielle Gesprächsrunde wurden wir zu Kaffee und Kuchen eingeladen. In ein paar informellen Gesprächen wurde deutlich, dass besonders die Frauen dankbar für die Arbeit von KRDF sind. Denn dadurch haben einerseits einige von ihnen einen neuen Arbeitsplatz bekommen und andererseits stärkt diese NGO ihre Stimme innerhalb der Gesellschaft.

IMG_7456 IMG_7459

Der Besuch zeigte, dass gesellschaftliche Veränderungen durch die kontinuierliche Arbeit mit den Menschen vor Ort möglich sind und vorangetrieben werden können.

DSCN5293

Weitere Informationen zu KRDF unter http://www.krdf.ge.

DSCN5294 IMG_7716 IMG_7736 IMG_7733 IMG_7735 IMG_7758 IMG_7765 IMG_7761 DSCN5305 IMG_7732 DSCN5318