„Alles neu macht der Maidan“ – Call for Papers!

 

„Alles neu macht der Maidan?“

Interdisziplinäre Perspektiven auf eine Ukraine im Umbruch

Call for contributions for an edited volume/Beiträge zu einem wissenschaftlichen Sammelband

 

Die Ukraine ist mit den Geschehnissen auf dem Maidan und der Krim in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Mit der brisanten Entwicklung in der Ostukraine und der drohenden machtpolitischen Ost-West-Konfrontation in Europa wuchs ein Bedarf an Analysen zur Lage in der Ukraine.

Die bisherigen Studien haben oft einen exklusiven empirischen oder rein theoretischen Fokus. Viele aktuelle Analysen sind zudem populärwissenschaftlicher Natur und kommentieren die aktuellen Ereignisse, ohne diese in einen breiteren Kontext zu stellen. Normativ-geprägte Ansätze (wie diejenige der Transformationsforschung) hingegen konzentrieren sich auf ausgewählte Aspekte und können die Umbrüche und ihre Komplexität nicht erschöpfend analysieren. Die Ukraine selbst und ihre (außen-)politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sonstigen Probleme rücken gegenüber einer starken Betonung der geo- und außenpolitischen Aspekte oft in den Hintergrund der Analysen. Dabei bleibt das Land mit einer Bevölkerung von knapp 45 Millionen Menschen und dem neben Russland flächenmäßig größtem Territorium des europäischen Kontinents für die westliche Öffentlichkeit, Politik, und sogar Wissenschaft weitgehend unbekannt. Der jüngste Konflikt und die Ereignisse in und um die Ukraine zeigten die Gefahren dieser Vernachlässigung und gleichzeitig die Notwendigkeit umfassender Studien auf, die die Krise(n) der Ukraine einer vielseitigen Betrachtungsweise öffnen und die Ukraine selbst in den Mittelpunkt stellen.

Das Ziel des Sammelbandes ist, analytische Lücken mit Hilfe eines interdisziplinären Ansatzes zu identifizieren und ein holistisches Bild auf die vielfältigen Krisen einer Ukraine im Umbruch zu schaffen. Dank einer interdisziplinären Herangehensweise und einer theoretischen Vielfalt (z. B. Transformations- und Erinnerungsforschung, Oral History und Kontextanalyse, etc.) wird dieser Sammelband einen Beitrag zum Verständnis der gesellschaftspolitischen Zusammenhänge in der Ukraine in ihrer Rückwirkung auf die aktuellen Krisenprozesse leisten.

Inhaltliche Konzeption

Willkommen sind Beiträge aus allen Fachrichtungen, die die Krise(n) der Ukraine aus ihrer disziplinspezifischen Perspektive heraus identifizieren und betrachten. Aus transitionstheoretischer Sicht wird die Ukraine zuletzt als im Graubereich verharrend, die politische Entwicklung des letzten Jahrzehnts als Stillstand beschrieben (vgl. zuletzt Geissbühler, in: ders.(Hg.), Kiew ‑ Revolution 3.0). Im Fokus der Beiträge steht auch deswegen die Frage, ob es sich im Zusammenhang mit den/der identifizierten Krise(n) und aktuellen Umbrüchen potentiell von einer Zäsur oder einer Sackgasse sprechen lässt, und welche Möglichkeiten sich aus der(n) Krise(n) ergeben. Die jeweiligen Krisen (die aktuell und davor entstandenen), die den Analysegegenstand der einzelnen Beiträgen bilden, sind von den AutorInnen selbst zu identifizieren und im Bezug auf die Fragestellung zu untersuchen. Sowohl empirische, als auch theoretische Analysen sind von Interesse. Die individuelle Definition des Analysegegenstandes („Krise“) führt zu einer nicht notwendig auf die aktuellen Umbrüche („Ukraine-Krise“, „Krim-Krise“, „Krieg im Donbass“) beschränkten Analyse, die auch Wechselwirkungen der identifizierten, auch vor den Ereignissen 2014 bestehenden oder entstandenen Krisen untersuchen kann. Durch den Vergleich von unterschiedlichen (auch historischen) Krisenräumen soll ein Dialog der Perspektiven entstehen, während die primär auf den ukrainischen Raum bezogenen Themen durch eine komparatistische Perspektive die notwendige Relativierung bekommen werden. Dieser inklusive interdisziplinäre Ansatz ermöglicht einen holistischen Blick auf eine Vielfalt von Themen- und Problemkomplexen. Einreichungen sind nicht beschränkt auf die unten vorgeschlagenen Fragestellungen:

Gesellschaft in der Krise

–              Mediale, diskursive und semantische Konstruktion der Krise

–              Neue Formen des sozialen Protests

 –             Gesellschaftliche und/oder soziale Trennlinien

–              Identität in der Krise

–              Wahrnehmungen in der Krise: Klischees und Stereotypen und deren Instrumentalisierung

–              Sprache und Sprachnutzung in der Krise: ambivalente sprachliche Identifikation und/oder ethnische Hybridität

–              Gesundheitssystem in der Krise

–              Wertewandel und Krise

–              Natur und Umwelt in der Krise, Ökologische Krise

–              Wirtschaft und Krise/ Wirtschaftskrise/ Wirtschaft in der Krise

(Außen-)Politik in der Krise

–              Krise der multivektoralen Außenpolitik

–              Europäische Integrationsperspektive in der Krise

–              Geopolitik in der Krise: Zuordnung, Orientierung, Einflusssphären und deren Legitimation

–              Politische Kultur und das politische System in der Krise

–              Politische Parteien in der Krise

–              Transformation und Transformationswissenschaft in der Krise

–              Sozialstaat in der Krise

–              Minderheiten in der Krise

 

Recht und Rechtsstaatlichkeit in der Krise

–              Rechtsstaat in der Krise: Korruption, Unabhängigkeit, Vertrauen

–              Völkerrecht in der Krise: Durchsetzbarkeit, Souveränität und Selbstbestimmung

Geschichte der Krise und Geschichte in der Krise

–              Periodisierung der Krise(n)

–              Geschichtspolitik und Krise

Es ist Anliegen dieses Sammelbandes, die terra incognita der Ukraine durch eine Mischung aus empirischen und normativen Perspektiven auf die Krise(n) der Ukraine und problembezogenen Analysen auszuleuchten.

Angaben zur Einreichung von Beiträgen/Hinweise für AutorInnen

Bitte senden Sie Ihre Abstracts (Dateiformat: pdf oder docx) von nicht mehr als 2000 Zeichen bis Montag, den 22. September 2014, per E-Mail an Simone Stöhr (Simone.Stoehr@fes.de). Eine Entscheidung über die Aufnahme in dem Sammelband wird spätestens bis zum 6. Oktober 2014 erfolgen.

Anschließend bitten wir um einen entsprechenden Beitrag, dessen Umfang 20 Seiten, Times New Roman, Schriftgröße 14 (Fußnoten: Schriftgröße 13) nicht überschreiten soll. (Formalie_Reihe_IMPULSE)

Vom 23. bis 24. Oktober 2014 findet mit fachlicher und finanzieller Unterstützung der Promotionsförderung der Friedrich-Ebert-Stiftung ein AutorInnentreffen in Bonn statt, das vor allem der Verzahnung der Beiträge und einem konstruktiven Austausch zwischen AutorInnen und eingeladenen Gästen dienen soll.

Der Sammelband soll 2015 in der Reihe „IMPULSE – Studien zu Geschichte, Politik und Gesellschaft“ im Wissenschaftlichen Verlag Berlin (wvb) erscheinen.

Für weitere inhaltliche und formale Fragen und Anregungen steht Ihnen das Herausgeber-Team gerne zur Verfügung:

Tobias Endrich, Universität Passau, (endrich.tobias@gmail.com)

Khrystyna Schlyakhtovska, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (khrystynaserg@gmail.com)

Galyna Spodarets, Universität Regensburg (galyna.spodarets@gmail.com)

Evgeniya Bakalova, Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung/HSFK (bakalova@hsfk.de)

Link zum Call als pdf: Alles neu macht der Maidan

Hrabal und die Stadt

(Kristin Eichhorn )

„Über Literatur und quasi aus Literatur heraus entstanden, eine Liebeserklärung an die wundersame Kraft der Bücher.“ – so wird auf Tschechien-Online Bohumil Hrabals Werk „Allzu laute Einsamkeit“ beschrieben.

Folgende Studienarbeit befassst sich mit diesem Hauptwerk des tschechischen Autors und stellt den Versuch der Einbettung literaturwissenschaftlicher Betrachtungen in die Soziologie. Die Annahme hierbei lautet, dass die Erzählweise des Bafelns, welche von Hrabal geprägt wurde, eine klar städtische Eigenschaft darstellt. Zur Bestätigung werden die Eigenschaften der Bafler mit denen der Großstädter wie sie der Soziologe Simmel beschrieben hat, verglichen.

Hrabal Und Stadt by FES_OstIA

Die Weltverbesserer – To4ka-Workshop in St. Petersburg

(Kristin Kretzschmar)

Was ist To4ka?

To4ka-Treff ist ein Internetortal in deutscher und russischer Sprache. Seit bereits fünf Jahre bietet es jungen Journalisten, Übersetzern, Schülern und Studenten aus Deutschland und den Ländern Osteuropas und Zentralasiens die Möglichkeit in Kontakt zu treten und sich auszutauschen.

Das Projekt wird von der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch und der Goethe-Institute der Region Osteuropa/ Zentralasien in Kooperation mit der Jugendpresse Berlin und dem Goethe-Institut München umgesetzt.

 Was sind die To4ka Workshops?

Obwohl To4ka-Treff ein Internetprojekt ist, basiert es auf realen Jugendbegegnungen, den sogenannten To4ka Workshops. Diese finden sowohl in Deutschland als auch in Russland statt. Gemeinsam befassen sich die deutschen und russischen Teilnehmer mit einem Thema und verfassen in Tandems Artikel. Diese erscheinen dann auf To4ka in einem sogenannten Topthema.

Beispielsweise befassten sich die Teilnehmer 2012 im Workshop unter dem Titel „Kostbar“ mit dem Thema Ernährung.

Wann und zu welchem Thema findet der nächste Workshop statt?

Vom 29.07. – 03.08. findet ein Workshop in St. Petersburg statt. Thema wird Zivilgesellschaft und Engagement sein.

Wer kann teilnehmen?

  •  Alter: 18-26 Jahre
  • Erste journalistische Erfahrungen
  • Interesse am deutsch-russischen Austausch
  • Interkulturelle Kompetenz
  • Teamfähigkeit (die Beiträge werden gemeinsam mit Tandempartnern verfasst)
  • Englischkenntnisse (Russischkenntnisse sind von Vorteil)
  • Reisepass (zum Zeitpunkt der Abreise noch mindestens 6 Monate gültig) und Auslandskrankenversicherung

Wo kann man sich bewerben?

Bewerbungen sind noch bis zum 10.06. hier möglich.

Freundlich gefördert von der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch. Eine Initiative des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der Freien und Hansestadt Hamburg, der Robert Bosch Stiftung und des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft.

 

 

Das Community Development Institute in Tetovo

(Kristin Kretzschmar)

Das  Community Development Institute in Tetovo (CDI) besteht seit nunmehr 15 Jahren und wurde durch den jetzigen Direktor Sreten Koceski gegründet. In diesem Bericht sollen die Eindrücke und Inhalte eines Treffens mit Vertretern des CDI im Oktober 2012 wiedergegeben werden.

Zunächst gab uns der Mitarbeiter Damir Neziri eine Einführung in die interethnischen Beziehungen in Mazedonien, besonders mit Blick auf die Lage in Tetovo und die Arbeit des CDI. Hierbei warf er auch die Frage auf, ob die bewaffneten Auseinandersetzungen 2001 ein Bürgerkrieg oder ein Aufstand der albanischen Minderheit waren. Schon bei dieser Frage wurde deutlich, wie viel Bedeutung Terminologie in Mazedonien hat: Man spricht nicht von Minderheiten sondern von „non-majority groups“, also Nicht-Mehrheiten.

Sreten Koceski spricht über die Probleme der CICRs. Bild: Kristin Kretzschmar

Unabhängig von der genauen Bestimmung der Art der Auseinandersetzung, stellt das Jahr 2001 einen Meilenstein in der Arbeit des CDI dar. So scheint es, dass sich das CDI zuvor noch in einer Selbstfindungsphase befand. Mitte der 1990er Jahre gab es in Mazedonien kaum Erfahrungen mit Nichtregierungsorganisationen: „There was kind of an empty space and were eager to fill it and find out how it works with projects and funding.“ Während in den ersten Jahren Unterstützung von vielen Seiten kam, nimmt dies immer weiter ab. Momentan werden die Projekte des CDI unter anderem durch die FES und den Deutschen Volkshochschul-Verband unterstützt.

Danach gab uns der Gründer und Direktor des CDI Sreten Koceski einen Überblick über die aktuellen Tätigkeiten. Fokus lag in seiner Präsentation auf den sogenannten Committees for Inter-Community Relations (CICR), da sich der Arbeitskreis schon zuvor mit diesen beschäftigt hatte. Hierbei handelt es sich um ständige Beiräte der Gemeinderäte in Bezug auf interethnische Beziehungen. Die Einrichtung eben dieser ist seit 2002 verpflichtend in Gemeinden, in denen mindestens eine der Nicht-Mehrheitsgruppen einen Anteil von 20 % erreicht. Inzwischen wurden CICRs in 20 Gemeinden und Skopje eingerichtet und decken somit mehr als die Hälfte der Bevölkerung Mazedoniens ab. Die Beiräte wurden eingerichtet um den Minderheitenschutz auf der lokalen Ebene abzusichern. Lokale Entscheidungen, die die Nutzung von Sprache oder Symbolen betreffen, müssen mit den CICRs abgesprochen werden. Dies betrifft beispielsweise die Umbenennung von Straßen oder öffentlichen Einrichtungen. Die CICRs geben in diesen Fragen dann nicht-verbindliche Entscheidungen an die Gemeinderäte. Die Mitglieder der CICRs werden gewählt.

Unterschied zu den Gemeinderäten ist, dass sie eben nicht die Vertreter einer Partei oder politischen Ideologie sind, sondern Vertretern einer Ethnie. In den letzten Jahren hat sich allerdings gezeigt, dass die CICRs leider nicht dem Anspruch die Kommunikation zwischen den Ethnien zu verbessern, gerecht werden konnten. In einigen Fällen wurden die CICRs in Entscheidungen übergangen. In anderen Fällen konnten die CICRs nicht arbeiten, da kein institutionelles Gedächtnis aufgebaut wurde und die Mitglieder nicht ausreichend auf ihre Aufgaben vorbereitet wurden.

Besuch des CDI. V.l.n.r.: Stefan Schneider (Praktikant der FES Skopje), Benedikt Paulowitsch, Marcel Hagedorn, Ruben Werchan, Michael Meissner, Tobias Endrich und Damir Neziri. Bild: Kristin Kretzschmar

Genau in diesen Bereichen versucht das CDI einzuspringen und bietet beispielsweise Training und Foren zum Austausch zwischen Mitgliedern der CICRs in verschiedenen Gemeinden an. Da CICRs erst verpflichtend werden wenn eine ethnische Gruppe mehr als 20% der Bevölkerung einer Gemeinde ausmacht, kam die Frage auf, warum 2011 der Zensus abgebrochen wurde. Eine endgültige Antwort darauf konnten wir nicht finden. Allerdings äußerte Damir Kritik an der „magischen Zahl“ 20. Diese sei eine „Wurzel weiterer Teilung“.

Der Anteil spiele im Zusammenleben keine Rolle, da die Rechte eines jeden Einzelnen geachtet werden müssen. „Wir sind Geißeln der Prozente. Es ist egal ob 19,9 % oder 26 % – wir müssen einen Weg finden friedlich zusammenzuleben.“ Leider ist das Alltagsleben weiterhin stark entlang ethnischer Linien geteilt. Auch wenn es gemischte Schulen gibt, heißt das nicht, dass Mazedonier gemeinsam mit Albanern in einer Klasse sitzen. Die Klassen sind weiterhin geteilt und werden teilweise sogar im Schichtsystem unterrichtet um Konflikte auf dem Schulhof zu vermeiden. Ähnliches gilt für die Nutzung der Sprache: Albaner lernen zwar Mazedonisch, aber kaum ein Mazedonier lernt Albanisch. Ältere Menschen sprechen häufig noch beide Sprachen; jüngere sehen die Sprache der jeweils anderen Ethnie oft als „enemy“.

Die unflexible 20% Lösung des Ohrider Rahmenabkommens hat die sprachliche Trennung weiter vertieft. De facto handelt es sich in Mazedonien um eine geteilte Gesellschaft, doch eine Teilung würde mit Sicherheit zu blutigen Konflikten führen. Sich dessen bewusst kommt es immer wieder zu Friedensbewegungen. Im Mai versammelten sich Bürger aus dem ganzen Land, verschiedenen Ethnien angehörig, in Skopje, um einen „March for Peace“ zu veranstalten und den Willen zum friedlichen Zusammenleben offen zu zeigen. Leider versiegen diese Bewegungen meistens sehr schnell.

Esma Redzepova – die Grande Dame der Roma-Musik

(Michael Meißner) Esma Redžepova zählt zu den bekanntesten Künstlern Mazedoniens, wenn nicht sogar des kompletten Balkanraums. Seit über 50 Jahren ist sie auf den Konzertbühnen der Welt unterwegs und setzt sich für die Interessen der Roma ein.

 

Esma Redzepova in Skopje 2012 (Quelle: Autor)

 

Aufgewachsen in einem Roma-Viertel in Skopje, der Hauptstadt Mazedoniens, war ihr kosmopolitisches Denken fast schon in die Wiege gelegt. Ihre Urgroßmutter väterlichseits war irakische Jüdin, ihr Urgroßvater ein katholischer Roma. Beide zogen aus Albanien über das Kosovo nach Skopje. Die Familie von Esmas Mutter war muslimisch mit türkisch-serbischen Wurzeln.

Esma hatte das Glück, das ihre Mutter die musikalischen Talente ihrer Tochter förderte und ihr Bruder sie frühzeitig bei einer Roma-Musikorganisation anmeldete. Zu diesem Zeitpunkt war Esma neun Jahre alt. 1957, im Alter von dreizehn Jahren, gewann sie einen Talentwettbewerb bei Radio Skopje. Es sollte ihr Leben nachhaltig verändern.

Bereits ein Jahr zuvor hatte sie das Lied Čaje Šukarije geschrieben, welches sich 1959 zum Hit im ehemaligen Jugoslawien entwickelte und bis zum heutigen Tage zu ihrem Stammrepertoire gehört.

 

Esma Redzepova – Caje Sukarije

 

Nur wenig später gelang ihr mit Romano Horo ein weiterer Erfolg, der zum Klassiker avancierte. Der Song stellte eine Antwort auf den damals populären Twist dar.

 

Zu diesem Zeitpunkt arbeitete sie schon als fest engagierte Sängerin des Ensembles Teodosievski. Deren Bandleader, Namensgeber und spätere Ehemann von Esma, Stevo Teodosievski, hatte sie beim Talentwettbewerb singen gehört und sich bei ihrem Vater für eine musikalische Ausbildung und Karriere des jungen Roma-Mädchens eingesetzt.

1961 trat Esma als erste weibliche Roma im jugoslawischen Fernsehen auf und durfte für eine weltweite Tournee ihr sozialistisches Heimatland verlassen – in der damaligen Zeit keine Selbstverständlichkeit. Spätestens ab diesem Zeitpunkt ging es mit ihrer Karriere steil bergauf, sowohl national als auch international.

Das von ihr 1971 beim ersten Romani Congress in London vorgetragene Lied „Djelem, Djelem“ wurde zur weltweiten Hymne der Roma deklariert. Beim Weltmusikfestival der Romani-Lieder und –musik 1976 im indischen Chandigarh, erhielt Esma den Titel Königin der Roma-Musik zugesprochen.

 

Djelem, Djelem [1]

Ich wanderte die langen Straßen entlang.
Ich traf glückliche Roma.
Ich wanderte die Straßen entlang.
Ich traf glückliche Roma.

Oh Roma, oh Jugendzeiten.
Oh Roma, oh Jugendzeiten.
Oh Roma, wo kommt ihr her

Mit euren Zelten auf glückbringenden Straßen?
Auch ich hatte eine große Familie.
Sie wurde von der Schwarzen Legion ermordet.
Kommt mit mir, Roma dieser Welt.
Ihr, die ihr die Roma Straßen erschlossen habt.
Die Zeit ist gekommen, erhebt euch Roma.
Wenn wir uns erheben, dann werden wir Erfolg haben.

Oh Roma, oh Jugendzeiten
Oh Roma, oh Jugendzeiten

 

In ihrer gesamten Karriere hat sie über 15.000 Konzerte absolviert, von denen 2.000 für humanitäre Zwecke waren. Sie blickt mittlerweile auf eine Discographie von 1.000 Songs und 586 veröffentlichten Tonträgern zurück. Esma erhielt zwei Platin-, acht Goldene und 8 Silberne Schallplatten. Ihr Album „Queen of the Gypsies“ zählt weltweit zu den Top 20 im Bereich World Music.

Zugleich scheut sie sich nicht, moderne Produktionen mit ihrem Gesang einen besonderen Stil zu verpassen. Dazu zählt die Zusammenarbeit mit dem Komponisten und Musiker, Kiril Džajkovski.

Darüber hinaus begründet sich Esmas Ruf vor allem auf ihrem humanitären Engagement. Schon 1963 nach dem verheerenden Erdbeben in Skopje, veranstaltete sie 50 Konzerte, um Geld für die Opfer zu sammeln. Sie und ihr Mann adoptierten im Laufe der Jahre 47 Roma-Kinder und ermöglichten ihnen eine Ausbildung. Sechs davon unterstützen Esma bei den Konzerten in ihrer Live-Band.

 

Esma Redzepova - OMNIA Festival, Luxemburg Juni 2012 (Quelle: Autor)

 

Zeit ihres Lebens spendete sie sehr viel Geld für humanitäre Zwecke und auch jetzt noch dient ein großer Teil ihrer Konzerterlöse der Unterstützung verschiedenster Organisationen. Esma war zudem an der Gründung der ersten multiethnischen Partei Mazedoniens, der Demokratischen Alternative, beteiligt.

Für ihr Engagement wurde sie zweimal für den Friedensnobelpreis nominiert (2002 & 2003). Sie erhielt den Mutter-Teresa-Preis 2002, wurde zur Roma-Frau des Jahrtausends gekürt und ist Ehrenpräsidentin des mazedonischen Roten Kreuzes. Die weiteren Auszeichnungen würden den Rahmen des Beitrages sprengen.

 

Der mazedonische Präsident Ivanov verleiht Esma 2010 den Orden für herausragende Leistungen

 

Esma ist weiterhin aktiv, nimmt Songs auf und reist für Konzerte um die Welt.
Lassen wir uns überraschen.

 

 

 



[1] Übersetzung nach Garth Cartwright: Balkan-Blues und Blaskapellen: Unterwegs mit Gypsy-Musikern in Serbien, Mazedonien, Rumänien und Bulgarien. Höfen 2008, S. 47.