Handelt die EU in der Ukraine als normativer Akteur, oder spielen auch wirtschaftliche und strategische Interessen eine Rolle? In der Bacherlorarbeit werden die Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine mit Blick auf den Energiesektor analysiert.
Ist Kosovo vergleichbar mit Abchasien? Welche wirtschaftlichen Interessen stehen hinter der russischen Kosovopolitik? Diese Fragen beantwortert Christopher Forst in seinem Beitrag.
Geografisch gar nicht so weit weg, doch im Kopf auf einem anderen Stern: Bosnien und Herzegowina. Im Mai 2013 hatte ich die Gelegenheit für zehn Tage in das Balkanland zu reisen, das zwischen dem jüngsten EU-Mitgliedsstaat Kroatien, Serben und Montenegro liegt, um Interviews für meine Bachelorarbeit durchzuführen. Einige Beobachtungen, die ich machen konnte, werde ich im Folgenden darlegen.
Nach der Landung auf dem kleinen Flughafen Sarajevos fällt zuallererst die Landschaft auf – waldbedeckte Bergketten und grüne Wiesen erstrecken sich durch das Land und die kleinen Einfamilienhäuser am Stadtrand zeichnen ein Bild, das bekannt ist aus anderen Balkanländern: man versucht sich ein kleines, hübsches und sicheres Reich aufzubauen. Liebevolle Details werden in Gärten und Dekorationen eingearbeitet, sodass man sich zu Haus wohl fühlen kann.
Zu Haus – ein gar nicht so einfacher Begriff in Bosnien und Herzegowina. Unvergessen ist der Krieg in den 1990-ern, bei dem zehntausende Soldaten und Zivilisten ums Leben kamen. Viele verließen das Land, wurden aus ihren Häusern vertrieben oder flohen auf der Suche nach Sicherheit – in ihre Häuser konnten sie später selten zurück. Inzwischen scheint sich die Lage normalisiert zu haben.
Besonders Sarajevo überzeugt durch Vielfalt und Sehenswürdigkeiten. Im Stadtkern kann man orthodoxe und katholische Kirchen, aber auch Moscheen und eine Synagoge finden. Die Religionen scheinen tatsächlich nebeneinander existieren zu können, über die alten Konflikte, die mit Religion und ethnischer Zugehörigkeit in Verbindung stehen, will keiner reden, besonders die jungen Menschen nicht.
Sarajevo blüht bei gutem Wetter auf – die Straßen, Cafés und Plätze im Zentrum sind voller Menschen, die ihren Nachmittag in der Sonne genießen wollen. Das Zentrum bietet eine interessante Symbiose zwischen einem alten und traditionellen Teil, in dem kleine Häuschen, traditionelle Cafés und Kebab-Buden aufzufinden sind, und einem modernen City-Teil, der so aussieht wie in jeder größeren Stadt in Europa: Bekleidungsketten und schicke Restaurants dominieren im neuen Teil des Zentrums.
Leider kostet dieser moderne Einfluss auch etwas Charme, denn selbst im traditionellen Bereich hat man das Gefühl, man sei in einem Touristenort – zu viele Postkarten- und Souvenirstände stechen hervor. In den vergangenen Jahren sind immer mehr Backpacker auf den Geschmack gekommen und wollten die „fremde Nähe“ besuchen, daher ist es verständlich, dass die Bewohner dies auskosten wollen, besonders in Anbetracht der schwachen wirtschaftlichen Lage.
Geschmack ist ein gutes Stichwort: wer gerne und gut isst, wird in Sarajevo auf keinen Fall verzweifeln, allerdings sollte man sich vorher auf Touristenseiten wie tripadvisor.com einige Tipps anschauen, denn die touristenlockenden Angebote wie Kebabtaschen, Börek und der Touri-Version der traditionellen Küche sind nach einigen Tagen eintönig. Die landestypischen Gerichte sollten dennoch probiert werden – bspw. die Dolma. Man bekommt gefüllte Weißkohlblätter mit Hackfleisch und Reis in Sauce, wenn man dieses Gericht bestellt, allerdings gibt es auch andere Varianten: gefüllte Paprika, gefüllte Zwiebel, gefüllte Weinblätter. Auch die Süßigkeiten wie Baklava, Lokum, Halva und Kadayif, die manch einer aus dem Türkei-Urlaub kennt, gibt es in der bosnischen Version in vielen Cafés zum bosnischen Kaffee. Vegetariern und Reisenden mit besonderen Vorlieben empfiehlt sich allerdings tatsächlich ein Blick in einen Reiseführer.
Es ist allerdings wirklich nicht alles do friedlich, wie ich es bisher beschrieb. Das Stadtbild ist bei genauem Hinsehen noch immer von den Spuren des Krieges gezeichnet: Einschusslöcher an Fassaden von Gebäuden im Zentrum, die die Häuser nahezu durchsiebt haben, sind noch immer deutlich erkennbar – wohlmöglich wurden sie auch beabsichtigt nicht beseitigt, um weiterhin an die Kriegsverbrechen zu erinnern. Auch die so genannte „Sarajevo Rose“ fällt nach wiederholtem Spazieren durch die Innenstadt auf – es handelt sich dabei um kleine Löcher im Bodenbelag, die oft durch Granatsplitter verursacht wurden. Die Bewohner haben diese Stellen mit rotem Harz gefüllt, um daran zu erinnern, dass an diesen Stellen Menschen ums Leben gekommen sind. Diese Stellen erinnern ein wenig an rote Rosen, allerdings auch an Blutspuren, was ein unglaublich beklemmendes Gefühl hinterlässt.
Noch immer sieht man auch Graffitis mit der Aufschrift „Don’t forget Srebrenica“, die offensichtlich gegen das Vergessen des Massakers im Jahr 1995 wirken sollen. Allerdings gibt es auch Graffitis, die „Gleichheit“ fordern. Insgesamt bekommt man das Gefühl, dass – vielleicht unbewusst – Sarajevo eine politische Stadt ist. Die politische Lage ist zwar noch immer von ethno-nationalistischen und populistischen Strömungen dominiert, es gibt Probleme mit Minderheiten und der Verfassung, allerdings wollen besonders junge Menschen zu einer progressiven Entwicklung beitragen. Die Lasten des Krieges, seien es persönlicher Verlust oder erschwerte Aufstiegschancen, sind zum Teil aber auch bei der Generation zu merken, die den Krieg gar nicht miterlebt hat.
Die ethnische Teilung ist nicht nur innerhalb des Landes zu spüren, sondern auch in Sarajevo. Das Land Bosnien und Herzegowina besteht aus den drei Gruppen der bosnischen Kroatinnen und Kroaten (römisch-katholisch), der Bosniakinnen und Bosniaken (moslemisch) und den bosnischen Serbinnen und Serben (orthodox). Ebenfalls gibt es Roma und eine jüdische Gemeinde.
Innerhalb des Landes gibt es manchmal noch immer Konflikte anhand der Trennlinien der verschiedenen Gruppen und auch in Sarajevo ist es ein auffälliges Statement, dass der östliche (bosnisch-serbische) Teil der Stadt kyrillische Schriftzeichen benutzt, im Gegensatz zum Rest der Stadt, in dem die lateinischen verwendet. Die Religion gilt in der Provinz bis heute als Trennungsmerkmal.
Ich bin mit dem Auto in die naheliegenden Städte Visoko und Zenica gefahren. Auf dem Weg dorthin, fallen die verlassenen Fabriken aus jugoslawischer Zeit auf, aber erneut auch die Teilung des Landes, denn Eigenbezeichnungen der Gruppen oder die unterschiedliche Verwendung von Schriftzeichen, ist oft ein klares Anzeichen der Abgrenzung.
Interessant war es zu sehen, dass in Zenica, genauso wie in Sarajevo, eine riesige Shopping-Mall steht. Ich habe mir sagen lassen, diese Einkaufszentren seien gute Geldwaschmaschinen, denn die Korruption ist weiterhin eine belastende Hürde auf dem Weg zur Stabilität des Landes.
Insgesamt bekam man den Eindruck in Bosnien und Herzegowina, dass es ein unglaublich komplexes Land ist, was nicht zuletzt an der schwierigen Geschichte und der politischen Situation liegt, der vor allem Ethno-Nationalismus schwer wiegt. Damit eine Entwicklung möglich ist, bedarf es noch viel Zeit und Geld, vielleicht aber auch wieder ein wenig mehr Beachtung der internationalen Gemeinschaft, schließlich haben nach dem Krieg neben der damaligen Konfliktparteien auch Ex-US-Präsident Bill Clinton, Alt-Kanzler Helmut Kohl und auch der ehemalige französische Präsident Jaques Chirac den Friedensvertrag, das sog. Dayton-Abkommen, als amtierende Staatsoberhäupter unterzeichnet, allerdings ist das Interesse dieser Länder lange abgesunken.
Bericht über den Besuch der Sommeruni zum Thema „Ressourceneffizienz in Zentralasien“ in Almaty, Kasachstan
Die orthodoxe Zenkov Kathedrale im Panfilov Park in Almaty
Ausgestattet mit einem Stipendium des DAADs nahm ich vom 12. bis 24. August 2013 an der XII. Internationalen Sommeruniversität an der Deutsch-Kasachischen Universität (DKU) in Almaty (Kasachstan) teil. Thema der Sommeruni war „Nachhaltige Entwicklung und effektive Ressourcenpolitik“. Diesem Oberthema näherten wir uns in drei Gruppen. Eine Gruppe beschäftige sich mit den ökonomischen Aspekten der Thematik, eine weitere Gruppe mit den ökologischen Aspekten und die dritte Gruppe explizit mit der effektiven Verwaltung der Wasserressourcen in Zentralasien. Während die Unterrichtssprache in den ersten beiden Gruppen Deutsch war, wurde das dritte Thema auf Russisch unterrichtet. Die Entscheidung ein russischsprachiges Modul anzubieten, war getroffen worden, da es nicht genug Anmeldungen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Zentralasien gegeben hatte. Dies war darauf zurückgeführt worden, dass Deutschkenntnisse Voraussetzung für die Bewerbung waren und es offensichtlich nicht ausreichend interessierte Zentralasiatinnen und Zentralasiaten mit Deutschkenntnissen gegeben hatte. Die Teilnehmenden setzten sich nämlich aus Studenten und Studentinnen aus allen zentralasiatischen Ländern (Kasachstan, Usbekistan, Kirgistan und Turkmenistan), sowie aus Deutschland zusammen.
Blick auf Almaty von Kok-Tobe, dem höchsten Berg im Stadtgebiet
Zunächst ein paar Worte zu Almaty. Almaty ist die größte Stadt Kasachstans und war bis 1997 die Hauptstadt des Landes. Sie hat ca. 1,5 Millionen Einwohner und liegt im Südosten Kasachstans nahe der Grenze zu Kirgistan. Im Norden wird die Stadt von Steppe eingeschlossen und im Süden reicht sie bis an das Gebirge heran, welches das Grenzgebiet zu Kirgistan darstellt. Aufgrund diese Lage ist die Stadt konstant von Süden nach Norden abschüssig, weswegen sämtliche Stadtpläne von Almaty mit vertauschten Himmelsrichtungen gedruckt werden. Wenn der Süden auf dem Plan oben ist, dann entspricht dies auch dem geologischen Oben und macht so eine Orientierung in der Stadt äußerst intuitiv. Ansonsten macht die Stadt einen sehr sowjetischen Eindruck, zu dem sowohl die rasterförmig verlaufenden Straßen also auch die Architektur beitragen. Dabei ist die Stadt allerdings sehr grün mit vielen Parks und Alleen, was das Lebensgefühl signifikant steigert und zumindest etwas die Abgase der im Übermaß vorhanden SUVs kompensieren kann. Letztere zeugen davon, dass das Wohlstandsniveau in Almaty im Vergleich zum Großteil des Landes sehr hoch ist.
Leider wurden derartige offensichtliche Beispiele für den eher verschwenderischen Umgang mit Ressourcen, in diesem Fall Benzin, in der Sommeruni nur in Ausnahmefällen behandelt. Vermutlich um dem unterschiedlichen Wissenstand der Teilnehmer und Teilnehmerinnen gerecht zu werden, war der Inhalt der Lehrveranstaltungen sehr grundlegend und allgemein gehalten, was zumindest auf Seite der deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Laufe der zwei Wochen mit zunehmender Enttäuschung aufgenommen wurde. Ein weiterer Stein des Anstoßes war die starke Fokussierung der Lehrveranstaltungen auf Deutschland. In einem Land, welches viele Beispiele für die Problematik von Ressourcennutzung bietet, wie das Austrocknen des Aralsees (Ressource Wasser), den sowjetischen Atomtests (Ressource Land), dem Umgang mit Bodenschätzen und vielen mehr, war es wenig nachvollziehbar, dass diese Problematiken meist nur am Rand geschnitten wurden und deutschlandspezifischen Beispielen sehr viel Raum eingeräumt wurde. Bleibt zu hoffen, dass zumindest die Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus Zentralasien von diesen Beispielen profitiert haben.
Picknick in den Bergen
Aber die Universität beschränkte sich nicht auf klassische Lehrveranstaltungen, sondern überzeugte mit einem weitaus umfangreicheren Programm. Fachvorträge von Vertretern aus der Praxis (von der Arbeit im Nichtregierungssektor über Landwirtschaft bis zum Ökotourismus) halfen den thematischen Wissensgewinn der Universität zu steigern. Und vielleicht ist es auch ein offenes Geheimnis, dass nicht der Wissensgewinn im klassischen Sinne bei einer solchen Sommeruniversität im Vordergrund steht, sondern das Kennenlernen einer anderen Kultur. Auch hierbei wurden wir von den Organisatoren und Organisatorinnen der Sommeruni kräftig unterstützt. Oft gab es am Nachmittag ein fakultatives Kulturprogramm, bei dem wir Museen, Konzerte und Sehenswürdigkeiten besichtigen konnten. Für viele ein Höhepunkt waren ohne Frage die Exkursionen in die Natur um Almaty. Bei zwei Wanderungen ins Gebirge, wobei bei der ambitionierteren der beiden 2.000 Höhenmeter überwunden wurden, und einer Fahrt zum Fluss Ili in die Steppe nördlich der Stadt, bekamen wir einen wunderbaren Eindruck von der Vielseitigkeit der kasachischen Landschaft.
Der Fluss Ili und die kasachische Steppe
Von den dabei gewonnenen Eindrücken begeistert, versuchten sich einige von uns an einer Radtour, was sich allerdings angesichts von konstanten 12% Steigung als wenig empfehlenswert herausstellte, auch wenn wir am Ende mit dem Anblick des Großen Almatysees und einem sehr unterhaltsamen Gespräch mit vier Grenzsoldaten belohnt wurden. Diese erzählten uns, dass angeblich islamistische Terroristen vor einem Jahr mehrere Grenzsoldaten umgebracht hätten, beim Versuch den Damm des Sees zu sprengen und somit die Trinkwasserversorgung Almatys zu boykottieren. Derartige Berichte bekommt man mit Sicherheit nur zu hören, wenn man die Möglichkeit hat, sich in einem Land aufzuhalten und es selbstständig zu erkunden.
Internationale Teilnehmerinnen und Teilnehmer
Selbstverständlich kam auch der sozialkommunikative Aspekt der Sommeruniversität nicht zu kurz. Wir tauschten uns über die unterschiedlichen Lebensrealitäten aus, die vor allem bei den usbekischen Teilnehmern und Teilnehmerinnen teilweise sehr krass waren, da diese in einer Zeit permanenter Unruhen und gewaltsamer Auseinandersetzungen aufgewachsen waren. Gerade in Hinblick auf das Knüpfen von Kontakten stellte die Sommeruni eine perfekte Plattform dar. Am Ende der zwei Wochen waren neue Freundschaften entstanden und wir verließen uns unter der Beteuerung gegenseitigen Einladungen und dem Versprechen, diese auch anzunehmen. Wobei natürlich zu befürchten steht, dass dies aufgrund der großen geographischen Entfernungen teilweise ein frommer Wunsch bleiben wird, aber angeblich sieht man sich ja immer mindestens zweimal im Leben.
Der Hochgeschwindigkeitszug "Zhetysu"
Nach Ende der Sommerschule nutzte ich die Verbleibende Zeit, um mir auch die neue Hauptstadt Astana anzuschauen. Schon die Hinfahrt mit dem neuen Hochgeschwindigkeitszug der Kasachischen Eisenbahn war ein Erlebnis. Erstmals konnte ich bewundern, wie es ist, die Vorteile des Bahnreisens in der ehemaligen Sowjetunion (mindestens eine Nacht fahren und unterwegs ein halbwegs bequemes Bett und kochendes Wasser zu haben) mit modernen Wagons zu kombinieren. Ein Konzept, das mich durchaus überzeugen konnte und auch für den innerwesteuropäischen Bahnverkehr ein Ansatz sein kann, der in der Lage wäre eine komfortable und klimaverträgliche Alternative zum Flugzeug darzustellen. Nach erholsamen zwölf Stunden Zugfahrt kam ich erholt morgens in Astana an.
Die Prunkmeile von Astana
Astana selbst ist zweigeteilt, wobei die beiden Teile von den Einheimischen immer mit rechts und links des Flusses bezeichnet werden. Rechts des Flusses Ischim ist die alte Stadt, das ehemalige Aqmola (Astana heißt auf Deutsch Hauptstadt und ist erst seit 1997 der Name der Stadt) und links des Flusses ist all das, was seit dem Umzug der Hauptstadt entstanden ist. Die rechte Seite sieht größtenteils aus wie die meisten postsowjetischen Städte mit Plattenbauten, Supermärkten und scheinbar unnötig breiten Straßen und einer betriebsamen Lebhaftigkeit. Die linke Seite dagegen hat alles, was eine Retortenstadt mit Leib und Seele benötigt. Eine Ballung monumentaler zeitgenössischer Architektur, wie man sie sonst nur aus dem Legoland kennt, großzügig angelegte Parkanlagen und Fußgängerzonen, Einkaufszentren, die sich in keiner US-amerikanischen Großstadt verstecken müssten und eine erdrückend auffällige Abwesenheit von Menschen. Tatsächlich scheint sich das gesamte Leben auf der rechten (in Fließrichtung) Seite des Flusses abzuspielen, während sich auf der linken Seite erhabene Architektur und erhabene Leere gegenseitig verstärken. Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Zweiteilung der Stadt mit dem kontinuierlichen Zuzug neuer Bürger und Bürgerinnen und dem Fortsetzen der Bauaktivitäten (erst 30% der geplanten Bebauung sind fertiggestellt) in Zukunft auflösen wird.
Das Unterhaltungs-Center "Khan Shatyr". Entworfen von Norman Foster.
Abgesehen von der Frage der Sinnhaftigkeit eine Großstadt in ein Steppengebiet mit wenig Wasser und einem eher schwierigen Klima (kontinentales Klima in Perfektion: sehr heiße trockene Sommer und sehr kalte windige Winter) zu setzten, ist es beeindruckend, was den Planern und Erbauern der Stadt gelungen ist. Die Knappheit des Wassers ist nur zu erahnen, denn der Fluss und die üppig angelegten (und bewässerten) Grünflächen suggerieren etwas anderes. Die Möglichkeit uneingeschränkten Bauens hat namhafte Architekten angezogen, so plant Sir Norman Foster bereits sein drittes Bauwerk in Astana. Das Ergebnis ist ein Stadtbild, welches aus einer Ansammlung an Gebäuden besteht, die jedes für sich genommen den meisten anderen Städten weltweit als Wahrzeichen gereicht hätten. Damit ist Astana zu einem Symbol dafür geworden, wie rohstofffinanzierter Aufschwung in der Postsowjetunion aussehen kann. Allerdings wäre es meiner Meinung nach wünschenswert, wenn sich dieser Aufschwung weniger in Form prestigeträchtiger Baudenkmäler materialisieren würde, sondern in Projekten, die dezentral angesiedelt wären und eine nachhaltige Wohlstandssteigerung der gesamten Bevölkerung zur Folge hätten. Ob und inwiefern ganz Kasachstan und eventuell sogar die gesamte Region Zentralasien vom Rohstoffreichtum profitieren kann und wie ein wirtschaftlicher Aufschwung in der Region nachhaltig gestaltet werden kann, wird ein Schwerpunktthema der Expo 2017 in Astana sein. Spätestens dann lohnt sich eine Reise nach Kasachstan auf jeden Fall und wir dürfen mit Spannung auf die dort vorgestellten Lösungsansätze warten.
Dass die sozialdemokratischen Parteien in den postkommunistischen Staaten oftmals eine Sonderrolle in der europäischen Parteienfamilie einnehmen, überrascht angesichts ihrer Vergangenheit kaum. Viele von ihnen waren in die totalitären und autoritären Regimes integriert. Andernorts fällt den potentiellen Wähler_innen die Unterscheidung von kommunistischem und sozialdemokratischem Staatsverständnis sichtbar schwer. Historische und kulturelle Ursachen tragen dabei ebenso zu den Schwierigkeiten der Sozialdemokratie in den zentral- und osteuropäischen Ländern bei Fuß zu fassen, wie zahlreiche Skandale der vergangen Jahre. Im Rahmen des FES-Seminars „Ausgemarxt – Warum die Sozialdemokratie in den postsowjetischen Staaten so schwer Fuß fassen kann“ erläuterten Bartosz Rydlinski und Gert Röhrbrorn die Besonderheiten der polnischen Sozialdemokratie.
Auffällig war dabei insbesondere die überaus erfolgreiche Phase der SDL (Sojuz Lewiczy Demokratycznej – übersetzt etwa „Bündnis der Demokratischen Linken“) während der Präsidentschaft Aleksander Kwasniewskis, dem es 1995 gelang, den früheren Solidarnosc-Vorsitzenden Lech Walesa aus dem Amt zu drängen und diesen Wahlerfolg 2001 zu erneuern. Den Sozialdemokrat_innen gelang es infolgedessen unter Präsident Kwasniewski und dem späteren Parteivorsitzenden Leszek Miller zwei zentrale Projekte zu realisieren, als die zu nennen wären: 1.) die demokratische Verfassung von 1997, die eine sozialdemokratische Handschrift trägt, sowie 2.) die mit dem Eintritt in die EU und die NATO verbundene, stärkere Westintegration Polens. Infolge der einsetzenden Wirtschaftskrise 2001 und der damit verbundenen leeren Kassen kam jedoch auch die SLD schnell an die Grenzen ihrer politischen Gestaltungsmöglichkeiten. Diskussionen über die Weiterverfolgung des Mitte-Links-Kurses oder eines klassisch linken Kurses spalteten die Partei dabei ebenso wie persönliche Differenzen zwischen Kwasniewski und Miller. Bartosz Rydlinski fasste die große Herausforderung der polnischen Sozialdemokratie schlagwortartig zusammen: „Third Way, Pragmatismus, Skandale!“ Die SLD wurde infolge letzterer zunehmend als Teil der bestehenden, korrumpierten, politischen Elite angesehen, was durch die exponierte Stellung neoliberaler und SLD-kritischer Medien zusätzlich verstärkt wird. Entscheidend sei, so Rydlinski, aber insbesondere der Mangel an visionären Projekten in der polnischen Linken.
Hier lohnt ein Blick in die gegenwärtige Programmatik der SLD, die sich ganz im Sinne ihrer westlichen Nachbarparteien für eine progressive Einkommenssteuer, eine Finanztransaktionssteuer und einen gesetzlichen Mindestlohn starkmacht. Auch ist eine Mischwirtschaft aus privaten und staatlichen Akteuren eine der zentralen Forderungen der polnischen Sozialdemokrat_innen. Überraschend erscheinenin dem katholisch und konservativ geprägten Polen (rund 90% der Polinnen und Polen sind Katholik_innen) die Forderungen nach einer klareren Trennung von Kirche und Staat, sowie die zumindest in Teilen der Partei unterstützte Forderung nach einer Ausweitung der LGBT-Rechte. Auffällig war auch, wie stark beide Referenten die Bedeutung Europas für die polnische Politik in den Vordergrund rückten („Wahlen in Europa sind für uns wichtiger als Wahlen in Polen. 80% der Gesetze in Polen kommen aus Brüssel.“). Bietet sich hier etwa ein Anknüpfungspunkt für ein neues Projekt der polnischen Linken? Kann in Zeiten marktstaatlicher Hegemonie in Europa gerade die SLD ein Alternativkonzept zum institutionalisierten, supranationalen Neoliberalismus entwerfen?
Um die polnische Gesellschaft entsprechend gestalten zu können, bedarf es einer Verbesserung der politischen Ausgangssituation. Sowohl Rydlinski als auch Röhrbrunn wiesen auf die Notwendigkeit einer verbesserten politischen Bildungsarbeit hin. So fehle es über die allgemeine politische Lethargie hinaus an einem jungen, gut ausgebildeten politischen Nachwuchs und der Einbettung der sozialdemokratischen Idee in gesellschaftlichen Institutionen jenseits der Parteien (z.B. in den Gewerkschaften).
Insgesamt boten beide Referenten den zahlreichen Teilnehmer_inneneinen umfassenden Einblick in die Lage der Sozialdemokratie in Polen und standen anschließend noch für Diskussionen in Kleingruppen zur Verfügung. Die Stipendiatinnen und Stipendiaten der Friedrich-Ebert-Stiftung und des stipendiatischen Arbeitskreises „Osteuropa“ werden die künftigen Entwicklungen sicherlich mit viel Aufmerksamkeit und Interesse verfolgen
Bartosz Rydlinski promoviert in Politikwissenschaften und engagiert sich für die Soziale Demokratie in seinem Heimatland Polen. Als Kandidat der Partei „Bündnis der demokratischen Linken“ (Sojuzlewiczydemokratycznej, SLD) trat er bereits zu den Wahlen für das Europaparlament und auf lokaler Ebene an. Als Mitarbeiter der „Fondation Amicus Europae“ setzt er sich für Europäische Integration und politische Jugendbildung ein.
Gert Röhrborn ist Mitarbeiter der polnischen Robert-Schuman-Stiftung, deren Ziel ebenfalls die Förderung europäischer Integration ist. Er hat Politikwissenschaften studiert und lebt in Polen.