Nationalistische Elemente der ukrainischen Verfassung

(Tobias Endrich)

Der folgende Beitrag beleuchtet ausgewählte, durch nationalistische Vorstellungen geprägte Elemte der ukrainischen Verfassung.

Dabei wird der Begriff Nationalismus als „Ideensystem [verstanden,] das der Schaffung, Mobilisierung und Integration eines größeren Solidarverbands (genannt Nation)“, in erster Linie aber der Legitimierung politischer Herrschaft dient[1] und auf bestimmten Vorstellungen aufbaut, die im Rahmen der jeweiligen Beschreibung im Folgenden benannt werden. Ein weiterer Teil des Beitrags beschäftigt sich mit der Einflussnahme durch (explizit) nationalistische Kräfte auf die Verfassung.

Der Begriff „Nationalismus“ wird im Zusammenhang mit den aktuellen Geschehnissen in der Ukraine häufig verwendet. Er scheint sich hervorragend zur Lagerbildung und als Kampfbegriff zu eignen, aber auch Beobachter von außen teilen die ukrainische Welt in „ukrainische Nationalisten“ und „russische Separatisten“ ein.

Mit Blick auf die eben beschriebene aktuelle Gemengelage sei bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es unter Berücksichtung der europäischen Verfassungskultur kaum überrascht, dass auch die Ukraine in ihrem Transformationsprozess der 90er Jahre auf nationalistische Ideen Bezug nahm. Aus eruopäischer Perspektive ist die sozialintegrative und politik-/staatslegitimierende Kraft des Nationalismus aufgrund der Entfaltungsmöglichkeiten von anderen, postnationalen Legitimationsgrundlagen zwar in vielen Bereichen eingeschränkt worden – bedeutungslos ist sie aber noch lange nicht.[2] In diesem Kontext sind auch die folgenden Betrachtungen zu verstehen, die also die eingangs erwähnten Vorwürfe im Zusammenhang mit den aktuellen Geschehnissen weder stützen noch zu widerlegen vermögen.

Die ausgewählten

Briefmarke, gewidmet der Verfassung der Ukraine http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Stamp_of_Ukraine_s145.jpg

I. Die Nation als Grundlage des Staates

1. Die Nation führt zum Staat

Der Nationalismus sieht in der Nation die Grundlage und Legitimaitonsbasis des Staates. Mit anderen Worten: “Der Staat muss auf seiner Legitimierung durch den Willen der Nation beruhen.”[3]

In der Präambel heißt es zur Verabschiedung der Verfassung, dass diese auf

„der Jahrhunderte alten Geschichte ukrainischer Staatswerdung und auf dem Selbstbestimmungsrecht, das die ukrainische Nation verwirklicht,“

Die “Legitimationskette” des Staates führt so von der Existenz einer ukrainischen Nation direkt zum Selbstbestimmungsrecht derselben, wobei durch einen Rekurs auf die Geschichte sowohl das Bestehen der Nation allgemein als auch speziell des Selbstbestimmungsrechts (durch die Bezugnahme auf die Geschichte der Staatswerdung) dargelegt wird. Das Selbstbestimmungsrecht wiederum wird durch die Staatswerdung verwirklicht.

2. Der Staat vollendet die Nation

Das nationalistische Ideensystem beinhaltet die Vorstellung, die Nation bestehe seit „archaischen Uhrzeiten“.[4] Diese wird dem vorgestellten Legitimationsansatz der Präambel der UV zugrunde gelegt, wie bereits der Rückgriff auf die Geschichte zeigt. Ab wann und inwieweit von einer “spezifisch ukrainischen Nation”[5] in der Geschichte gesprochen werden kann (an dieser Stelle sei auf die nicht endende Diskussion um das Erbe der Kiewer Rus verwiesen), ist dabei völlig unerheblich. Anders als z.B. die ungarische Verfassung wird kein konreter Anknüpfungspunkt in der Geschichte gewählt. Die Verfassung “begnügt” sich mit der Feststellung, dass die Geschichte der ukrainischen Nation an sich besteht. Konkreter wird erst Art. 20 UV, der die Staatssymbole an die Herrschafftszeichen von Volodymyr dem großen und historischer Kosakenverbände anlehnt. Verbunden ist damit auch die Wertschätzung, die Überhöhung der Nation, ausgedrückt durch den Stellenwert, den die Präambel ihr einräumt.

Das Selbstbestimmungsrecht, dass dieser Nation als historischer, d.h. ihrerseits durch Tradition legitimierter, zukommt, berechtigt dann konsequenterweise auch zur Staatswerdung.

Daran anknüpfend enthält Art. 11 UV folgenden Programmsatz:

„Der Staat soll die Konsolidierung und Entwicklung der ukrainischen Nation, ihres historischen Bewusstseins, ihrer Traditionen und Kultur sowie die Entwicklung der ethnischen, kulturellen,, sprachlichen und religiösen Identität aller indigenen Völker und nationalen Minderheiten der Ukraine fördern.“

Der Begriff der Konsolidierung enthält die Vorstellung der Wiederherstellung bzw. der Vollendung der Nation. Diese ist aus Sicht der Verfassung durch die Existenz des ukrainischen Staates allein noch nicht vollzogen.

Die ukrainische Nation wird aus Sicht der UV also nicht als ein bestehendes Gebilde begriffen, sondern viel mehr als Ziel, als Ideal, das noch nicht erreicht ist. Nur so kann Art. 11 UV als integrative Staatszielbestimmung wirken. Hier tritt die nationalistische Vorstellung der Wiedererweckung der Nation, ihrer Wiederbelebung oder eben wie hier ihrer Vollendung zutage. Diese Vorstellung eignet sich, um Diskontinuitäten in der Staatswerdung, aber auch im Bestehen der Nation selbst “traditionskonform” zu überbrücken. Die Nation wird so mehr Zielutopie denn Bewahrungsidelogie, die Anknüpfungspunkte in der Geschichte können beliebiger und vor allem selektiver gewählt werden, die Existenz der Nation erfordert keine tatsächliche Kontinuität im Bestehen, da sie ja immer als noch zu vollende Idee existierte. Der Ausgangspunkt, das erstmalige Auftreten, wird zu einem frühen Zeitpunkt verortet. Selbst der Einwand, dass vor der Staatswerdung keine (vollendete) Nation bestand, kann das Legitimationskonstrukt nicht erschüttern. Die “ewige Substanz” der Nation wird durch einen (durch die Verfassung nicht näher definierten) Startpunkt in der Geschichte im Ergebnis ausreichend dargelegt.

II. Nation oder Volk – wer trägt den Staat?

Die Verfassung definiert das ukrainische Volk in ihrer Präambel als Einheit der “ukrainischen Bürger aller Nationalitäten”.

Spätestens Art. 11 UV (s.o.) macht aber deutlich, dass es innerhalb und neben der ukrainischen Bevölkerung, ihrer Bürgerschaft gleichwelcher Nation, eine staatstragende ukrainische Nation geben soll, eine Gesamtheit von Ukrainern, die sich unabhängig von der Staatszugehörigkeit definiert. Diese ukrainische Nation wird durch die Gegenübersetllung mit anderen Teilen des Staatsvolkes “unübersehbar herausgestellt”.[6]

Der Anspruch, einen Staat zu schaffen, der sich aus einer ukrainischen Nation heraus entwickelt, tritt auch in Art. 12 UV deutlich hervor:

“Die Ukraine soll die Erfüllung der nationalen, kulturellen und sprachlichen Bedürfnisse von Ukrainern gewährleisten, die außerhalb der Staatsgrenzen leben.”

Hier wird direkt auf ein kulturell und sprachlich zu definierendes ukrainisches Volk abgestellt, dass sich nicht über den Umweg der Staatsbürgerschaft bildet, sondern ohne staatliches Zutun von vornherein existiert (“natürliche Substanz” der Nation). Der Fürsorgeanspruch des Art. 12 UV entspricht der Vorstellung, ein Nationalstaat vertrete die Interessen der Nation, nicht nur die seiner Bürger. Dieser Fürsorgeanspruch ist in der nationalistischen Legitimationskette notwendig, den nur so wird der ukrainische Staat durch Vertretung der gesamten ukrainischen Nation, durch den (mutmaßlichen) Willen dieser Nation, gerechtfertigt.

Der Formulierung der Präambel (“ukrainische Bürger aller Nationalitäten”) ist anzusehen, dass sie nicht mehr ist als eine Kompromissformel, die bemüht ist, die Position eines Nationalstaats mit der eines Mehrvölkerstaats zu vereinen. Im verfassungsgebenden Prozess standen sich als Vorschläge “das Volk der Ukraine” und “das ukrainische Volk” gegenüber.[7]

Von (überraschender ?) Aktualität ist folgende Analyse von Oliver Vorndran:

“Die Formulierung [der] Verfassung entspricht der ukrainischen Verfassungswirklichkeit, die ien Paradox der ukrainischen Nation widerspiegelt: Die Ukraine kann gegenüber Rußland ihre Existenzberechtigung am einfachsten aus der ethnischen und kulturellen Eigenständigkeit des ukrainischen Volkes ableiten, verfolgte aber stets eine andere Ethnien integrierende Nationalitäten- und Nationalstaatspolitik. Die gefundene Formel drückt auch aus, daß es in der Frage keine voluntaristische “Lösung” geben kann – die ein oder andere Variante bevorzugend – ohne die Einheit des Staates zu gefährden. Gelingt es dem ukrainischen Volk in Anerkennung dieser Paradoxie miteinander zu leben, dann kann diese additive Definition der ukrainischen Nation durchaus zu einer Erfolgsformel werden.”[8]

III. Kulturnationalismus und Sprache

Artikel 10 der Verfassung legt Ukrainisch als Staatssprache fest und enthält zugleich die Gewährleistungspflicht des Staates, die Entwicklung und Funktionsfähigkeit der ukrainischen Sprache auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens auf dem gesamten Staatsgebiet zu gewährleisten.

Die UV verwendet zur Beschreibung der die Nation konstituierenden Elemente ausschlich kulturelle (Sprache, Geschichte), nicht aber eine ethnische Komponente.[9] Die Legitimation wird auf die Kultur der Nation gestützt, umso wichtiger ist dadurch das Alleinstellungsmerkmal der Sprache für den Staat.

IV. Einfluss nationalistischer Kräfte – „nur Symbolik?“

Die Bemühung um Ausgleich zwischen nationalistischen und linken Kräften ist auch an anderer Stelle anzutreffen.

Ein Hauptaugenmerk der nationalistischen Kräfte im verfassungsgebenden Prozess lag auf den Staatssymbolen. Diese sollten nicht durch einfaches Gesetz, sondern durch die Verfassung selbst festgelegt werden. Dem gegenüber wünschte sich das linke Lager eine konkrete Beschreibung durch einfaches Gesetz.

Ergebnis ist Art. 20 UV. Staatssymbole sind Nationalflagge, Nationalwappen und Hymne. Farbe und Gestaltung der Flagge regelt Absatz II. Die übrigen Symbole werden nicht bis ins Detail geregelt. Ausgangspunkt ist das Staatswappen von Volodymyr dem Großen (Dreizack) und das Wappen der Saporoger Kosaken, die Melodie der Hymne wird vorgegeben. Die gewählten Symbole können als Beleg der Einheit des Staates mit der ukrainischen Nation verstanden werden, was die große Bedeutung der Festlegung und damit auch der Frage, ob durch Verfassung oder einfaches Gesetz, aus Sicht der Nationalisten erklärt.

Der Text der Hymne ebenso wie die konkrete Ausgestaltung der Wappen dagegen wird dem „einfachen“ Gesetzgeber erlassen – allerdings mit 2/3 Mehrheit. Insoweit lässt sich tatsächlich feststellen, dass die Regelung hauptsächlich “die Anschauung der Nationalisten reflektiert, aber dennoch der Linken entgegenkommt”[10]. Im Ergebnis ist dieses Entgegenkommen durch das qualifizierte Quorum und die Festlegung der Grundlagen der Staatssymbole in vorgenannter, die Einheit von Nation und Staat darstellenden Weise wohl eher als symbolischer zu bezeichnen.

V. Schlussbemerkung

Die Verfassung der Ukraine ist als vom Nationalismus geprägt zu bezeichnen. Dabei ist die Zerissenheit zwischen National- und Mehrvölkerstaat bzw. die kompromissartige Definition der Nation innerhalb der Verfassung ein Merkmal, das sie von den Verfassungen „klassischer“ Nationalstaaten abhebt.

[1] Entlehnt der Kurzdefinition bei Wehler, Nationalismus, Geschichte, Formen, Folgen, 3. Auflage 2007, S. 13.

[2]Von der Möglichkeit einer globalen Renaissance spricht Salzborn, in: Salzborn (Hg.), Staat und Nation, 2011, S. 11.

[3] Wehler, Fn. 1, S. 36.

[4] Wehler, Fn. 1, S. 36.

[5] Vorndran, Die Entstehung der ukrainischen Verfassung, 1. Auflage 2000, S. 321.

[6] Vorndran, Fn. 4, S. 321.

[7] Vorndran, Fn. 4, S. 297.

[8] Vorndran, Fn. 4, S. 297.

[9] Vorndran, Fn. 4, S. 322.

[10] Zum gesamten Abschnitt vgl. Vorndran, Fn. 4, S. 299.

Ukrainisches Versammlungsrecht und EMRK – Teil 1

(Yasar Ohle)

Das Ukrainische Versammlungsrecht im Lichte der EMRK

Teil 1: Das ukrainische Versammlungsrecht

Euromaidan, Barrikaden und Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstrant_innen – in der jüngsten Vergangenheit war die Berichterstattung über die Ukraine besonders von Demonstrationen geprägt. Doch was gilt eigentlich rechtlich in Bezug auf Demonstrationen? Wie sind öffentliche Versammlungen in der Ukraine geregelt? Dieser Beitrag soll einen ersten kurzen Überblick über die Versammlungsfreiheit und das Versammlungsrecht in der Ukraine geben.

a. Sowjetzeit

Das Versammlungsrecht in der Ukraine wurde noch in der Sowjetzeit vom Dekret von 1988 geregelt. Danach sollten Versammlungen spätestens 10 Tage vor dem geplanten Datum bei zuständigen lokalen Sowjetbehörden angemeldet werden. Die Genehmigung konnte verweigert werden, wenn der Zweck der Versammlung nicht mit den Zielen und der Verfassung der Sowjetunion bzw. seiner Republiken im Einklang stand.[1]

b. Seit dem Ende der Sowjetunion

Nach dem Ende der Sowjetunion wurde zunächst kein neues Versammlungsrecht erlassen. Vielmehr galten die Gesetze aus der Sowjetzeit fort, bis ihre Regelungsgegenstände durch den neuen, souveränen Gesetzgeber der Ukraine geregelt wurden. Dies wurde von der Werchowna Rada am 12. September 1991 durch die Resolution zur zeitweiligen Anwendung von bestimmten sowjetischen Gesetzen festgelegt.[2]

Der Entwurf über die Verfassung der Ukraine wurde dann am 28. Juni 1996 durch die Werchowna Rada, das Parlament der Ukraine, angenommen. Diese Verfassung ersetzte die noch bis 1995 gültige Verfassung der Ukrainischen SSR.

Artikel 39 der Verfassung regelt die grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit:

„Die Bürger haben das Recht, sich friedlich und unbewaffnet zu versammeln und Versammlungen, Meetings, Aufzüge und Demonstrationen durchzuführen, deren Durchführung rechtzeitig den Organen der vollziehenden Gewalt oder den Organen der örtlichen Selbstverwaltung mitgeteilt wird.

Eine Beschränkung hinsichtlich der Wahrnehmung dieses Rechts kann durch ein Gericht gemäß dem Gesetz und nur im Interesse der nationalen Sicherheit und der öffentlichen Ordnung mit dem Ziel der Verhinderung von Unruhen oder Straftaten, im Interesse des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung oder des Schutzes der Rechte und Freiheiten dritter Personen festgelegt werden.“[3]

Die Versammlungsfreiheit darf also nur aus bestimmten, von der Verfassung genannten Gründen, und nur auf Grundlage eines Gesetzes eingeschränkt werden. Ein Gesetz, das eine rechtsstaatliche Grundlage für die oben genannten Beschränkungen dieser Freiheit hätte bilden können (vergleichbar etwa mit dem deutschen Versammlungsgesetz), wurde jedoch auch in der Zeit nach der Verfassungsgebung nie erlassen. Noch immer gilt in der Ukraine das Sowjet-Dekret von 1988.

c. Jüngste Veränderungen im Zusammenhang mit den Maidan-Protesten

Auch heute besteht in der Ukraine kein einfachgesetzliches Versammlungsrecht. Dieses wird lediglich durch die Verfassung geregelt. Allerdings wurde im Zusammenhang mit den Maidan-Protesten am 16. Januar im Schnelldurchlauf ein „Gesetzespaket“ erlassen, wodurch bürgerliche Freiheitsrechte, wie auch die Versammlungsfreiheit, eingeschränkt wurden.[4] So wurden mehr Aspekte von Versammlungen unter einen Genehmigungsvorbehalt gestellt und mögliche Strafen für Teilnehmende solcher Versammlungen erhöht. So sind danach Genehmigungen für Bühnen, Zelte und Lautsprecher erforderlich. Wird keine Genehmigung eingeholt, kann die Versammlung aufgelöst werden und dem Leiter eine Gefängnisstrafe von bis zu 15 Tagen drohen. Für die Teilnahme an einem Konvoi mit mehr als fünf Autos kann der Führerschein bis zu zwei Jahre entzogen werden.[5]

d. Fazit

Es lässt sich feststellen, dass der Bereich der Versammlungen in der Ukraine nicht umfassend geregelt ist und dass die bestehenden Regelungen außerdem sehr einschränkend gestaltet sind. Eine wirkliche Versammlungsfreiheit, die auch die Veranstaltung einer spontanen Versammlung beinhaltet und im Rahmen derer die Demonstrierenden nicht kriminalisiert werden, besteht hingegen nicht. Wie dies vor dem Hintergrund der Europäischen Menschenrechtskonvention aus der menschenrechtlichen Perspektive zu bewerten ist, wird im zweiten Teil des Beitrags dargestellt.

Tschechische Gesetzesnovelle soll Marihuana zu Heilzwecken legalisieren

(Tobias Endrich)

Das Abgeordnetenhaus der tschechischen Republik beschloss am 7.12.2012 der dritten Lesung einen Gesetzesentwurf, der die Verwendung von Marihuana zu Heilungszwecken erlaubt. Damit soll das Problem behoben werden, dass Patienten, bei denen die Behandlung mit Marihuana indiziert ist, zurzeit keine Möglichkeit haben, solches zu erhalten. Durch die Regelung, die bei ärztlicher Indikation, Behandlung und Abgabe Marihuana mit einem THC-Gehalt von über 0,3% bzw. daraus hergestellte Produkte zugänglich macht, soll vor allem das Ausweichen der Patienten auf den illegalen Markt vermieden werden. Denn auch, wenn die tschechische Drogenpolitik im Vergleich eher liberal ist und vor allem mit dem Instrument von „bloßen“ Ordnungswidrigkeiten arbeitet, so verstößt eine Behandlung bis jetzt gegen geltendes Recht.

Die Medikamente werden nicht von der Krankenkasse ersetzt und nur auf elektronisches Rezept erhältlich sein. Das Heilmarihuana soll zunächst aus dem Ausland beschafft werden, der Abgeordnete Jiří Rusnok (LIDEM) rechnet aber damit, dass in absehbarer Zeit heimische Produzenten die Qualitätskriterien erfüllen werden und die vorgesehene Lizenz erhalten. Er erhofft sich zudem einen Wettbewerb, der auch eine preisliche Verfügbarkeit für jeden Patienten gewährleistet.

Auch die Polizei soll Zugriff auf die vorgesehene Patientenkartei erhalten, um feststellen zu können, ob der Konsument die Medikamente rechtmäßig besitzt.

Die Verschreibung wird außerdem bestimmten ärztlichen Experten vorbehalten sein. Ist die Behandlung mit THC indiziert, so kann also der eigene Hausarzt nicht einfach Marihuana verschreiben, sondern muss den Patienten weiterverweisen.

Eine „Selbstbehandlung“ oder der Gebrauch von Marihuana zu Genusszwecken wird von der Novelle nicht berührt, wie auch der Mitautor des Entwurfs Pavel Bém wiederholt betonte.

Mit dem Gesetzesentwurf wird sich nun der Senat beschäftigen.