Taxifahren in Zentralasien

von Lydia Wachs

Stadtverkehr in Astana, Kasachstan (Bilder: Lydia Wachs)

Eigentlich ist Reisen in Zentralasien ganz einfach – man kann nämlich fast alles mit dem Taxi er-fahren. Auch wenn dies natürlich etwas übertrieben ist, so stimmt es schon, dass man einige Distanzen mit dem Taxi zurücklegen kann und dafür auch gar nicht so tief in die Tasche greifen muss. Netter Nebeneffekt dabei ist, dass man oft in witzige und interessante Gespräche verwickelt wird und – zumindest in meinem Fall bisher – nur selten bitterböse Erfahrungen macht. Einige dieser Stories sind es, wie ich finde, wert zu erzählen.

Wer den Film „Night on Earth“ von Jim Jarmusch gesehen hat (wenn nicht, unbedingt schauen!), kennt die Szene im nächtlichen New York der 1990er Jahre, in der der Afroamerikaner Yoyo auf den gerade aus Ostdeutschland eingereisten Taxifahrer Helmut Grokenberger trifft. Da Letzterer weder den Weg nach Brooklyn kennt noch Erfahrungen mit Automatikgetriebe vorzuweisen hat, übernimmt kurzerhand Yoyo das Steuer und so entspinnt sich eine überaus lustige Szene zwischen den beiden. Zwar ist es noch nicht so weit gekommen, dass mir das Steuer übergeben wurde (wäre, wenn es nach meinem Fahrlehrer ginge, vielleicht auch nicht die beste Idee), dafür mache ich andauernd die Erfahrung, dass mich die Taxifahrer nach dem Weg fragen. Ich kann mir ja schon vorstellen, dass es nicht leicht ist, in einer Metropole alle Straßen zu kennen, aber jetzt mal ernsthaft:  Erstens haben die meisten doch eh einen Navi, zweitens wurde ich dies auch schon in der 400 000 Seelen Stadt Karaganda gefragt (just nach dem ich am Bahnhof zum ersten Mal in der Stadt angekommen war) und drittens – Ich? Eine Ausländerin soll den Weg besser kennen als ein Taxifahrer?
Meist haben wir – oder eben das Navi – den Weg dann aber auch irgendwie gefunden…

Bist du verheiratet?

Für den Weg von meiner WG in Astana zum Flughafen rief ich mir also ein Taxi. Später sollte mein Flug nach Bischkek gehen. Schon die Art, wie der Taxifahrer heranfuhr, lies mich ein bisschen erschaudern: Schön nutzte er den glatten Eisboden und sein scheinbar nicht existentes Reifenprofil aus, um in einem Kreis an meine Tür heran zu schliddern. Als ich die Autotür öffnete, stellte ich außerdem fest, dass es sich um ein – wie ich anfangs dachte – altes britisches Auto handelte, d.h. mit dem Lenkrad auf der rechten Seite (wie mir in Kirgistan später erklärt wurde, sind dies jedoch alles aus Japan importierte Autos, die so um einiges günstiger sind als Autos mit dem Steuer links). Nach ein paar Minuten Autofahrt fielen mir die vielen Polizeikontrollen am Straßenrand auf und irgendwie dachte ich mir schon, dass wir bestimmt angehalten werden würden (bei dem Auto und dem Fahrstil!). So kam es schließlich auch und es begann erstmal eine längere Kontrolle und Diskussion zwischen Taxifahrer und Polizisten. Ich hatte – wie immer vor Flugreisen – glücklicherweise viel zu viel Zeit eingeplant und daher erstmal keinen Stress. Nach ein paar Minuten fragte ich dann aber  doch mal nach, wurde jedoch geflissentlich ignoriert. Irgendwann schien es sich jedoch wirklich um ein auswegloses Problem zu handeln, sodass sich der Taxifahrer kurzerhand meinen Koffer schnappte und in ein anderes Taxi verfrachtete – ich kam mit Mühe und Not und meinem restlichen Gepäck hinterher. Die ersten Minuten der neuen Fahrt waren ruhig, doch dann ging die Fragerei los. Woher ich denn komme und was ich machen würde? – Deutschland, Reisen (Erklärungen über Praktika waren mir gerade zu langwierig). Und wie alt ich denn sei? Und ob ich einen Mann habe oder einen Freund? Da mein Taxifahrer eher jünger als ich schien und sicher nicht bedrohlich, antwortete ich bereitwillig – Nein, alles nicht. Und ob ich denn Kasachstan oder Deutschland besser fände? Und ob ich lieber einen Kasachen oder Deutschen heiraten wollte? Zumal ich ihm erzählt hatte, dass ich nur ein bisschen in Kasachstan herumreiste, waren diese Fragen schon ein bisschen merkwürdig, aber gut…Irgendwann schafften wir es dann auch zum Flughafen und zu weiteren Fragen kam es nicht mehr. Nur konnte ich noch kurz erfahren, dass er erst 19 Jahre alt war und schon mit 12 Jahren Autofahren gelernt hatte.

Die gute Seite der Taxifahrer

Wenig später in Bischkek auf dem Weg zum Busbahnhof, von dem aus ich an den Issyk Kul fahren wollte, traf ich wieder auf einen äußerst gesprächigen Taxifahrer. Als er hörte, dass ich an den Issyk Kul nach Karakol möchte, bot er mir sogleich an, mich direkt dorthin zu bringen – eine Strecke von etwas mehr als 400km. Die Fahrt wäre doch so viel komfortabler und ich könnte überall anhalten und Fotos machen. Außerdem glaube er, dass heute eh keiner mit der Marschrutka an den Issyk Kul möchte und diese fuhren ja erst, wenn sie voll wären. Glücklicherweise dachte ich mir schon, dass er nur gern mir seine Fahrt verkaufen wollte und bestand also auf die Marschrutka. Am Busbahnhof, als hätte er mir nie von alledem erzählt, brachte er mich dann auch direkt zur nächsten Marschrutka, half mir noch beim Umladen und nach 15 Minuten fuhren wir schon. Das ist eben auch eine Seite mancher Taxifahrer hier: erst binden sie einem irgendeinen Bären auf, aber letztendlich, als hätten sie dies alles nie getan, helfen sie einem bereitwillig – er hätte mich schließlich auch irgendwo hinbringen können, wo ich keine Marschrutka gefunden hätte.

„Händi hoch!“

Vor ein paar Wochen in Almaty, saß ich mal wieder neben einem Taxifahrer im Auto. Dieser fragte mich plötzlich, was sich hinter einem Laden verberge, an dem wir gerade vorbeigefahren waren. Irgendein schicker Modeladen namens „Zilly“ – sagte mir auch nichts. Warum fragte er mich? Wie sich herausstellte, dachte er wie die meisten hier, dass ich Russin sei (und da kennt man wohl diesen Laden?!). Im Verlauf des Gesprächs bemerkte er, dass ich doch wirklich eine tiefe Stimme hätte, die sei ja sogar tiefer als seine – das fand er überaus lustig. Dann sagte er plötzlich: „ Händi hoch, Händi hoch“ – Ich verstand nicht: „Handy hoch??“- „Nein, Händi hoch…“. Mit seiner Erklärung verstand ich dann doch: „Hände hoch“. Scheinbar hatte er als Kind alte sowjetische Kriegsfilme gesehen, in denen die deutschen Feindestruppen immer „Hände hoch“ schrien und mit Gewehren vor der Nase der Russen herumfuchtelten. So hatte er diese Phrase übernommen und mit seinen Freunden immer das Spiel „Hände hoch“ gespielt und die Filmszenen imitiert. Als ich das Taxi verließ, verabschiedete er sich mit den Worten „Hände hoch!“

Usbekisches Taxi stehlen?

Doch nicht nur in Kirgistan und Kasachstan lässt sich fantastisch Taxifahren, sondern auch in Usbekistan, wie ich vor kurzem die Erfahrung machte. Zum Glück hatte mir Anni, eine Freundin von mir in Taschkent, vorweg den maximalen Preis fürs Taxi vom Flughafen zum Verhandeln genannt. Ausländer können am Flughafen in Taschkent jedoch keine usbekische Som abheben und eine Wechselstube für US-Dollar gibt es nicht, weshalb ich mit der Freundin ausmachte, dass ich zu ihr auf die Arbeit kommen würde und sie mein Taxi vorerst bezahlte. Dem Taxifahrer erzählte ich dies natürlich erst, als wir bereits am Ziel angekommen waren. Anstatt mir die Möglichkeit zu geben, Anni ausfindig zu machen, lief er sogleich selbst los und war damit verschwunden – Schlüssel ließ er stecken. Da ich nicht einfach ohne Bezahlung abhauen wollte (und auch kein Interesse an dem Diebstahl seines Autos hatte), blieb mir also nichts anderes übrig, als im Taxi auf den Taxifahrer zu warten. Schließlich kam er nach ein paar Minuten auch wieder zurück und wen brachte er mit – Anni.

Der Einfachheit halber entschied ich mich an meinem zweiten Tag in Usbekistan, mit dem Taxi von Taschkent nach Samarkand zu fahren (ca. 300km). So fuhr ich zum zentralen Sammeltaxi-Platz, auf dem ich direkt von einem Dutzend Taxifahrern umzingelt wurde. Irgendwie entschied ich mich für einen von ihnen. Leider vergaß ich dabei jedoch zu fragen, ob er bereits andere MitfahrerInnen gefunden hat. Hatte er nämlich nicht und da er auch keine großen Anstalten dazu machte, fing erstmal eine längere Wartezeit an. Schließlich fand er – wie weiß ich nicht – doch zwei usbekische Babuschkas, sodass die Fahrt nach mehr als einer Stunde starten konnte. Ich hatte extra Lesestoff dabei und freute mich auch auf die vorbeibrausende Landschaft. Wie sich jedoch herausstellte, konnte ich die Fahrt nicht ganz so genießen wie geplant. Das Gaspedal wurde bis zum Anschlag durchgedrückt und in dieser Position für die nächsten vier Stunden gehalten. So flogen wir mehr oder weniger im Chevrolet nach Samarkand – zumindest jedes Schlagloch veranlasste einen kleinen Höhenflug. Nach 2/3 der Strecke mussten wir etwas verlangsamen, da wie sich herausstellte, ein furchtbarer Unfall stattgefunden hatte. Der Anblick dessen berührte auch den Taxifahrer für kurze Zeit, doch dann wurde wieder aufs Gaspedal gedrückt. Ich hatte mir jedenfalls schon längst geschworen, dass – komme was wolle – ich mit dem Zug wieder nach Taschkent zurückfahren würde.  Bevor wir nach Samarkand rein kamen, setzten wir noch die beiden Babuschkas ab, mit denen zumindest ein kurzes nettes Gespräch zustande gekommen war, in dem aber natürlich wieder die obligatorischen Fragen nach meinem Familienstand abgearbeitet wurden. In Samarkand sammelten wir dafür dann die Schwester des Taxifahrers ein und suchten dann zu dritt mein Hostel. Eigentlich hatte ich die Adresse genannt, aber so richtig nach Logik schienen wir nicht vorzugehen. Statt einfach nach Hausnummern zu suchen, wie ich vorschlug, wollte die Taxifahrer-Schwester lieber das Hostel anrufen. Kurz bevor es dazu kam, fanden wir es aber auch so. Ich zahlte ihm wie anfangs abgemacht 40 000 Usbekische Som, d.h. umgerechnet 4 Euro – ein Stundenlohn für ihn von 1 Euro…!

Die schwarzen Schafe

Dennoch muss auch nicht jede Fahrt ein nettes – oder halbwegs nettes – Erlebnis sein. Wie ich von einer Bekannten letztens mitbekam, die ohne Russischkenntnisse gerade erst in Almaty gelandet war und ein Taxi ins Zentrum genommen hatte, wollte der Taxifahrer am Ende umgerechnet 40 Euro für eine Fahrt haben, die normalerweise um die 3 Euro kostet. Glücklicherweise schaffte sie es den Preis auf 10 Euro zu „drücken“. Als sie jedoch das Taxi verließ, bemerkte sie noch, dass der Taxifahrer die gesamte Situation gefilmt hatte – wahrscheinlich zum Gefallen seiner Kumpel.
Und auch als ich letztens mitten in der Nacht am Busbahnhof von Almaty nach einer langen Fahrt wieder ankam, hatte ich nicht das beste Taxi-Glück. So stieß ich auf einen Taxifahrer, der zunächst ein anderes Paar nach Hause brachte. Dies gestaltete sich als sehr langwierig, da er die Adresse (mal wieder) nicht fand. Als ich schließlich an der Reihe war, fiel ihm ganz plötzlich auf, dass der abgemachte Preis doch viel zu gering sei und veranschlagte gleich einmal 50 Prozent mehr. Ich sträubte mich natürlich – insbesondere dann, als er auch nicht die Adresse, zu der ich wollte, fand. Da ich jedoch kein Kleingeld dabei hatte und auf sein Wechselgeld angewiesen war, konnte ich nur wutschnaubend den höheren Fahrpreis annehmen. Lektion gelernt: Nimm nie ein Taxi ohne Kleingeld!

Insgesamt überwiegen bisher aber doch die positiven und netten Geschichten und es ist immer wieder spannend, was sich hinter der nächsten Taxitür verbirgt. Auf die Art komme ich zumindest zu Gesprächen mit Leuten, mit denen ich sonst wohl eher nicht interagieren würde.  Außerdem hat mir neulich ein Freund erzählt, dass auch er die ganzen Fragen um seinen Familienstand immer beantworten müsste. Gehört hier halt so zum Smalltalk, wie bei uns das Wetter. Außerdem hat er mir den Rat gegeben, selbst auch mal die Verheiratet/Kinder/etc.-Frage als Gegenfrage zu stellen, da kämen wohl immer interessante Geschichten zustande!

Dieser Text stammt von AK-Mitglied Lydia und ist zuerst erschienen auf https://steppenbericht.wordpress.com. Schaut mal auf ihrem Blog vorbei!

Danke, Lydia!

Das Eiserne Tor

Aus Podgorica verabschiedete ich mich im Nachtbus gen Nis. Und mal wieder galt es viele hundert Serpentinen zu überwinden. Das Motorengeratter lud nicht zum einschlummern ein, doch irgendwann siegt die Müdigkeit. Am nächsten Morgen erreichte ich Nis, von wo aus ich in Richtung des eisernen Tors trampen wollte. Viele Einheimische konnten meine Entscheidung dahin zu fahren nicht verstehen.

Das Eiserne Tor war einst eine besonders schwierig schiffbare Stelle an der Donau. Seit dem Bau eine Kraftwerkes und dem zugehörigen Damm, ist dies nicht mehr so kompliziert. In den kleinen Fischerdorfen weht oft eine kühle Brise von der Donau und der nahegelegene Derdap Nationalpark lädt zum Wandern ein.

Frische Fische.

Nachdem ich mehrere Nächte im Bussen und im Zelt verbrachte, entschied ich mich mir eine Unterkunft zu gönnen und fand auf Vermittlung eine Bleibe bei einer älteren Dame. Als ich an ihrem Hoftor stand, war sie gerade damit beschäftigt Fische auszunehmen. Ihr Enkel war auf Besuch aus Belgrad und hatte den ganzen Tag gefischt. Aus einer Mischung deutscher und russischer Vokabeln und gezielter Anwendung von Handzeichen entstand eine Unterhaltung.

Fundstücke am Ufer der Donau.

Absolut nicht zu empfehlen ist der Campingplatz Brza Palanka (der einzige Campingplatz auf Serbischer Seite in einem Umkreis von 90km), auf dem ich eine Nacht verbrachte. Die Übernachtungen kosten 9€, es gibt keine Küche und die sanitären Einrichtungen lassen zu wünschen übrig. Eher zu empfehlen ist es wild zu campen: hierfür bietet sich besonders die kleine Ortschaft Tekija an. Unweit eines kleinen „Strandbades“ zelten die Angler auf einer Wiese. Man kann die Duschen des Bades und WCs der Kneipe nutzen, wenn man ab und an eine Limonade kauft. Die Angler sind meist mittleren Alters und sehr gesellig.

Besonderes Highlight sollte der Besuch der archäologischen Ausgrabungsstätten in Lepenski Vir  werden. Hier bestand vermutlich seit 7000 v. Chr. eine Siedlung. Die Ausgrabungsstätten erzählen die Geschichte der Urbarmachung eines menschenfeindlichen Gebietes. Nach und nach eigneten sich die Bewohner neues Werkzeuge an und erreichten neue kulturelle Standards. Leider musste die Ausgrabungsstätte im Rahmen des Dammbaus versetzt werden.

Ottomanische Festung in Kladovo

Von Lepenski Vir aus wollte ich nach Novi Sip trampen um die Grenze gen Rumänien zu überqueren. Lale und Valentina, ein Ehepaar mittleren Alters, nahmen mich mit. Wie sich herausstellte sprach Lale deutsch mit österreichischen Akzent, da er mehrere Jahre als Steinmetz in Österreich arbeitet. Die beiden entscheiden sich, mir eine Stadtrundfahrt in Kladovo (ihrer Heimatstadt), inklusive einer Besichtigung des ottomanischen Festung, anzubieten. Nach einem reichhaltigen Mittagessen bei ihnen zu Hause brachten sie mich zur Grenze. Auf dem Weg hielten wir an einer Trinkwasserquelle. Während wir warteten bis alle mitgebrachten Flaschen sich füllen, prahlte Lale mit der Wasserqualität.

An der Grenze angekommen, sprach Lale  mit einem der wartenden Fahrer ab, dass er mich mit nach Drobeta Turnu Severin mitnehmen soll. Von hier aus reiste ich nach Caransebes. In beiden Städten verbrachte ich jeweils nur einen Tag, da ich bereits im Retezat Gebirge erwartet wurde.

Belgrad aus der Sicht eines Künstlers

(Kristin Kretzschmar)

„Und warum Belgrad? Schön ist es hier ja nicht.“ Dies war eine der ersten Fragen meines Couchsurfing-Gastgebers Ivan in Belgrad. Ivan nahm mich in seiner kleinen Wohnung in Belgrad auf. Die dunklen zwei Zimmer im Erdgeschoss eines Altbaus teilte er mit zwei Hündinnen und seinen Kunstwerken- er modelliert, malt und tätowiert, lebt aber von Gelegenheitsjobs in der Gastronomie. Ich konnte die Frage nicht wirklich beantworten. Ich wollte zwar zum Guca Festival, aber bis dahin war es noch genug Zeit. Und reisen wollte ich, aber möglichst frei, also ohne Reiseführer und Ziele aus den Hochglanzprospekten. Hauptgrund für Belgrad war dann wohl der günstige Flug. Außerdem muss man ja irgendwo anfangen, wenn man eine Rucksacktour macht

Hl. Sava

Belgrad im August ist wirklich nicht schön. Sengende Hitze macht das Gehen durch die asphaltversiegelte Innenstadt zur Qual. Überall tropfen Klimaanlagen und der Verkehr ist kaum erträglich. Trotzdem machte ich mich am ersten Tag auf, um die Stadt zu sehen. Mein Gastgeber hat mir in einen Touristenstadtplan ein paar Kreuze und Kringel gemacht, ich habe diese verbunden und versuchte dann die Strecke abzulaufen.

Sakrale Denkmäler umgeben von Plattenbauten.

Die erste Stadion des Tages war Tempel des Heiligen Sava. Hierbei handelt es sich um eines der größten Gotteshäuser weltweit – bis zu 12.000 Gläubige finden in ihm Platz. Doch fast noch mehr als der Dom hat mich die unmittelbare Nähe von monumentalen Sakralbauten und kommunistischen Plattenbauten erstaunt.

Von hier durchquerte ich den Tasmajdan Park. In diesem findet man mehrere Denkmäler, die der Kriegsrealität der Jugoslawienkriege gewidmet sind. Des Weiteren bietet der auf einer Anhöhe gelegen Park ein vermeintlich typisch jugoslawisches Panorama: mehr Plattenbauten. Am Rande des Parks liegt die Kirche des Heiligen Markus. Bis zur Errichtung des Doms des Heiligen Sava galt sie als die größte Kirche im ehemaligen Jugoslawien, allerdings ist sie bei Touristen bei weiten nicht so beliebt und leichter zugänglich. Ein Blick hinein lohnt sich auf jeden Fall: die 60 m hohe Kuppel ist atemberaubend und die Wandmosaike ungewohnt.

Vorbei am Gebäude der Serbischen Nationalversammlung (Skupština) gelangt man dann zum Pašić Platz. Der ehemalige Marx und Engels Platz ist gesäumt von verschiedenen Gebäuden im Stile des Sowjetischen Klassizismus. Sucht man eher traditionelle Märkte wird man hier bestimmt fündig. Von hier sind es nur noch einige Schritte bis zur zentralen Fußgängerzone und der Einkaufsmeile Belgrads. Diese ist eher überschaubar.

Panorama Belgrads.

Die letzte Station der von Ivan vorgeschlagenen Route war der Kamelagdan Park, in dem sich die Belgrader Festung und der Zoo befindet. In den Sommermonaten findet man hier verschieden Open-Air Fotoausstellungen, beispielsweise zu russischer Fotografie. Des weiteren besteht eine Dauerausstellung unter freien Himmel zur Geschichte Belgrads.

Diesen Stadtspaziergang empfehle ich jeden Belgradreisenden. Die Strecke ist durchaus an einem Tag machbar. Entlang des Weges laden viele Parks und Brunnen zum Entspannen und Abkühlen ein. Der Sonnenuntergang über dem Sava Fluss ist besonders aus dem Kamelagdan Park postkartentauglich.

Den Abend verbrachte in der Umgebung der Skadarlija Straße in der Belgrader Altstadt. Das Viertel ist auch unter dem Namen Boheminan Quarter bekannt. Das Leben findet nach Sonnenuntergang auf der Straße statt. Viele Restaurants reichen bis auf die Straße. Auf beinahe jeder Terrasse spielt eine serbische Blaskapelle und Rosenverkäufer bahnen sich den Weg durch die Touristenmassen. Ein wenig Abseits findet man dann auch jene Biergärten und Kneipen, die von Einheimischen besucht werden. Die Kapellen tragen keine farbenfrohen Kostüme mehr, sondern T Shirt und Jeans und die Menükarten sind nur auf Serbisch.

Verlassene Boote laden zum verweilen ein.

Der zweite Tag war dann mehr der Entspannung gewidmet. Entlang der Donau spazierte ich zum Lido. Am Fluss findet man viele verlassene Boote und Kneipen auf Booten, die mit ihren Hängematten sehr einladend sind. Über eine schwimmende Brücke erreicht man eine Donauinsel auf der viele Belgrader einen Sprung ins kühle Nass wagen.

Etwas weiter flussaufwärts befindet sich der historische Stadtteil Zemun. Hier ist das Flussufer nun auch von Souvenir- und Eisständen gesäumt. Dieser Stadtteil entwickelte sich separat von Belgrad und besticht durch seine kleinen Häuser, engen Gassen und versteckten Treppen. Es empfiehlt sich ein Besuch des historischen Friedhofs und des angrenzenden Gardos Turms (http://beautifulserbia.info/en/the-gardos-tower/). Dieser bietet im Erdgeschoss eine Galerie. Von der Aussichtsplattform übersieht man den Zusammenfluss von Donau und Sava sowie die Belgrader Innenstadt. Einen entspannten Ausklang des Tages genoss ich auf der Terrasse des „Letnja Pozornica Gardose“, ein kleines Restaurant am Fuße des Turmes.

Postkartentaugliche Aussichten.

In Belgrad aß ich auch meinen ersten Pleskavica. Die Hacksteaks werden in Burgerform an jeder Ecke verkauft. Für etwa 1,50-3€ bekommt man ein überdimensioniertes Brötchen mit einem vor fett triefenden Hacksteak serviert. Oft kann man, ähnlich der deutschen Kebapstände, zwischen verschiedenen Salaten und Soßen wählen. Günstige Erfrischung ist eine Limonade. Diese werden in vielen Restaurants und Bistros frisch zubereitet und sind nichts anderes als mehr oder weniger verdünnter, gesüßter Zitronensaft mit Eis und oft auch mit Minze.
Rückblickend erscheint mir mein Besuch Belgrads stressig. Gerade aus Berlin kommend hatte ich noch ein hohes Schritttempo und brauchte noch ein paar Tage um runter zu schalten – dies gelang mir in Tetovo.

Gastarbeiter, Quellwasser und Gastfreundschaft – Eine Rucksacktour durch Südosteuropa

(Kristin Kretzschmar)

In der Vorbereitung einer Rucksacktour befindet man sich irgendwann an dem Punkt, dass man zwischen T-Shirt und Reiseliteratur abwägen muss. Jedes Gramm im Rucksack will ja auch getragen werden. Ich war zwei Stunden vor Abreise an diesem Punkt: sollte ich Seneca – Das Leben ist kurz oder ein weiteres Trekking Shirt einpacken? Seneca hat gewonnen. Wie sich später herausstellte, war das auch gut, denn Bücher sind unter Rucksacktouristen beliebte Tauschmittel.

Kristin Kretzschmar bereiste mit Rucksack und Zelt Südosteuropa.

Im Sommer 2012 machte ich mich von Berlin auf, um Südosteuropa zu bereisen. Einen genauen Plan hatte ich nicht, aber einige Anhaltspunkte: das Guca Festival, das Retezat-Gebirge, Cluj-Napocca, Tetovo und Tiraspol. In zwei Monaten sollte das alles zu machen sein. Mein Plan war es auf Reiseführer zu verzichten. Lieber wollte ich mir von anderen Reisenden und Einheimischen die Highlights empfehlen zu lassen. Außerdem habe ich mich auch gegen die Rail Way Pässe entschieden: Das wahre Leben findet man abseits der Schiene.
Ende Juli machte ich mich auf den Weg nach Belgrad, wo das große Abenteuer beginnen sollte.

In den folgenden Berichten, möchte ich meine Tour für LerserInnen nacherlebbar machen. Dabei liegt der Fokus nicht auf den Sehenswürdigkeiten und Jahreszahlen, denn hierbei könnte ich weder Vollständigkeit in Anspruch nehmen, noch wäre der Mehrwert vorhanden: Es gibt zahllose Wikis mit Reiseinformationen. Vielmehr geht es um meine individuellen Eindrücke und Erfahrungen.

Während der Reise stieß ich auf verschiede wiederkehrende Motive, die sich auch in mehreren der Berichte finden. So traf ich auf viele (ehemalige) Gastarbeiter. Diese erzählten nicht ohne Stolz wo sie in Deutschland gearbeitet haben und präsentieren ihre Deutschkenntnisse. Des Weiteren stieß ich durchgängig auf grenzenlose Gastfreundschaft. Zunächst nutzte ich Couchsurfing, um in Städten Unterschlupf zu finden. Auf dem Land, wo Couchsurfing nicht so verbreitet ist, wollte ich zelten. Doch oft war mein Zelt unnötig, da mich Einheimische in ihr Haus einluden. Ein weiteres bestimmendes Motiv war „das weltweit beste Quellwasser„. In ihrer grenzenlosen Gastfreundschaft teilten die Einheimischen ihre wertvollsten Güter: Gemüse aus dem Garten, zeigten mir die Trinkwasserquellen im Felsen (stets mit dem Hinweis, es sei das beste Wasser und irgendein großer Konzern möchte es bald kommerziell nutzen) und natürlich auch den daraus gebrannte Rakia und Palinka. Ein Weiteres Motiv war die Musik. Zunächst war eines der geplanten Ziele das Guca Festival, um mich hier von den Klängen des Balkans verzaubern zu lassen. Doch auch abseits des Festivals traf ich immer wieder auf einheimische Musiker.

Letztendlich reiste ich etwa 4500 km, einige Anhaltspunkte bietet die Karte. In meherern Teilen werde ich in den nächsten Wochen von den einzelnen Zielen berichten.


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