(Kristin Kretzschmar)
„Und warum Belgrad? Schön ist es hier ja nicht.“ Dies war eine der ersten Fragen meines Couchsurfing-Gastgebers Ivan in Belgrad. Ivan nahm mich in seiner kleinen Wohnung in Belgrad auf. Die dunklen zwei Zimmer im Erdgeschoss eines Altbaus teilte er mit zwei Hündinnen und seinen Kunstwerken- er modelliert, malt und tätowiert, lebt aber von Gelegenheitsjobs in der Gastronomie. Ich konnte die Frage nicht wirklich beantworten. Ich wollte zwar zum Guca Festival, aber bis dahin war es noch genug Zeit. Und reisen wollte ich, aber möglichst frei, also ohne Reiseführer und Ziele aus den Hochglanzprospekten. Hauptgrund für Belgrad war dann wohl der günstige Flug. Außerdem muss man ja irgendwo anfangen, wenn man eine Rucksacktour macht
Belgrad im August ist wirklich nicht schön. Sengende Hitze macht das Gehen durch die asphaltversiegelte Innenstadt zur Qual. Überall tropfen Klimaanlagen und der Verkehr ist kaum erträglich. Trotzdem machte ich mich am ersten Tag auf, um die Stadt zu sehen. Mein Gastgeber hat mir in einen Touristenstadtplan ein paar Kreuze und Kringel gemacht, ich habe diese verbunden und versuchte dann die Strecke abzulaufen.
Die erste Stadion des Tages war Tempel des Heiligen Sava. Hierbei handelt es sich um eines der größten Gotteshäuser weltweit – bis zu 12.000 Gläubige finden in ihm Platz. Doch fast noch mehr als der Dom hat mich die unmittelbare Nähe von monumentalen Sakralbauten und kommunistischen Plattenbauten erstaunt.
Von hier durchquerte ich den Tasmajdan Park. In diesem findet man mehrere Denkmäler, die der Kriegsrealität der Jugoslawienkriege gewidmet sind. Des Weiteren bietet der auf einer Anhöhe gelegen Park ein vermeintlich typisch jugoslawisches Panorama: mehr Plattenbauten. Am Rande des Parks liegt die Kirche des Heiligen Markus. Bis zur Errichtung des Doms des Heiligen Sava galt sie als die größte Kirche im ehemaligen Jugoslawien, allerdings ist sie bei Touristen bei weiten nicht so beliebt und leichter zugänglich. Ein Blick hinein lohnt sich auf jeden Fall: die 60 m hohe Kuppel ist atemberaubend und die Wandmosaike ungewohnt.
Vorbei am Gebäude der Serbischen Nationalversammlung (Skupština) gelangt man dann zum Pašić Platz. Der ehemalige Marx und Engels Platz ist gesäumt von verschiedenen Gebäuden im Stile des Sowjetischen Klassizismus. Sucht man eher traditionelle Märkte wird man hier bestimmt fündig. Von hier sind es nur noch einige Schritte bis zur zentralen Fußgängerzone und der Einkaufsmeile Belgrads. Diese ist eher überschaubar.
Die letzte Station der von Ivan vorgeschlagenen Route war der Kamelagdan Park, in dem sich die Belgrader Festung und der Zoo befindet. In den Sommermonaten findet man hier verschieden Open-Air Fotoausstellungen, beispielsweise zu russischer Fotografie. Des weiteren besteht eine Dauerausstellung unter freien Himmel zur Geschichte Belgrads.
Diesen Stadtspaziergang empfehle ich jeden Belgradreisenden. Die Strecke ist durchaus an einem Tag machbar. Entlang des Weges laden viele Parks und Brunnen zum Entspannen und Abkühlen ein. Der Sonnenuntergang über dem Sava Fluss ist besonders aus dem Kamelagdan Park postkartentauglich.
Den Abend verbrachte in der Umgebung der Skadarlija Straße in der Belgrader Altstadt. Das Viertel ist auch unter dem Namen Boheminan Quarter bekannt. Das Leben findet nach Sonnenuntergang auf der Straße statt. Viele Restaurants reichen bis auf die Straße. Auf beinahe jeder Terrasse spielt eine serbische Blaskapelle und Rosenverkäufer bahnen sich den Weg durch die Touristenmassen. Ein wenig Abseits findet man dann auch jene Biergärten und Kneipen, die von Einheimischen besucht werden. Die Kapellen tragen keine farbenfrohen Kostüme mehr, sondern T Shirt und Jeans und die Menükarten sind nur auf Serbisch.
Der zweite Tag war dann mehr der Entspannung gewidmet. Entlang der Donau spazierte ich zum Lido. Am Fluss findet man viele verlassene Boote und Kneipen auf Booten, die mit ihren Hängematten sehr einladend sind. Über eine schwimmende Brücke erreicht man eine Donauinsel auf der viele Belgrader einen Sprung ins kühle Nass wagen.
Etwas weiter flussaufwärts befindet sich der historische Stadtteil Zemun. Hier ist das Flussufer nun auch von Souvenir- und Eisständen gesäumt. Dieser Stadtteil entwickelte sich separat von Belgrad und besticht durch seine kleinen Häuser, engen Gassen und versteckten Treppen. Es empfiehlt sich ein Besuch des historischen Friedhofs und des angrenzenden Gardos Turms (http://beautifulserbia.info/en/the-gardos-tower/). Dieser bietet im Erdgeschoss eine Galerie. Von der Aussichtsplattform übersieht man den Zusammenfluss von Donau und Sava sowie die Belgrader Innenstadt. Einen entspannten Ausklang des Tages genoss ich auf der Terrasse des „Letnja Pozornica Gardose“, ein kleines Restaurant am Fuße des Turmes.
In Belgrad aß ich auch meinen ersten Pleskavica. Die Hacksteaks werden in Burgerform an jeder Ecke verkauft. Für etwa 1,50-3€ bekommt man ein überdimensioniertes Brötchen mit einem vor fett triefenden Hacksteak serviert. Oft kann man, ähnlich der deutschen Kebapstände, zwischen verschiedenen Salaten und Soßen wählen. Günstige Erfrischung ist eine Limonade. Diese werden in vielen Restaurants und Bistros frisch zubereitet und sind nichts anderes als mehr oder weniger verdünnter, gesüßter Zitronensaft mit Eis und oft auch mit Minze.
Rückblickend erscheint mir mein Besuch Belgrads stressig. Gerade aus Berlin kommend hatte ich noch ein hohes Schritttempo und brauchte noch ein paar Tage um runter zu schalten – dies gelang mir in Tetovo.
Eine Antwort auf „Belgrad aus der Sicht eines Künstlers“