Künstler*innen und Streetart in Minsk – ein Balanceakt.

von Laurenz Hamel

2012 hat alles mit einem Katalog angefangen. Aleh ist der Gründer und Herausgeber der Belarussischen Streetart-Kunstzeitschrift „Signal Art Magazin“. Laut Aleh ist diese Kunstzeitschrift die erste in Belarus und markiert den Versuch, Menschen für Kunst zu begeistern und insbesondere Streetart den Belarussen näher zu bringen. In diesem Katalog werden viele Werke von Streetart in Belarus gezeigt und diskutiert. Mittlerweile gibt es auch die Crowdfundingplatform mustact.by, auf der Geld für verschiedenste Kunstprojekte gesammelt wird. Alehs Ziel als Streetart-Künstler und Aktivist ist es, die Menschen mit Hilfe der Kunst zum Nachdenken zu bewegen. Er sagt: „Minsk gehört nicht den lokalen Autoritäten, sondern den Menschen“.  Am Anfang, so Aleh, war man noch etwas ängstlich mit sog. Murals, wie Street-Art-Bilder genannt werden. Man praktizierte Selbstzensur, doch mit der Zeit und auch mit wachsender Beachtung hat man Mut geschöpft, künstlerisch Missstände in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft zu thematisieren. „Das belarussische Bildungsministerium hat beispielsweise einige bedeutende Persönlichkeiten, die nicht zur Staatsideologie passen, aus den Geschichtsbüchern getilgt und wir haben diesen Personen in Form von Murals uns Standstills wieder ein Gesicht gegeben und es wurden sogar einige Journalisten auf unsere Aktion aufmerksam“, so Aleh. So hat man sogar bei einem Älteren, noch sowjetisch geprägten Publikum Interesse erweckt und eine Diskussion ausgelöst. In Belarus ist diese Art der Meinungsäußerung, diese Art Kunst zu schaffen nicht nur neu, sondern nach wie vor mit einem großen Risiko verbunden: Wie kritisch darf man sein ? Wie kann man eine kritische Botschaft abstrakt formulieren ohne eine Verhaftung zu riskieren. Nie wurde der formelle Weg bei der Beantragung der Flächen für Street-Art Projekte gewählt. Vielmehr konnte man über Bekannte und Sympathisanten Kontakte zu bestimmten Personen in den zuständigen Behörden gewinnen. Dabei spielte auch eine teilweise positive Berichterstattung über Street Art Projekte in der Presse eine Rolle. Aleh fügt hinzu, dass deswegen die Kooperation mit Journalisten so wichtig ist. Man möchte Aufmerksamkeit erzeugen ohne übermäßig anzuecken! Man könnte dies als Balanceakt oder als einen Schutzversuch durch erzeugte Öffentlichkeit bezeichnen, doch Aleh nennt es ein Spiel. „Street-Art muss eine Botschaft transportieren“, meint Aleh und zeigt während unserer Führung durch die Oktjaberskaya auf eine Reihe von Murals von brasilianischen Künstlern, die im Rahmen einer Kooperation der Minsker Administration mit der Brasilianischen Botschaft entstanden sind. „Diese Murals zeigen Innere Migration, denn wenn du dich nicht mit aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen künstlerisch auseinandersetzen darfst, oder dies nicht erwünscht ist, dann flüchtest du eben entweder ins Sakrale oder brasilianische Leichtigkeit, aber so etwas ist nicht Streetart“, betont Aleh. Auf der Oktjaberskaja, man könnte sagen die „Hipstarstraße“ von Minsk, die voll von Street Art ist, fühlt man sich fast etwas wie in Berlin. Doch es lassen sich keine politisch- oder gesellschaftliche kritischen Murals finden.

(unkritische) Streetart in der Kastryčnickaja-Straße, Minsk (Foto: Laurenz Hamel, 2018)
Streetart über Lenin in der Kastryčnickaja-Straße, Minsk (Foto: Laurenz Hamel, 2018)
AK-Mitglieder bestaunen Streetart in der Kastryčnickaja-Straße, Minsk (Foto: Flora Antoniazzi, 2018)
Streetart zwischen Tradition und Moderne? (Foto: Flora Antoniazzi, 2018)

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