(Hanne Schneider)
Am 20.Juni wird weltweit durch internationale Organisationen über Menschen informiert, die im Rahmen einer so genannten „forcedmigration“, also erzwungenen Migration, aus ihrem Heimatland oder –region flüchten mussten. Steht in diesen Tagen oft das Schicksal der vielen tausend Flüchtlingen in Nordafrika im Vordergrund, sollte an dieser Stelle der Blick nochmals auf die Ukraine gerichtet werden. Die Informationsreise Ende Mai zeigte der Reisegruppe des AK Osteuropas bereits die Problematik von Flüchtlingen aus dem Osten beziehungsweise der Krim-Halbinsel auf. Das Bürgermeisterbüro in Lviv etwa versuchte zu diesem Zeitpunkt Strategien zu finden, um mit neuen Flüchtlingswellen umzugehen.
Migrations- und Flüchtlingsbewegungen stellen für die Ukraine keine neue Situation dar. Durch Binnenwanderungen nach dem zweiten Weltkrieg, Umsiedlungen, Grenzverschiebungen oder nach der Katastrophe von Tschernobyl sowie die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung war das vergangene Jahrhundert von starken Bevölkerungsbewegungen geprägt. Die von der Krimhalbinsel zumeist gewaltsam umgesiedelten Krimtataren durften Ende der achtziger Jahre zurückkehren.
Hilfsbedürftige treffen auf schwaches Asylsystem
Auch wenn die Ukraine der Genfer Konvention bereits 2002 beitrat, wurde das erste Paket umfangreicherer Gesetze zum Flüchtlingsschutz erst 2011 verabschiedet – forciert unter anderem durch die EU im Rahmen einer Visa-Liberalisierungspolitik. Dies beinhaltet auch den Status von irregulären MigrantInnen und Staatenlosen näher zu einzuordnen. Das Asylsystem bleibt jedoch bis heute schwach, die Asylverfahren dauern in vielen Fällen jahrelang. Die Versorgungsstruktur für Flüchtlinge wird von Menschenrechtsorganisationen kritisiert, ebenso wurden wiederholt Auslieferungsverträge durch die ukrainische Regierung bedient und Flüchtlinge trotz Flüchtlingsstatus entgegen der Genfer Konvention abgeschoben. 2007 unterzeichneten die EU und die Ukraine zudem ein Rücknahmeabkommen, welches die Ukraine zunehmend vom Transit- zum Daueraufnahmeland vonm Flüchtlingen auf dem Weg in die EU macht. Die EU unterstützt im Gegenzug mit Millionensummen das „migrationmanagement“.
Aktuelle Lage
Die Lage im ukrainischen Asylsystem verschärfte sich seit Anfang 2014 durch die Krise auf der Krimhalbinsel und im Osten des Landes. In nur zwei Monaten registrierte das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) mehr als 10.000 Flüchtlinge (Stand: 25.Mai 2014), mit mehr als 2.900 die meisten in der Region Kiew sowie 1.300 in Lviv. In der westlichen Ukraine sind mehr als 80% der Flüchtlinge Krimtataren, aber auch viele ethnisch gemischte Gruppen und Familien flüchten in das Zentrum und den Westen des Landes. Der UNHCR dokumentiert in den meisten Regionen gute Unterstützung durch Privatpersonen und Gemeinden, die z.B. provisorische Unterkünfte stellen. Gründe für eine Flucht sind lt. Interviews des UNHCR neben Sicherheitsbedenken auch eine ökonomische Krise, speziell der krimtatarischen Unternehmen, und die damit verbundene Aufgabe von eigenen unternehmerischen Tätigkeiten. Problematisch ist zudem die Aufnahme in das Asylverfahren und die damit verbundenen Rechte.IDP’s (Internallydisplacedperson) haben in der Ukraine bisher hierzu nur beschränkten Zugang.
Quellen und Tipps zum Weiterlesen:
Amnesty International: Jahresbericht 2013. Länderbericht Ukraine. http://www.amnesty.de/jahresbericht/2013/ukraine
Golczewski, Frank: Ukraine in: Bade, Emmer, Lucassen, Oltmer (Hrsg.): Enzyklopädie Migration in Europa. Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Paderborn/München/Wien/Zürich 2007. S. 333-358.
Human Rights Watch: Buffeted in the Borderland: The Treatment of Asylumseekers and Migrants in Ukraine, 2010.
http://www.hrw.org/reports/2010/12/16/buffeted-borderland
Migration Policy Center: Country Profile Ukraine. June 2013. http://www.migrationpolicycentre.eu/docs/migration_profiles/Ukraine.pdf
Rechitsky, Raphi: Gefangen in der Pufferzone: Migration, Flüchtlinge und die Auswirkungen der EU-Außenpolitik. in: Ukraine-Analysen. 92, Bremen, 14.06. 2011.
http://www.laender-analysen.de/ukraine/pdf/UkraineAnalysen92.pdf
UNHCR Ukraine: Profiling and Need Assesment of Internally Displaced Persons (IDPs). 23. Mai 2014.
http://unhcr.org.ua/attachments/article/971/IDP.pdf