Sommeruni im Herzen Zentralasiens

(Ruben Werchan)

Bericht über den Besuch der Sommeruni zum Thema „Ressourceneffizienz in Zentralasien“ in Almaty, Kasachstan

Die orthodoxe Zenkov Kathedrale im Panfilov Park in Almaty

Ausgestattet mit einem Stipendium des DAADs nahm ich vom 12. bis 24. August 2013 an der XII. Internationalen Sommeruniversität an der Deutsch-Kasachischen Universität (DKU) in Almaty (Kasachstan) teil. Thema der Sommeruni war „Nachhaltige Entwicklung und effektive Ressourcenpolitik“. Diesem Oberthema näherten wir uns in drei Gruppen. Eine Gruppe beschäftige sich mit den ökonomischen Aspekten der Thematik, eine weitere Gruppe mit den ökologischen Aspekten und die dritte Gruppe explizit mit der effektiven Verwaltung der Wasserressourcen in Zentralasien. Während die Unterrichtssprache in den ersten beiden Gruppen Deutsch war, wurde das dritte Thema auf Russisch unterrichtet. Die Entscheidung ein russischsprachiges Modul anzubieten, war getroffen worden, da es nicht genug Anmeldungen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Zentralasien gegeben hatte. Dies war darauf zurückgeführt worden, dass Deutschkenntnisse Voraussetzung für die Bewerbung waren und es offensichtlich nicht ausreichend interessierte Zentralasiatinnen und Zentralasiaten mit Deutschkenntnissen gegeben hatte. Die Teilnehmenden setzten sich nämlich aus Studenten und Studentinnen aus allen zentralasiatischen Ländern (Kasachstan, Usbekistan, Kirgistan und Turkmenistan), sowie aus Deutschland zusammen.

Blick auf Almaty von Kok-Tobe, dem höchsten Berg im Stadtgebiet

Zunächst ein paar Worte zu Almaty. Almaty ist die größte Stadt Kasachstans und war bis 1997 die Hauptstadt des Landes. Sie hat ca. 1,5 Millionen Einwohner und liegt im Südosten Kasachstans nahe der Grenze zu Kirgistan. Im Norden wird die Stadt von Steppe eingeschlossen und im Süden reicht sie bis an das Gebirge heran, welches das Grenzgebiet zu Kirgistan darstellt. Aufgrund diese Lage ist die Stadt konstant von Süden nach Norden abschüssig, weswegen sämtliche Stadtpläne von Almaty mit vertauschten Himmelsrichtungen gedruckt werden. Wenn der Süden auf dem Plan oben ist, dann entspricht dies auch dem geologischen Oben und macht so eine Orientierung in der Stadt äußerst intuitiv. Ansonsten macht die Stadt einen sehr sowjetischen Eindruck, zu dem sowohl die rasterförmig verlaufenden Straßen also auch die Architektur beitragen. Dabei ist die Stadt allerdings sehr grün mit vielen Parks und Alleen, was das Lebensgefühl signifikant steigert und zumindest etwas die Abgase der im Übermaß vorhanden SUVs kompensieren kann. Letztere zeugen davon, dass das Wohlstandsniveau in Almaty im Vergleich zum Großteil des Landes sehr hoch ist.

Leider wurden derartige offensichtliche Beispiele für den eher verschwenderischen Umgang mit Ressourcen, in diesem Fall Benzin, in der Sommeruni nur in Ausnahmefällen behandelt. Vermutlich um dem unterschiedlichen Wissenstand der Teilnehmer und Teilnehmerinnen gerecht zu werden, war der Inhalt der Lehrveranstaltungen sehr grundlegend und allgemein gehalten, was zumindest auf Seite der deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Laufe der zwei Wochen mit zunehmender Enttäuschung aufgenommen wurde. Ein weiterer Stein des Anstoßes war die starke Fokussierung der Lehrveranstaltungen auf Deutschland. In einem Land, welches viele Beispiele für die Problematik von Ressourcennutzung bietet, wie das Austrocknen des Aralsees (Ressource Wasser), den sowjetischen Atomtests (Ressource Land), dem Umgang mit Bodenschätzen und vielen mehr, war es wenig nachvollziehbar, dass diese Problematiken meist nur am Rand geschnitten wurden und deutschlandspezifischen Beispielen sehr viel Raum eingeräumt wurde. Bleibt zu hoffen, dass zumindest die Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus Zentralasien von diesen Beispielen profitiert haben.

Picknick in den Bergen

Aber die Universität beschränkte sich nicht auf klassische Lehrveranstaltungen, sondern überzeugte mit einem weitaus umfangreicheren Programm. Fachvorträge von Vertretern aus der Praxis (von der Arbeit im Nichtregierungssektor über Landwirtschaft bis zum Ökotourismus) halfen den thematischen Wissensgewinn der Universität zu steigern. Und vielleicht ist es auch ein offenes Geheimnis, dass nicht der Wissensgewinn im klassischen Sinne bei einer solchen Sommeruniversität im Vordergrund steht, sondern das Kennenlernen einer anderen Kultur. Auch hierbei wurden wir von den Organisatoren und Organisatorinnen der Sommeruni kräftig unterstützt. Oft gab es am Nachmittag ein fakultatives Kulturprogramm, bei dem wir Museen, Konzerte und Sehenswürdigkeiten besichtigen konnten. Für viele ein Höhepunkt waren ohne Frage die Exkursionen in die Natur um Almaty. Bei zwei Wanderungen ins Gebirge, wobei bei der ambitionierteren der beiden 2.000 Höhenmeter überwunden wurden, und einer Fahrt zum Fluss Ili in die Steppe nördlich der Stadt, bekamen wir einen wunderbaren Eindruck von der Vielseitigkeit der kasachischen Landschaft.

Der Fluss Ili und die kasachische Steppe

Von den dabei gewonnenen Eindrücken begeistert, versuchten sich einige von uns an einer Radtour, was sich allerdings angesichts von konstanten 12% Steigung als wenig empfehlenswert herausstellte, auch wenn wir am Ende mit dem Anblick des Großen Almatysees und einem sehr unterhaltsamen Gespräch mit vier Grenzsoldaten belohnt wurden. Diese erzählten uns, dass angeblich islamistische Terroristen vor einem Jahr mehrere Grenzsoldaten umgebracht hätten, beim Versuch den Damm des Sees zu sprengen und somit die Trinkwasserversorgung Almatys zu boykottieren. Derartige Berichte bekommt man mit Sicherheit nur zu hören, wenn man die Möglichkeit hat, sich in einem Land aufzuhalten und es selbstständig zu erkunden.

Internationale Teilnehmerinnen und Teilnehmer

Selbstverständlich kam auch der sozialkommunikative Aspekt der Sommeruniversität nicht zu kurz. Wir tauschten uns über die unterschiedlichen Lebensrealitäten aus, die vor allem bei den usbekischen Teilnehmern und Teilnehmerinnen teilweise sehr krass waren, da diese in einer Zeit permanenter Unruhen und gewaltsamer Auseinandersetzungen aufgewachsen waren. Gerade in Hinblick auf das Knüpfen von Kontakten stellte die Sommeruni eine perfekte Plattform dar. Am Ende der zwei Wochen waren neue Freundschaften entstanden und wir verließen uns unter der Beteuerung gegenseitigen Einladungen und dem Versprechen, diese auch anzunehmen. Wobei natürlich zu befürchten steht, dass dies aufgrund der großen geographischen Entfernungen teilweise ein frommer Wunsch bleiben wird, aber angeblich sieht man sich ja immer mindestens zweimal im Leben.

Der Hochgeschwindigkeitszug "Zhetysu"

Nach Ende der Sommerschule nutzte ich die Verbleibende Zeit, um mir auch die neue Hauptstadt Astana anzuschauen. Schon die Hinfahrt mit dem neuen Hochgeschwindigkeitszug der Kasachischen Eisenbahn war ein Erlebnis. Erstmals konnte ich bewundern, wie es ist, die Vorteile des Bahnreisens in der ehemaligen Sowjetunion (mindestens eine Nacht fahren und unterwegs ein halbwegs bequemes Bett und kochendes Wasser zu haben) mit modernen Wagons zu kombinieren. Ein Konzept, das mich durchaus überzeugen konnte und auch für den innerwesteuropäischen Bahnverkehr ein Ansatz sein kann, der in der Lage wäre eine komfortable und klimaverträgliche Alternative zum Flugzeug darzustellen. Nach erholsamen zwölf Stunden Zugfahrt kam ich erholt morgens in Astana an.

Die Prunkmeile von Astana

Astana selbst ist zweigeteilt, wobei die beiden Teile von den Einheimischen immer mit rechts und links des Flusses bezeichnet werden. Rechts des Flusses Ischim ist die alte Stadt, das ehemalige Aqmola (Astana heißt auf Deutsch Hauptstadt und ist erst seit 1997 der Name der Stadt) und links des Flusses ist all das, was seit dem Umzug der Hauptstadt entstanden ist. Die rechte Seite sieht größtenteils aus wie die meisten postsowjetischen Städte mit Plattenbauten, Supermärkten und scheinbar unnötig breiten Straßen und einer betriebsamen Lebhaftigkeit. Die linke Seite dagegen hat alles, was eine Retortenstadt mit Leib und Seele benötigt. Eine Ballung monumentaler zeitgenössischer Architektur, wie man sie sonst nur aus dem Legoland kennt, großzügig angelegte Parkanlagen und Fußgängerzonen, Einkaufszentren, die sich in keiner US-amerikanischen Großstadt verstecken müssten und eine erdrückend auffällige Abwesenheit von Menschen. Tatsächlich scheint sich das gesamte Leben auf der rechten (in Fließrichtung) Seite des Flusses abzuspielen, während sich auf der linken Seite erhabene Architektur und erhabene Leere gegenseitig verstärken. Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Zweiteilung der Stadt mit dem kontinuierlichen Zuzug neuer Bürger und Bürgerinnen und dem Fortsetzen der Bauaktivitäten (erst 30% der geplanten Bebauung sind fertiggestellt) in Zukunft auflösen wird.

Das Unterhaltungs-Center "Khan Shatyr". Entworfen von Norman Foster.

Abgesehen von der Frage der Sinnhaftigkeit eine Großstadt in ein Steppengebiet mit wenig Wasser und einem eher schwierigen Klima (kontinentales Klima in Perfektion: sehr heiße trockene Sommer und sehr kalte windige Winter) zu setzten, ist es beeindruckend, was den Planern und Erbauern der Stadt gelungen ist. Die Knappheit des Wassers ist nur zu erahnen, denn der Fluss und die üppig angelegten (und bewässerten) Grünflächen suggerieren etwas anderes. Die Möglichkeit uneingeschränkten Bauens hat namhafte Architekten angezogen, so plant Sir Norman Foster bereits sein drittes Bauwerk in Astana. Das Ergebnis ist ein Stadtbild, welches aus einer Ansammlung an Gebäuden besteht, die jedes für sich genommen den meisten anderen Städten weltweit als Wahrzeichen gereicht hätten. Damit ist Astana zu einem Symbol dafür geworden, wie rohstofffinanzierter Aufschwung in der Postsowjetunion aussehen kann. Allerdings wäre es meiner Meinung nach wünschenswert, wenn sich dieser Aufschwung weniger in Form prestigeträchtiger Baudenkmäler materialisieren würde, sondern in Projekten, die dezentral angesiedelt wären und eine nachhaltige Wohlstandssteigerung der gesamten Bevölkerung zur Folge hätten. Ob und inwiefern ganz Kasachstan und eventuell sogar die gesamte Region Zentralasien vom Rohstoffreichtum profitieren kann und wie ein wirtschaftlicher Aufschwung in der Region nachhaltig gestaltet werden kann, wird ein Schwerpunktthema der Expo 2017 in Astana sein. Spätestens dann lohnt sich eine Reise nach Kasachstan auf jeden Fall und wir dürfen mit Spannung auf die dort vorgestellten Lösungsansätze warten.

Die Weltverbesserer – To4ka-Workshop in St. Petersburg

(Kristin Kretzschmar)

Was ist To4ka?

To4ka-Treff ist ein Internetortal in deutscher und russischer Sprache. Seit bereits fünf Jahre bietet es jungen Journalisten, Übersetzern, Schülern und Studenten aus Deutschland und den Ländern Osteuropas und Zentralasiens die Möglichkeit in Kontakt zu treten und sich auszutauschen.

Das Projekt wird von der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch und der Goethe-Institute der Region Osteuropa/ Zentralasien in Kooperation mit der Jugendpresse Berlin und dem Goethe-Institut München umgesetzt.

 Was sind die To4ka Workshops?

Obwohl To4ka-Treff ein Internetprojekt ist, basiert es auf realen Jugendbegegnungen, den sogenannten To4ka Workshops. Diese finden sowohl in Deutschland als auch in Russland statt. Gemeinsam befassen sich die deutschen und russischen Teilnehmer mit einem Thema und verfassen in Tandems Artikel. Diese erscheinen dann auf To4ka in einem sogenannten Topthema.

Beispielsweise befassten sich die Teilnehmer 2012 im Workshop unter dem Titel „Kostbar“ mit dem Thema Ernährung.

Wann und zu welchem Thema findet der nächste Workshop statt?

Vom 29.07. – 03.08. findet ein Workshop in St. Petersburg statt. Thema wird Zivilgesellschaft und Engagement sein.

Wer kann teilnehmen?

  •  Alter: 18-26 Jahre
  • Erste journalistische Erfahrungen
  • Interesse am deutsch-russischen Austausch
  • Interkulturelle Kompetenz
  • Teamfähigkeit (die Beiträge werden gemeinsam mit Tandempartnern verfasst)
  • Englischkenntnisse (Russischkenntnisse sind von Vorteil)
  • Reisepass (zum Zeitpunkt der Abreise noch mindestens 6 Monate gültig) und Auslandskrankenversicherung

Wo kann man sich bewerben?

Bewerbungen sind noch bis zum 10.06. hier möglich.

Freundlich gefördert von der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch. Eine Initiative des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der Freien und Hansestadt Hamburg, der Robert Bosch Stiftung und des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft.

 

 

Viele Neue Menschen auf dem Weg nach Salasu de Sus

(Kristin Kretzschmar)

Aus Caransebes machte ich mich endlich auf den Weg nach Salasu de Sus, wo ich Mihai treffen wollte. Ein guter rumänischer Freund, der in Berlin verweilte, legte mir einen Besuch dieses außergewöhnlichen Menschen ans Herzen, da ich mit ihm wunderbar diskutieren könnte und wahrscheinlich auch die Berge mögen würde.

Noch lagen etwa 80 km Weg vor mir. Da der Tag noch jung war und die Busverbindungen eher rar, entschied ich mich wieder zu trampen. Nach nur wenigen Minuten hielt ein weißer Geländewagen. Der Fahrer stellte sich als Simeon vor und stimmte zu mich bis nach Hateg, die nächstgrößere Stadt unweit von Salasu, mitzunehmen, wenn ich damit einverstanden sei kurz bei seinen Eltern anzuhalten, da er Ihnen noch einen Sack Getreide bringen wollte.

Das Zentrum von Caransebes.

Auch Simeon befand sich auf Reisen. Sein Ziel waren historischen Gedenkstätten seiner Vorfahren – der Daken. Unterwegs stellt sich heraus, dass der aus Timiosara stammende Landwirt momentan auch Jura studiert und gefühlt jede Jahreszahl mit historischen Geschehnissen in Verbindung bringen kann. Nach einem kurzen Abstecher in seinen Heimatort hielten wir wieder an einer Trinkwasserquelle – natürlich mit dem weltweit besten Quellwasser.

Sarmizegetusa

Unterwegs passierten wir auch Sarmizegetusa, eine historische Siedlung die von  80 v. Chr. bis 106 nach Chr. wichtigstes Handels- und Wirtschafts- sowie religiöses Zentrum des von Dakern bewohnten Gebietes war. Simeon war skandalisiert über meine Wissenlücken im Bereich der Daker und musste nicht viel Überzeugungsarbeit leisten um mich für einem Besuch zu begeistern. Die Überreste der Siedlung wurden Ende des 18. Jahrhunderts entdeckt. Besonders in den frühen 1990er Jahren wurden weitere Ausgrabungen vorgenommen. Momentan steht das Projekt aber still. Die Ausgrabungsstätten wirken stiefmütterlich behandelt. Simeon berichtete von einigen Plünderungen. So wurden Steine der historischen Siedlung zum Teil für Hausbauten verwendet. In unweiten Tustea hat man die Steine angeblich auch bei Kirchenbau verwendet, und so seien noch heute römische Inschriften auf dem Altar zu finden.

Überreste einer Korinthischen Säule in Sarmizegetusa.

Auf der weiteren Fahrt tauschen wir uns auch über aktuell poltische Fragen aus und gerieten in eine hitzige Diskussion über Frauenbilder. Der Widerspruch zwischen Simeons allgemeinen Bildungsstand und seinem reaktionären Ansichten bezüglich der Rolle und den Aufgaben von Frauen ist mir auch einige Zeit später noch unerklärlich. So sei es die Aufgabe von Frauen dem Manne Kinder zu schenken. Damit Sie diese Aufgabe zu vollen Zufriedenheit der Familie und Gesellschaft erfüllen kann, sei Erwerbsarbeit zu vermeiden. Besonders durch das Geschenk Gottes gebären zu können, sei der Mann der Frau gegenüber zu Respekt verpflichtet und als Versorger beauftragt.

Haus des Couchsurfers Mihai in Salasu de Sus.

Da auch Simeon auf Reisen war und noch keine Unterkunft hatte, entschied er sich auch bei Mihai Unterschlupf zu suchen. Am späten Nachmittag erreichten wir Salasu de Sus. Aus drei Gründen ist Mihais Haus kaum in dem Örtchen kaum zu verfehlen. Ersten, besteht der Ort praktisch gesehen nur aus einer Straße. Zweitens, hebt sich sein Haus durch kreative Gestaltung eindeutig von den anderen ab und wenn man doch Probleme haben sollte, dann kann man jeden Fußgänger in einem Umkreis von 25km nach dem Weg fragen: Jeder kennt Mihai.

Rumänische Jugendliche versuchen regionale Themen künstlerisch zu verarbeiten.

Mihai ist hauptberuflich Couchsurferund lebt im Stile der Boheme. Über Wasser hält er sich mit Gelegenheitsjobs in Deutschland oder Frankreich, auch wenn er wie er selbst sagt durchaus „lazy days“ bevorzugt. Auf seinem Couchsurfing Profil stilisiert er sich als Zyniker – seine Philosophie „sometimes I think cynically, choose hedonistic-ally, endure stoically and mix all every once in a while. Mainly just live and let die.“ Seine Diskussionskultur ist herausfordernd – mit polemischen und vorsätzlich übermäßig provozierenden Argumenten versucht er zu polarisieren. Wer einmal angebissen hat, kommt so schnell nicht mehr heraus. Seine Lieblingsthemen: Unzulänglichkeiten des Bildungssystems, Lebensphilosophie, die Europäische Union, Stereotypen… und als Autodidakt hat er zu all diesen Themen einen unglaublich umfangreichen Wissensschatz gesammelt.

Kulturelle Veranstaltungen sind in den ländlichen Regionen Rumäniens die Ausnahme – die Anschlagtafel bleibt meistens leer.

In seiner Region hat er sich auch als Kritiker der kommunalen Politiker und Spürhund für Korruptionsfragen einen Namen gemacht. Um Öffentlichkeit zu schaffen, nutzt er hauptsächlich Facebook. Die Reaktionen sind nicht nur positiv: „In Hateg hatte ich praktisch gesehen in allen Geschäften Hausverbot, da der Bruder des ehemaligen Bürgermeisters hier Großunternehmer ist. Keiner wollte es sich mit diesem Gespann verspielen.“

Am Abend besuchten wir in der Kleinstadt Hateg eine Kunstaustellung, die gemeinsam von lokalen Schülern und Kunststudenten aus der Umgebung organisiert wurde. Anliegen war es, darauf hinzuweisen, dass die ländlichen Gebiete im Bezug auf Kunst verkommen. Es gibt keine Angebote und regionale Kunstschaffende werden nicht gewürdigt.

Schicht im Schacht

(Christopher Forst)

Wenige Tage vor dem Spiel bekam ich die überraschende Nachricht. Bei einem Gewinnspiel der ukrainischen Botschaft in Berlin hatte ich zwei Karten für das Achtelfinale der Champions League zwischen Borussia Dortmund und Schachtjor Donezk im Dortmunder Signal-Iduna-Park, dem größten Stadion Deutschlands, gewonnen. Das Besondere daran war, dass es sich um Karten für den Auswärtsblock handelte. Als Osteuropastudent und Fan von Alemannia Aachen verbindet mich nur wenig mit Borussia Dortmund, dafür aber umso mehr mit Schachtjor Donezk. Auch Thomas, der mich begleitete, hatte nur wenig für Dortmund übrig, sodass wir entschlossen waren, Schachtjor über 90 Minuten und wenn nötig auch noch länger anzufeuern.

90 Minuten Unterstützung für Schachtjor Donezk (Bild: Christopher Forst)

Wer die empfehlenswerte Dokumentation „The Other Chelsea“ (s. unten) noch nicht gesehen hat, dem sei gesagt, dass Schachtjor zwar einen der reichsten Männer der Ukraine, Oligarch Rinat Achmetow, an seiner Spitze hat, die „einfachen Fans“ aber oft aus dem traditionellen Milieu der „Kumpel“ kommen (eine Parallele zu Borussia Dortmund). Auch der Name „Schachtjor“ ist auf das Wort „Schacht“ zurückzuführen. Insofern trifft der Begriff „The Other Chelsea“ nur bedingt zu. Während man an der Stamford Bridge oft das Gefühl hat, eine Stecknadel fallen hören zu können, gelten die Fans von Schachtjor durchaus als heißblütige „Fanatiker“. Schon auf dem Weg zum Stadion wurde deutlich, dass meine Russischkenntnisse zur Verständigung mit Schachtjorfans völlig ausreichend sein würden und es nicht nötig sein würde, Ukrainisch zu verstehen. Der Verein heißt offiziell „Schachtar“, dieser Name ist ukrainisch. Da jedoch so gut wie jeder Schachtjorfan Russisch als seine Muttersprache ansieht, findet man den ukrainischen Namen nur im Logo des Vereins, nicht aber z.B. in Anfeuerungsrufen wieder.  Präsident Wiktor Janukowitsch, der als russlandfreundlich gilt, ist übrigens nicht nur selbst in der Region („Oblast“) Donezk geboren, er hat auch Zustimmungsraten von etwa 90 Prozent unter den Anhängern des Vereins. Der Vereinschef Rinat Achmetow ist Mitglied in Janukowitschs Partei und der Präsident ist Stammgast bei Heimspielen in der „Donbass Arena“, dem hochmodernen Stadion, das auch Austragungsort von Spielen der EM 2012 war.

Der Signal-Iduna-Park muss den Vergleich mit der Donezker Donbass-Arena nicht fürchten. (Bild: Christopher Forst)

Das Spiel selbst war leider aus ukrainischer Sicht katastrophal. Der BVB dominierte nach Belieben. Santana, Götze und Blaszczykowski („Kuba“) trafen zum hochverdienten 3:0 Endstand. Das einzige Aufbäumen der „Schwarz-orangen“ (die jedoch im weiß-orangen Auswärtsdress antraten) war kurz nach dem Wechsel zu spüren, als einer der vielen ukrainischen Brasilianer, der eingewechselte Douglas, für Druck über die rechte Seite sorgte. Mit dem unglaublichen Torwartfehler von Pyatov zum 3:0 in der 59. Minute, bei dem uns auf der Tribüne das Entsetzen ins Gesicht geschrieben stand, war die Gegenwehr gebrochen. Dortmund brachte den Sieg souverän nach Hause. Nach Hause ging es auch für uns pünktlich mit dem Abpfiff, da die Zuganbindung von Dortmund nach Köln an einem Dienstagabend leider äußerst schlecht ist.

Traditionelle Fankleidung bei Spielen von Schachtjor (Bild: Christopher Forst)

Die Fans von Schachtjor waren verhältnismäßig ruhig (in der Vergangenheit waren sie mehrmals durch bengalische Feuer und nackte Oberkörper bei Minustemperaturen aufgefallen). Schuld daran war wohl neben dem schlechten Spiel und dem generellen Alkoholverbot in der Champions League auch, dass es fast eine ganze Halbzeitpause lang dauerte, bis die Getränkeverkäufer im Signal-Iduna-Park dem Wunsch nach Tee für die ukrainischen Gäste nachkamen. Andere Länder, andere Sitten. Tee gehört in Donezk wohl zu einem guten Fußballspiel genauso dazu, wie Schutzhelme und brasilianische Stürmer. Als die eingefleischten Anhänger von Schachtjor übrigens bemerkten, dass sich zwei Deutsche unter sie gemischt hatten, die mit ihnen gemeinsam die Mannschaft anfeuerten, wurde dies kurz und knapp so kommentiert: „Das ist gut.“ Das Ausscheiden im Achtelfinale der Champions League ist hingegen schlecht für den Verein, wenngleich die Niederlage wohl durchaus nicht überraschend kam. Folgt man der Donezker Weisheit, dass es dem Schacht immer dann besonders gut geht, wenn Schachtjor gut gespielt hat, kann man nach der unterirdischen Leistung der ukrainisch-brasilianischen Mannschaft an diesem Dienstagabend in Dortmund leider nur sagen: Schicht im Schacht!

Albanien: Eine Sommerschule im Land der Gegensätze

(Hanne Schneider)

In diesen Tagen veröffentlichte der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) die Ausschreibungen für die Sommerschulen im go east Programm 2013. Ein kleiner Rückblick auf eine Sommerschule in Vlora (Albanien) soll einigen von Euch Lust auf eine Abwechslung im Sommer machen.

Die Festung in Berat, (Bild: Hanne Schneider)

Albanien, dieses Land kennen die meisten Balkanreisenden nur als weißen Fleck auf der Landkarte, ist es doch vergleichsweise abgeschnitten von den Nachbarländern. Dies liegt unter anderem an der langen Zeit verschlossener Diktatur in der selbst die Beziehung zu Jugoslawien stark eingeschränkt war, andererseits ist Albanien geographisch durch Gebirge bis heute abgegrenzt. Aber Albanien hat sich in den letzten zwanzig Jahren rasant zu einer Demokratie entwickelt, wenngleich es mit typischen Transformationsproblemen zu kämpfen hat.

Die erste DAAD-geförderte und –organisierte Sommerschule widmete sich genau diesem Thema: „Land im Wandel – Gelebte Landeskunde in einem Transformationsland“. Das Kursprogramm war sehr abwechslungsreich und erstrecke sich von der geographischen über die politische bis hin zur literarischen Betrachtung Albaniens. Betreut und geleitet wurde unsere Sommerschule durch Jürgen Röhling (DAAD-Lektor an der Universität Tirana) sowie seine Assistentin Jonida Peeza, die mit Enthusiasmus und Motivation eine wirklich gelungene Sommerschule auf die Beine stellten. Die angekündigte Mischung von deutschen und albanischen Studierenden konnte leider nicht wie geplant stattfinden, da die Tiraner Universität ihre Prüfungen spontan verschob – auch das war allerdings „erlebte Landeskunde Es blieb eine Gruppe mit 15 motivierten deutschen Studierenden.

Der Skanderbeg-Nationalplatz in Tirana. Im Hintergrund entsteht Albaniens höchstes Gebäude. Bild: Hanne Schneider
Der Skanderbeg-Nationalplatz in Tirana. Im Hintergrund entsteht Albaniens höchstes Gebäude. Bild: Hanne Schneider

Die ersten zehn Tage verbrachten wir in Vlora, an der Südküste Albaniens. Von dort starteten einige Exkursionen in verschiedene Ort und Ausgrabungsstätten. Die letzten Tage verbrachten wir in der Hauptstadt Tirana im Landesinnern. Junge, motivierte Dozierende verpackten selbst theoretische Themen anschaulich. Schön war es, dass wir etwa mit einem Bundesrichter sprechen konnten und auch unangenehme Themen der albanischen Kultur wie etwa die Blutrache nicht ausgespart wurden. Auch ein Planspiel zum politischen System wurde erprobt.

Die Küste be Himara. Bild: Hanne Schneider

Albanien begegnete mir als ein Land voller Gegensätze: Neben vielen Großstadtphänomenen in Tirana sieht man in Busfahrten über das Land viele ärmliche Dörfer, die Strom- und Wasserversorgung funktioniert auch in den Städten oft nur stundenweise. Albanien als Agrarland schafft es noch nicht, seine Bevölkerung zu ernähren und muss Lebensmittel importieren. Der Diktator Enver Hoxha soll möglichst schnell vergessen werden, aber eine Aufarbeitung durch die gesamte Gesellschaft findet nur teilweise statt. Überall erinnern Betonbunker an die Hoxha-Zeit, in Tirana schießen daneben neue Bürokomplexe in den Himmel. Die wunderschöne, unberührte Natur weicht neuen Tourismusanlagen.Weiterhin ist die Balance zwischen Privatisierung und Erhalt staatlichen Einflusses eine Herausforderung, für welche das kleine Land noch keine Erfahrung besitzt.  Und die Korruption, ja, die ist wirklich sehr hoch; Mittel zur Bekämpfung versuchen Justiz und Politik zu finden. Statt Resignation, findet man in Albanien sehr viele EU-Befürworter, trotz Finanzkrise. Insgesamt also ein Land im Umbruch, das schnell fasziniert.

Lust auf Albanien bekommen? Der DAAD fördert auch die 2. Sommerschule in diesem Jahr, die ich jedem/r ans Herz legen kann.

Blick vom Llogara Pass (1000 m) auf die Küste (im Hintergrund kann man Korfu erkennen)
novOstia e. V.
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