Viele Neue Menschen auf dem Weg nach Salasu de Sus

(Kristin Kretzschmar)

Aus Caransebes machte ich mich endlich auf den Weg nach Salasu de Sus, wo ich Mihai treffen wollte. Ein guter rumänischer Freund, der in Berlin verweilte, legte mir einen Besuch dieses außergewöhnlichen Menschen ans Herzen, da ich mit ihm wunderbar diskutieren könnte und wahrscheinlich auch die Berge mögen würde.

Noch lagen etwa 80 km Weg vor mir. Da der Tag noch jung war und die Busverbindungen eher rar, entschied ich mich wieder zu trampen. Nach nur wenigen Minuten hielt ein weißer Geländewagen. Der Fahrer stellte sich als Simeon vor und stimmte zu mich bis nach Hateg, die nächstgrößere Stadt unweit von Salasu, mitzunehmen, wenn ich damit einverstanden sei kurz bei seinen Eltern anzuhalten, da er Ihnen noch einen Sack Getreide bringen wollte.

Das Zentrum von Caransebes.

Auch Simeon befand sich auf Reisen. Sein Ziel waren historischen Gedenkstätten seiner Vorfahren – der Daken. Unterwegs stellt sich heraus, dass der aus Timiosara stammende Landwirt momentan auch Jura studiert und gefühlt jede Jahreszahl mit historischen Geschehnissen in Verbindung bringen kann. Nach einem kurzen Abstecher in seinen Heimatort hielten wir wieder an einer Trinkwasserquelle – natürlich mit dem weltweit besten Quellwasser.

Sarmizegetusa

Unterwegs passierten wir auch Sarmizegetusa, eine historische Siedlung die von  80 v. Chr. bis 106 nach Chr. wichtigstes Handels- und Wirtschafts- sowie religiöses Zentrum des von Dakern bewohnten Gebietes war. Simeon war skandalisiert über meine Wissenlücken im Bereich der Daker und musste nicht viel Überzeugungsarbeit leisten um mich für einem Besuch zu begeistern. Die Überreste der Siedlung wurden Ende des 18. Jahrhunderts entdeckt. Besonders in den frühen 1990er Jahren wurden weitere Ausgrabungen vorgenommen. Momentan steht das Projekt aber still. Die Ausgrabungsstätten wirken stiefmütterlich behandelt. Simeon berichtete von einigen Plünderungen. So wurden Steine der historischen Siedlung zum Teil für Hausbauten verwendet. In unweiten Tustea hat man die Steine angeblich auch bei Kirchenbau verwendet, und so seien noch heute römische Inschriften auf dem Altar zu finden.

Überreste einer Korinthischen Säule in Sarmizegetusa.

Auf der weiteren Fahrt tauschen wir uns auch über aktuell poltische Fragen aus und gerieten in eine hitzige Diskussion über Frauenbilder. Der Widerspruch zwischen Simeons allgemeinen Bildungsstand und seinem reaktionären Ansichten bezüglich der Rolle und den Aufgaben von Frauen ist mir auch einige Zeit später noch unerklärlich. So sei es die Aufgabe von Frauen dem Manne Kinder zu schenken. Damit Sie diese Aufgabe zu vollen Zufriedenheit der Familie und Gesellschaft erfüllen kann, sei Erwerbsarbeit zu vermeiden. Besonders durch das Geschenk Gottes gebären zu können, sei der Mann der Frau gegenüber zu Respekt verpflichtet und als Versorger beauftragt.

Haus des Couchsurfers Mihai in Salasu de Sus.

Da auch Simeon auf Reisen war und noch keine Unterkunft hatte, entschied er sich auch bei Mihai Unterschlupf zu suchen. Am späten Nachmittag erreichten wir Salasu de Sus. Aus drei Gründen ist Mihais Haus kaum in dem Örtchen kaum zu verfehlen. Ersten, besteht der Ort praktisch gesehen nur aus einer Straße. Zweitens, hebt sich sein Haus durch kreative Gestaltung eindeutig von den anderen ab und wenn man doch Probleme haben sollte, dann kann man jeden Fußgänger in einem Umkreis von 25km nach dem Weg fragen: Jeder kennt Mihai.

Rumänische Jugendliche versuchen regionale Themen künstlerisch zu verarbeiten.

Mihai ist hauptberuflich Couchsurferund lebt im Stile der Boheme. Über Wasser hält er sich mit Gelegenheitsjobs in Deutschland oder Frankreich, auch wenn er wie er selbst sagt durchaus „lazy days“ bevorzugt. Auf seinem Couchsurfing Profil stilisiert er sich als Zyniker – seine Philosophie „sometimes I think cynically, choose hedonistic-ally, endure stoically and mix all every once in a while. Mainly just live and let die.“ Seine Diskussionskultur ist herausfordernd – mit polemischen und vorsätzlich übermäßig provozierenden Argumenten versucht er zu polarisieren. Wer einmal angebissen hat, kommt so schnell nicht mehr heraus. Seine Lieblingsthemen: Unzulänglichkeiten des Bildungssystems, Lebensphilosophie, die Europäische Union, Stereotypen… und als Autodidakt hat er zu all diesen Themen einen unglaublich umfangreichen Wissensschatz gesammelt.

Kulturelle Veranstaltungen sind in den ländlichen Regionen Rumäniens die Ausnahme – die Anschlagtafel bleibt meistens leer.

In seiner Region hat er sich auch als Kritiker der kommunalen Politiker und Spürhund für Korruptionsfragen einen Namen gemacht. Um Öffentlichkeit zu schaffen, nutzt er hauptsächlich Facebook. Die Reaktionen sind nicht nur positiv: „In Hateg hatte ich praktisch gesehen in allen Geschäften Hausverbot, da der Bruder des ehemaligen Bürgermeisters hier Großunternehmer ist. Keiner wollte es sich mit diesem Gespann verspielen.“

Am Abend besuchten wir in der Kleinstadt Hateg eine Kunstaustellung, die gemeinsam von lokalen Schülern und Kunststudenten aus der Umgebung organisiert wurde. Anliegen war es, darauf hinzuweisen, dass die ländlichen Gebiete im Bezug auf Kunst verkommen. Es gibt keine Angebote und regionale Kunstschaffende werden nicht gewürdigt.

Ein „Tschernobyl-Effekt“ auch in Osteuropa?

(Christopher Forst)

„Er ist vor 2 Jahren an Krebs gestorben. Er war noch jung. So wie sie. Alles wegen Tschernobyl. Jetzt erst wird das alles klar.“Diese Auskunft, die ein türkischer Tankwart in der Anfangssequenz des Films „Auf der anderen Seite“ von Fatih Akın dem Hauptdarsteller über den Sänger Kazim Koyuncu erteilt, zeigt, welche bedeutsame Rolle Tschernobyl im Bewusstsein der Menschen bis heute einnimmt.  Die Wirkung Tschernobyls auf das Grüne Bewusstsein in Osteuropa ist Thema der Arbeit.

Hausarbeit_-_Tschernobyl-Effekt_3 by FES_OstIA

Spendenaufruf aus Georgien

 

(Marcel Röhtig)

Wir möchten gerne einen Spendenaufruf unterstützen und publik machen, der uns aus Georgien erreicht hat. Die Familie Jishkariani hat zwei Söhne verloren. Der zweite Sohn Tengo starb am 6. März dieses Jahres mit ungeklärten metabolischen Krankheitsbeschwerden. Die letzten drei Monate seines Lebens verbrachte er im Koma. Nun ist sein jüngerer Bruder Giorgi erkrankt, mit den gleichen Symptomen. Georgische Ärzte können die Krankheit weder diagnostizieren noch heilen. Die Uni-Klinik in Freiburg hat der Familie jedoch angeboten, Giorgi aufzunehmen. Dafür benötigt die Familie aber Geld.

Die Familie aus Kutaisi hat alle ihre Ressourcen für die Rettung ihrer zwei Kinder verbraucht.

Eine Spende ist über PayPal möglich. Wir freuen uns über jede Unterstützung!

 

Das Eiserne Tor

Aus Podgorica verabschiedete ich mich im Nachtbus gen Nis. Und mal wieder galt es viele hundert Serpentinen zu überwinden. Das Motorengeratter lud nicht zum einschlummern ein, doch irgendwann siegt die Müdigkeit. Am nächsten Morgen erreichte ich Nis, von wo aus ich in Richtung des eisernen Tors trampen wollte. Viele Einheimische konnten meine Entscheidung dahin zu fahren nicht verstehen.

Das Eiserne Tor war einst eine besonders schwierig schiffbare Stelle an der Donau. Seit dem Bau eine Kraftwerkes und dem zugehörigen Damm, ist dies nicht mehr so kompliziert. In den kleinen Fischerdorfen weht oft eine kühle Brise von der Donau und der nahegelegene Derdap Nationalpark lädt zum Wandern ein.

Frische Fische.

Nachdem ich mehrere Nächte im Bussen und im Zelt verbrachte, entschied ich mich mir eine Unterkunft zu gönnen und fand auf Vermittlung eine Bleibe bei einer älteren Dame. Als ich an ihrem Hoftor stand, war sie gerade damit beschäftigt Fische auszunehmen. Ihr Enkel war auf Besuch aus Belgrad und hatte den ganzen Tag gefischt. Aus einer Mischung deutscher und russischer Vokabeln und gezielter Anwendung von Handzeichen entstand eine Unterhaltung.

Fundstücke am Ufer der Donau.

Absolut nicht zu empfehlen ist der Campingplatz Brza Palanka (der einzige Campingplatz auf Serbischer Seite in einem Umkreis von 90km), auf dem ich eine Nacht verbrachte. Die Übernachtungen kosten 9€, es gibt keine Küche und die sanitären Einrichtungen lassen zu wünschen übrig. Eher zu empfehlen ist es wild zu campen: hierfür bietet sich besonders die kleine Ortschaft Tekija an. Unweit eines kleinen „Strandbades“ zelten die Angler auf einer Wiese. Man kann die Duschen des Bades und WCs der Kneipe nutzen, wenn man ab und an eine Limonade kauft. Die Angler sind meist mittleren Alters und sehr gesellig.

Besonderes Highlight sollte der Besuch der archäologischen Ausgrabungsstätten in Lepenski Vir  werden. Hier bestand vermutlich seit 7000 v. Chr. eine Siedlung. Die Ausgrabungsstätten erzählen die Geschichte der Urbarmachung eines menschenfeindlichen Gebietes. Nach und nach eigneten sich die Bewohner neues Werkzeuge an und erreichten neue kulturelle Standards. Leider musste die Ausgrabungsstätte im Rahmen des Dammbaus versetzt werden.

Ottomanische Festung in Kladovo

Von Lepenski Vir aus wollte ich nach Novi Sip trampen um die Grenze gen Rumänien zu überqueren. Lale und Valentina, ein Ehepaar mittleren Alters, nahmen mich mit. Wie sich herausstellte sprach Lale deutsch mit österreichischen Akzent, da er mehrere Jahre als Steinmetz in Österreich arbeitet. Die beiden entscheiden sich, mir eine Stadtrundfahrt in Kladovo (ihrer Heimatstadt), inklusive einer Besichtigung des ottomanischen Festung, anzubieten. Nach einem reichhaltigen Mittagessen bei ihnen zu Hause brachten sie mich zur Grenze. Auf dem Weg hielten wir an einer Trinkwasserquelle. Während wir warteten bis alle mitgebrachten Flaschen sich füllen, prahlte Lale mit der Wasserqualität.

An der Grenze angekommen, sprach Lale  mit einem der wartenden Fahrer ab, dass er mich mit nach Drobeta Turnu Severin mitnehmen soll. Von hier aus reiste ich nach Caransebes. In beiden Städten verbrachte ich jeweils nur einen Tag, da ich bereits im Retezat Gebirge erwartet wurde.

Das atomare Erbe der Ukraine

(Marcel Röthig)

Mit der formalen Desintegration der Sowjetunion erfolgte der Beginn eines bis heute konfliktreichen Transformationsprozesses. So sah sich die internationale Gemeinschaft mit der Auflösung der Sowjetunion und der Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) erstmals mit dem Problem des Auseinanderbrechens einer Nuklearmacht in unabhängige Einzelstaaten konfrontiert.

Besonders die Frage zum nuklearen Status der Ukraine drohte in den Jahren unmittelbar seit Unabhängigkeit des Landes anno 1991 zum Schauplatz einer stellvertretend geführten Auseinandersetzung zu werden, die vorrangig nicht militärisch, sondern politisch-wirtschaftlich motiviert war. Die Ukraine war zu diesem Zeitpunkt die quantitativ drittgrößte Nuklearmacht der Welt und besaß -zumindest numerisch- ein beeindruckendes Abschreckungsarsenal. Dies drohte das regionale und internationale Machtgefüge entscheidend zu beeinflussen und die noch junge Ukraine in einer Zeit des wirtschaftlichen Umbruchs frühzeitig zu isolieren. Bereits in ihrer Souveränitätserklärung vom 16. Juli 1990 hatte die Ukraine sich deshalb dazu bekannt, Nuklearwaffen künftig weder erhalten noch produzieren oder erwerben zu wollen und hielt auch in ihrer Unabhängigkeitserklärung vom 24. August 1991 an diesem Prinzip fest. Schnell wurde aus dem avancierten Abrüstungsziel ein zentraler Streitpunkt. Die Abrüstungsdebatte spiegelte insgesamt die Probleme der ukrainischen Staatsbildung wider, da die entstehende Außen- und Sicherheitspolitik eng verbunden mit den Schlüsselelementen der ukrainischen Innenpolitik war.

Die Kernfrage dieser Arbeit lautet daher, welche innen- und außenpolitischen, technischen, wirtschaftlichen, kulturellen und soziologischen Elemente der entstehenden Außen- und Sicherheitspolitik zur Denuklearisierung der Ukraine führten.

Ukrainische Nuklearabrüstung Marcel Röthig (1) by FES_OstIA

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